Im Augen des Betrachters (4)

Nacht. Mal wieder.
Wann hat es eigentlich angefangen?
Seine Augen waren schon immer lichtempfindlich gewesen, aber irgendwann hatte es extreme Formen angenommen. Er war nur noch nachts arbeiten gegangen, hatte tagsüber geschlafen. Das hellste was gerade noch angenehm war, war die Dämmerung.
Das hier war jetzt sein Zuhause. Die fahlen Neonlichter, die Menschen wie Wasserleichen aussehen liessen, die geschlossenen Geschäfte, leere Straßen, Frauen in Kriegsbemalung und einem Minimum an Stoff, Männer die so breit waren, dass sie nicht mal gemerkt hätten, wenn neben ihnen eine Bombe explodiert wäre. Schwule, die es nie zugegeben hätten, Kinder die schon lange im Bett sein sollten und ihre gefälschten Ausweise wie Kruzifixe hielten, Nutten, Zuhälter, Junkies, Abschaum.
Er hasste, er hasste sie alle und gleichzeitig jeden einzelnen.
Was gab ihnen das Recht SEINE Nacht zu verseuchen. Die Stille zu stören, die Dunkelheit zu zerreissen, laut lachend durch die Fußgängerzone zu torkeln?
Wann immer er sie sah, sah er sie doppelt. Wie sie waren und wie sie wären, wenn er sich endlich rächen würde, wenn er sich rächen könnte.
Die verquetschten Augen, eingeschlagenen Nasen, aufgeplatzten Lippen und Veilchen sahen ihn an und ihm gefiel was er sah. Es war fast wie ein Kunstwerk das darauf wartete zu geschehen.
Aber man hatte ihn gehirngewaschen, indoktriniert, kastriert. Erst die Eltern, dann die Lehrer, dann die Medien.
"Gewalt ist kein Lösung!"
"Sag Nein zu Gewalt!"
und so weiter und so fort.
Wie gerne hätte er Bomben geworfen, auf ihre Sender. Wie gerne hätte er herausgeschrien, dass Gewalt doch die Lösung war und nicht das Problem.
Aber sie hatten ihn gefickt. Immer flüsterten die Stimmen "Nein, ist es nicht!" "Du weisst das es falsch ist!"
Sie hat Millionen indoktriniert und ihn auch.
Als er in die Straße einbog die zu seiner Wohnung führte stuzte er. ein Polizeiwagen stand vor der Tür.
Vielleicht war der Bekennerbrief doch ein Fehler gewesen.