Ein Funken in der Asche

Corven

Stiller Mitleser
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5. Januar 2009
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"Wir müssen etwas unternehmen."

Ehlmin schaute über die Runde der Anwesenden. Der Sprecher, der seine Worte mit der Faust auf dem Tisch zu unterstreichen suchte, war ein alter Mann. Ein Greis beinahe schon. Genauso wie der Rest der Versammlung. Weiße Bärte und Häupter. So war es in den letzten Jahren. Die Alten debattierten und berieten und vegetierten vor sich hin, während die Jungen raus gingen und unter den Schwertern und Äxten Heims starben.

"So kann es nicht weitergehen."

Ehlmin schnaubte belustigt, als er die abgedroschenen Phrasen der alten Männer hörte. Dasselbe sagten sie nun schon seit Jahren. Und jedes mal war es in der Folge schlimmer geworden für die Zunft. Ohlmin, dann Ahrmin und jede Menge weitere Zunftmitglieder waren tod. Man konnte nicht mal mehr genau sagen ob es der Krieger, einer seiner Spießgesellen oder jemand ganz anders war, der Jagd auf die Sklavenhändler machte. Ehlmin seufzte. Nichts war mehr wie früher. Inzwischen wagten sich sogar Strauchdiebe an ihre Züge. Jedes Mal wurde der Schutz teurer und die feigen Magier waren sich inzwischen zu fein ihre Mitglieder weiter die Karawanen begleiten zu lassen. Die Zustände waren unerträglich für die, welche die Sklavenhändlerzunft noch in ihrem alten Glanz kannten. Irgendetwas musste geschehen. Doch wenn die alten Männer immer nur weiter berieten, würde sich niemals etwas ändern.

"Was tun wir gegen die Missstände?"

Es reicht. Langsam stand Ehlmin von seinem Platz auf. Er wurde erst bemerkt, als er seine Hand geräuschvoll auf die Schwert scheide an seiner Seite fallen ließ. Alle Augen richteten sich auf ihn und Gesellenmeister Fredo zischte ihn beinahe an. "Geselle Ehlmin, erkläre dich."

Statt direkt zu antworten zog Ehlmin geräuschvoll die Nase hoch und spuckte vor sich auf den Boden. Für mehrere Sekunden waren alle Geräusche verstummt.

"Wie kannst du es wagen." Der Sprecher, Meister Wendel, hatte sich ebenfalls erhoben und deutete mit erhobenem Zeigefinger drohend in seine Richtung. Seine Stimme überschlug sich beinahe im Zorn. Früher einmal wäre Ehlmin erschrocken gewesen, den Zorn des alten Meisters auf sich zu ziehen. Doch das war vor langer Zeit gewesen. "Was glaubst du wo du bist, Bursche?"

Ein Tumult folgte den Worten. Andere Meister erhoben sich und riefen empört durcheinander. Greise Männer mit zittrigen Stimmen suchten ihm zu drohen. Ehlmin ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Als sich der Aufruhr langsam legte, schaute er herausfordernd in die Runde.

"Ich glaube", Seine Stimme war tief und ruhig. Dabei allerdings, troff sie vor Verachtung, "Dass ich in einer Runde alter Männer bin, die lieber reden als das zu tun was notwendig wäre." Er ließ eine kurze Pause einfließen um seine Worte wirken zu lassen. "Debattieren und Zeit verschwenden. Warten bis die Bärte noch länger und die Bäuche noch dicker werden." Er wendete sich um und bewegte sich langsam ein, zwei Schritte auf den Ausgang zu. Aber noch ehe die Anderen ihre Überraschung überwinden konnten und ein neuer Tumult folgen würde drehte er sich wieder um. "Feige, geschwätzige Männer, die die beste Zeit hinter sich haben. Die die Jungen ihrer Zunft vor die Kanonen laufen lassen und Taub sind, für jede Neuerung die alles besser machen könnte. Arrogant und Eitel seid ihr." Seine Stimme legte mit jedem Wort an Kraft zu. Dann räusperte er sich. "Einst liebte ich die Zunft. Ich war ein Junge voller Ideologie. Voller Stolz, Mitglied dieser traditionsreichen und edlen Zunft zu sein. Doch das war vor einer Ewigkeit. Durch euch wurden meine Augen geöffnet. Durch euch sah ich endlich, warum wir dabei sind zu zerbrechen." Nicht ohne leichten Kummer zu verspüren, wenn er von den alten Zeiten sprach, sah er in die Gesichter seiner Meister. "Doch keinen Tag länger. Keinen Tag länger werde ich einfach nur zusehen. Ich werde jetzt tun was nötig ist. Ich werde der Zunft keine Schande mehr bereiten, indem ich euch zuhöre. Eure sinnlosen, verschwenderischen Befehle befolge." Er wollte sich erneut umwenden als der erwartete Tumult nun endlich losbrach. Doch ehe er seine Bewegung vollenden konnte, hob der Gildenmeister die Hand und befahl Ruhe.

"Und was, Ehlmin, wirst du jetzt tun?" Seine Stimme zeugte noch von den damaligen Zeiten. Damals als der Hochmeister noch ein großer Mann gewesen war. In Zeiten in denen keine Strauchdiebe es gewagt hatten, den Zorn der Zunft zu wecken. Damals war Ehlmin voller Respekt für den Mann gewesen. Der Mann, der mehr als ein Vater für ihn gewesen war.

"Ich werde euch verlassen und nehme alle mit die erkannt haben, dass unsere Meister", er sprach das Wort aus, als habe er einen schimmeligen Belag auf der Zunge und kein Wort, "nicht mehr in der Lage sind uns zu führen." Er schaute zum dritten Mal über die Runde. "Das der Rat schwach geworden ist und unsere Zunft dem Ende entgegenläuft." Kurz wartete er, ehe er sich umdrehte und diesmal wirklich den Raum verließ. Sollten sich die Alten die Mäuler zerreißen und ihn verfluchen. Er wusste dass er genügend Zulauf bekommen würde. Er wusste, dass die Unzufriedenheit groß und der Drang nach Neuem unendlich war. Er würde den Jungen dies bieten. Er würde die Sklavenhändlerzunft wieder aufbauen. Zu altem Glanz verhelfen. Er alleine. Meister Ehlmin. Er schaute auf die Gemälde und Büsten die den Gang flankierten. Großmeister Ehlmin. Lächelnd verließ er das Gebäude und bestieg das Pferd, das seine Männer für ihn vorbereitete hatten. Während er das Gelände der Zunft verließ, schlossen sich immer mehr Menschen ihm an.
 
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