ein Festessen bei einem alten Freund

Kalliope

Kainit
Registriert
27. Februar 2012
Beiträge
930
Langsamen, schlendernden Schrittes setzte die bleiche Brünette in schwarzer Garderobe ihren Weg fort. Sanft fiel silbriges Mondlicht auf ihren Weg, ließ das schneeweiße Angesicht geradezu in seinem Glanze erstrahlen wann immer die junge Dame den kurzen, erhebend angenehmen Streifen Finsternis zwischen den Lichtkegeln zweier Straßenlaternen passierte.

In einem der deutlich besseren Wohnviertel der Stadt war die Malkavianerin auf der Suche nach einer ganz bestimmten Adresse. Straße und Nummer hatte sie im Sinn und es würde bloß eine Frage der Zeit sein, bis sie endlich an ihrem Ziel angekommen war.

Ihre Guhlin hatte die Psychiaterin an sicherer Stelle zurückgelassen. Die Fahrt war lange und anstrengend gewesen, die Brünette sollte sich ausruhen.

Da Dr. Raven nun also allein unterwegs war und auch kaum Passanten ihren Weg kreuzten, erschien ihr Antlitz steif und unbewegt. Kein wenn auch von ihr stets geradezu perfekt inszeniertes Lächeln zierte die vollen roten Lippen. Keine unnütze Maskerade in Beisein der puren Einsamkeit.

Endlich kam sie nach dort an wo sie hin wollte. Ein stattliches, durchaus ansehnliches Haus. Der Name neben der Klingel war der Name des Mannes, den sie besuchen wollte.

Dr. Daniel Peters. Bis vor etwa 2 Jahren hatte sie sich noch um ihn und seine voranschreitende Promotion gekümmert. Seinen Abschluss hatte der Mediziner mit Summa cum Laude gemacht. Und es wäre eine Lüge gewesen, hätte Ligeia behauptet, sie wäre auf diesen ihren Schützling nicht besonders stolz gewesen.

Er hatte sie stets ein wenig an sie selbst erinnert. Mit dem Unterschied, dass er nicht allein aufgrund seines genetischen Geschlechts innerhalb der akademischen Welt diskriminiert worden war. Zweifellos angenehm für die Untote, dass sich die Zeiten hier geändert hatten.
Daniel hatte jedoch über den selben Ehrgeiz, die selbe Leidenschaft und vor allem den selben, dauerkritischen Geist verfügt, wie sie selbst es tat.

Die dauerhafte Nachtaktivität seiner Mentorin hatte er allerdings niemals hinterfragt. Die Erklärung, sie habe sich selbigen aufgrund des enormen Lernaufwandes während der Studienzeiten angewöhnt und aufgrund gewisser Kundenkreise, denen späte Sprechstundenzeiten durchaus recht kamen, niemals abgewöhnt, schien ihm absolut plausibel gewesen zu sein. Ab davon, dass Daniel selbst offenkundig auch keine sonderlichen Schwierigkeiten gehabt hatte sich auf einen entsprechenden Tagesrhythmus einzustellen. Eine Tatsache die nahelegte, dass er selbst sich wohl auch Nacht um Nacht um die Ohren geschlagen hatte um Literatur zu verinnerlichen und Ausarbeitungen anzufertigen.
Auch das jugendliche Erscheinungsbild der Kainitin schien der Mediziner nie als sonderlich unstimmig empfunden zu haben, wenn er auch hier und da augenzwinkernd danach gefragt hatte, welcher Kollege aus der plastischen Chirurgie an ihr sein Meisterstück vollbracht habe. Die Doktorin, zu welcher er mit der Zeit ein zunehmend freundschaftliches Verhältnis aufbaute, hatte ihm daraufhin stets mit süffisantem Schmunzeln erwidert, dass er dies schon selbst würde herausfinden müssen.

Vor einem Jahr hatte Peters -frisch promoviert und mit ersten Praxiserfahrungen als selbstständiger Arzt durchaus auch über die akademischen Grade hinaus qualifiziert- schließlich seine langjährige Verlobte geehelicht und war mit dieser in deren Heimat -Deutschland, genauer: Finstertal- gezogen.
Raven, die zur Trauung eingeladen gewesen war, allerdings gewohnheitsmäßig erst in den Abendstunden erschienen war, wusste, dass die kleine Villa vor der sie gerade stand eigentlich Frau Peters gehörte.
Daniel hatte der Malkavianerin erzählt, dass die Dame aus durchaus begüteten Verhältnissen stammte und ihre Kinder gern in demselben Haus aufwachsen sehen wollte, indem auch sie ihre Jugend zugebracht hatte.

Die Vampirin nahm ihre Taschenuhr mit dem kunstvoll eingravierten Raben aus ihrer Brusttasche. Ein Blick auf das Ziffernblatt verriet, dass sie etwa 10 Minuten vor der vereinbarten Zeit angekommen war.


//Besser zu früh als zu spät...//

Dr. Raven setzte ihr übliches, charmantes, wenn auch ganz dezent affektiertes Lächeln auf und betätigte die Klingel. Daniel war schließlich daran gewohnt, dass die optisch scheinbar ewig junge Psychiaterin nach Einbruch der Dunkelheit eher zu Überpünktlichkeit denn zu der Einhaltung des berühmten akademischen Viertels neigte.
Die Maske saß. Perfektion.
Niemand dürfte bemerken wie brüchig das Glas geworden war. Eine leichte, durch Alltäglichkeit in ihrer Ausführung vervollkommte Übung.
Ein wenig exzentrisch, wenn auch kompetent und fraglos charismatisch, angenehm im Umgang, wie Raven nuneinmal von ihrer Umwelt zumeist wahrgenommen wurde, würde man ihr fraglos auch ihre bekannte Marotte, selbst bei größeren Banketts auf Essen zu verzichten sicherlich verzeihen, so wie es stets der Fall gewesen war. Zumal heute ja nicht mehr, als das Wiedersehen zwischen einem einstigem Mentor und seinem Schüler zu geplant war. Heimelige Atmosphäre und süßeste Nichtigkeiten. Ein klein wenig Genuss, das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Eine private Soiree zu zweit im privaten Kaminzimmer.
Ganz so wie früher, bloß im Heim des anderen.
 
Die Tür öffnete sich und zu Ligeias Enttäuschung war da nicht ihr altes Protegee´sondern seine Gemahlin an der Tür. Frau Peters war brünett und hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug einen schwarzen Rock und eine weisse Seidenbluse und setzte ein nettes Lächeln auf das aber nicht ihre Augen erreichte. Silke Peters war leidlich gut aussehend und eine gepflegte Erscheinung, wirkte aber irgendwie immer steif wie ein Brett wenn Frau Dr. rabe in der Nähe war.
"Hallo Frau Doktor Rabe, bitte kommen Sie doch herein. Daniel ist nicht da. Hat er Ihnen denn nicht abgesagt für heute Nacht? Er ist seit gestern Nacht im Krankenhaus. Es gab einen schweren Unfall mit vielen Toten und Verletzten und die Patienten sind fast alle traumatisiert. Daniel ist rund um die Uhr dort im Einsatz für die psychologische Betreuung der Opfer und ihrer Familien. Aber bitte kommen Sie doch herein. Darf ich Ihnen etwas anbieten?"
Wie üblich hielt sich Silke an die Konventionen auh wenn Mimik und Körperhaltung deutlich machten das sie sich nicht wirklich über Ligeias Besuch. Sie wies der Besucherin den Weg durch einen peinlich sauberen Flur in ein mindestens ebenso peinlich sauberes Wohnzimmer mit einer großen ledernen Sitzgarnitur in schwarzer Farbe.
"Was führt Sie denn nach Finstertal Frau Doktor? eröffnete sie die Unterhaltung. "Ich dachte ihre Praxis ist in London."
 
Tatsächlich war Ligeia nicht schlecht überrascht von der unerwarteten Abwesenheit des erhofften Gastgebers. Eine Absage hatte sie nicht erhalten. Zumindest nicht soweit sie sich entsinnen konnte. Aber es war auch kein sonderliches Geheimnis, dass Technik hin und wieder ihre Tücken besaß, sprich eilig am Mobiltelefon getippte Kurznachrichten mitunter verspätet oder gar nicht ankamen, ebenso wie sie selbst wusste, dass dringliche medizinische Notfälle einen gerne Höflichkeiten vergessen ließen.
Eigentlich hätte sie auch einfach wieder gehen können. Silke gehörte alles in allem nicht zu der Art Person, deren Gesellschaft der Malkavianerin zum Pläsir taugte denn ihre anhaltende Steifheit und Affektiertheit war alles an dieser Frau, was Raven je hatte persönlich bezeugen dürfen, wenn man ihr auch zu Gute halten musste, dass sie in sittlichem Benimm bewandert war. Dennoch war sie schlicht und ergreifend in drei Worten auf den Punkt gebracht stupide und langweilig. Und die Translation ihres Nachnamens imponierte der Untoten ebensowenig.
Aber Etikette galt nun einmal nicht bloß unter Kainiten sondern auch innerhalb der sterblichen Gesellschaft und so nahm sie die offenkundig allein jenen Konventionen geschuldete Einladung also an.

"Guten Abend Frau Peters", erwiderte sie die Begrüßung mit seichter Überraschung in der Stimme, dafür jedoch deutlich verdutzter Mine . "Es muss ihm wohl entfallen sein fürchte ich. In Anbetracht solch katastrophaler Umstände, wie sie sie beschreiben ist das aber wohl nicht gänzlich verwunderlich."
Warum meldete sich eigentlich nie jemand über das obskure Netzwerk, wenn es darum ging schlicht und ergreifend Zeit zu sparen? Hämisches Gekicher.
//Na danke...//
Es blieb ihr nichts, als sich damit zu trösten, dass alles schon den vorbestimmten Gang der Dinge gehen würde. Und nichts war wahrhaft sinnlos. Außer vielleicht einen Flur dermaßen akribisch zu schrubben, dass er beinahe vermochte über sein Wesen als alltäglichen Gebrauchsgegenstand, aktiv genutzten Wohnraum hinwegzutäuschen. Aber wer wäre schon dermaßen banal sich um dergleichen tatsächlich Gedanken zu machen?

So trat sie also der Geste der Hausherrin folgend ein.
"Vielen Dank. Oh, und nein, ich bin wunschlos glücklich und habe auch nicht vor sie all zu lange zu behelligen. Danke dennoch für das zuvorkommende Angebot."
Der Weg von der Haustüre zum Wohnzimmer beantwortete der Malkavianerin ihre zuvor an sich selbst gestellte Frage.
//Oh, ich vergaß... nein, ich verdrängte...//

Die Arme in der für sie typischen Art hinter dem Rücken verschränkt und in kerzengerader Haltung durchquerte Raven den Eingangsbereich und musterte dabei das Interieur hier und da beiläufig um sich einen gewissen Überblick über die aktuelle Lebenssituation ihres einstigen Lieblingsschützlings zu erlauben. Sicher handelte es sich hierbei eher um repräsentative Bereiche des Hauses, nichts desto trotz hinterließ man auch dort gewisse Eigenheiten - selbst wenn man den Haushalt so steril wie bloß irgend möglich zu halten suchte.

Im Wohnzimmer angekommen blieb die Untote ersteinmal stehen, sah sich diskret, aber nicht übergebühr neugierig um. Gewisse Formen der Erziehung hinterließen unauslöschliche Spuren und selbige führten dazu, dass die bleiche Brünette davon absah sich zusetzen oder einen Raum zu betreten sofern der Hausherr ihr dies nicht explizit geboten hatte. Archaische Formen des Anstandes.

"Ein ganz reizendes Interieur", log Raven wie gedruckt und ganz ohne rot zu werden, glaubwürdig und charmant wie eh und je.
"Was mich nach Finstertal führt...ach, die Familie. Sehen sie, ich habe mir einige Wochen Urlaub genehmigt -da hat sich in den letzten Jahren ja doch so einiges angesammelt- und nun möchte ich alte, leider längst verlorene Kontakte wieder aufnehmen. Per Zufall hat es mich dabei nach Finstertal verschlagen. Scheinbar ist dieser Ort der letzte bekannte Aufenthaltsort meines Großonkels. Folglich dürfte ich endlich am Ziel meiner Suche angelangt sein."

Johlendes Gelächter in ihrem Hinterkopf.
Nunja, es ging doch eigentlich tatsächlich um die Familie, nicht wahr? Und einen alten Clansbruder dürfte man vor Sterblichen auch mal als Großonkel ausgeben.
...welch possierliche Familie. Wenn ihr Onkel, der Brujah-Priester, das wüsste...

"Aber, sagen sie..." Die Kainitin runzelte die Stirn.
"Was genau ist denn geschehen? Sie sehen mich etwas verwundert, denn von einem solch katastrophalen Unfall kam mir nichts zu Ohren, wobei das mitunter daran liegen mag, dass ich erst heute Nachmittag hier angekommen bin und zunächst anderes zu erledigen hatte."

//....es könnte aber auch einfach daran liegen, dass ich es versäumt habe einen Blick in die Zeitungen zu werfen...Oder daran, dass meine persönliche "Times" mich lieber mit gänzlich anderen Informationen bedenkt.//

Erneutes Gekicher und gehässige Kommentare. Manchmal verstand sie den Humor ihres Geblüts nicht im Geringsten - und erst recht nicht, was ihre Schwester daran derart amüsierte.
Die beiläufige Bemerkung, dass Haltung und Falschheit des Lächelns der Sterblichen und der Untoten im Wesen der Geste überraschende Ähnlichkeiten aufwiesen wenn letztere jenes Handwerk auch schlicht weit besser beherrschte, geradezu perfektioniert hatte überging Raven geflissentlich.
Sie hatte keine Zeit für dergleichen.
All ihre Konzentration musste sich darauf richten ihre Rolle zu spielen. Also tat sie dies.
Nichts von dem, was in ihrem Kopf vorging, dürfte nach außen vordringen. Sie musste bei der Sache sein. So ruhig und entspannt, teilnahmsvoll wie bloß irgend möglich.
 
"Ach irgendein LKW mit Gefargütern ist im Tunnel zwischen Burgh und Finstertal verunglückt und hat dabei noch weitere Fahrzeuge mit sich genommen. Die genaue Zahl der Opfer steht noch nicht fest und der Tunnel nach Burgh ist jetzt auf unbestimmte Zeit gesperrt." Das sich dadurch die Fahrt zu ihrem Friseur nach Burgh um mindestens eine Stunde morgen Mittag verlängern würde verschluckte Silke gerade noch.
"So, Sie stammen also aus Deutschland...ja bei Ihrem Namen hätte man das vermuten können, aber sie haben immer so britisch auf mich gewirkt. Haben Sie denn noch Kontakt zu Ihrer Familie in Deutschland, vielleicht kenne ich sie?"
 
Tunnelsperrung...das erleichterte das Erkunden einer gänzlich neuen Stadt nun nicht gerade. Aber sei's drum. Immerhin wusste sie nun davon.

"Leider ist der Kontakt vollkommen abgebrochen. Innerfamiliärer Zwist, dazu die enorme Distanz... da war es schwierig Wogen zu glätten."
//Natürlich bin ich britisch. Ich habe London zum ersten Mal verlassen, da hatte ich schon seit Jahren keinen Puls mehr!//
Alles was sie mit Gewissheit sagen konnte war, dass sie sich auf der suche nach einem in der Psychologie ausgesprochen rennommierten Clansbruder befand, welcher das vermeintlich unmögliche Kunststück zustande gebracht hatte tatsächlich für seinesgleichen unauffindbar zu verschwinden. Und das war nichts, was man irgendwelchen pathetischen Weibern beim Kaffee-Kränzchen auf die Nase band.

...warum noch gleich unterhielt sie sich mit ihr statt ein wenig in ihrem Kopf rumzuspielen, hier und da einfach an ein par Rädchen zu drehen, sich an ihr zu sättigen und dann zu gehen?

//Weil es nicht richtig, unanständig wäre sich an der Gemahlin eines Freundes zu ergötzen!//

Naive kleine Madelaine!
//Du musst vergessen haben mit wem du sprichst, Schwester...//

"Aber sagen sie, wenn ich doch schon neu in dieser Stadt bin und sie es mir erlauben, so muss ich doch einfach fragen: Können sie mir Empfehlungen aussprechen? Kultureller Art, meine ich. Wenn ich schon einmal außerhalb Englands bin möchte ich mich gerne ein wenig umsehen und auch hoffentlich etwas mehr als aufgearbeitete Familienbande mit in die Heimat nehmen."
 
Nun war Silke in ihrem Element, plapperte von Wohltätigkeitsorganisationen für die schönen Künste die sie als Vertreter ihres Vaters förderte...verwies auf die Kunstakademie in derne Vorstand sie saß und deren Förderverein sie angehörte. Viele junge Künstler gingen auf die Akademie bevor sie eine große Karriere machten und die waren ja so talentiert. Aber ohne die Akademie und Silkes Foundraising hätte die Welt die nie kennengelernt...dfie obligatorische Einladung zur nächsten Ausstellung wurde sogleich angehängt begleitet von der Bemerkung man suche immer nach neuen Förderern.
 
Raven ließ das Geschnatter über sich ergehen. Sie lächelte...und nickte....und lächelte....und nickte wieder...und...so ein ganz klein wenig die überschäumende Phantasie ankurbeln war doch kein Verbrechen, nicht wahr...?
Vermaledeite Diskretion!
Wie enervierend dieses Weib doch war! Eine simple, einfach zu beantwortende Frage und sie ließ die Chance sich selbst Übermaß zu profilieren natürlich nicht verstreichen. Förderung junger Künstler. Eher vollkommen subjektive Selektion dessen, was Kunst zu sein hatte und was nicht. Ein Zeitvertreib für offensichtlich überprivilegierte, anderweitig all zu inkompetente Wohlstandstöchter.
Die Britin würde niemals verstehen, warum man ein für die Schaffenden derart sensibles Metier wie die Kunst unter die Schirmherrschaft solcher heuchlerischer, selbstverliebter Kretins stellte.
Einzig und allein der Hinweis darauf, dass Silke offenkundig gewissen Einfluss auf die Kunstakademie besaß interessierte die Untote dann nun doch. Bildung war ihr ein durchaus nicht unmaßgebliches Anliegen. Andererseits klang das, was ihr hier präsentiert wurde, weit eher nach einer Kaderschmiede williger Schoßhündchen der oberen Zehntausend denn nach tatsächlicher Bildungsinstitution. Man könnte es auch "Spielwiese dekadenter Toreador und Ventrue" nennen. Das würde wohl auf dasselbe hinauslaufen.

Die Einladung und den folgenden Hinweis erwiderte Ligeia mit einem Lächeln.
"Sehr gerne werde ich ihrer Einladung folgen sofern es sich irgend einrichten lässt. Die Förderung der Kultur sollte eines der höchsten Anliegen einer zivilisierten Gesellschaft sein."
Was die Malkavianerin darunter verstand würde sich allerdings wohl bloß peripher mit Silkes Vorstellungen überschneiden.
 
"Ist das nicht wunderbar und man trifft dort so viele kultivierte und unverheiratete Männer." Die Aufforderung einem anderen als Silkes Ehemann in Zukunft Aufmerksamkeit zukommen zu lassen an Frau Dr. Rabe war unüberhörbar. "Betreiben Sie auch selbst ein künstlerisches Hobby? Ich selbst male ein wenig."
Vor Ligeias Augen erschien die Schreckensvision einer Tour durch Silkes Atelier voller schlecht gemalter Landschaftsbilder und farblich überzogenen Gemälden von Horizonten mit Sonnenuntergängen die unausweichlich mit Silkes Blut auf den Leinwänden enden würde. Da öffnete sich das schloss an der Haustür und ein völlig übernächtigter Daniel Peters stolperte herein...dem Aussehen nach mehr tot als lebendig.
"Ach, hallo Frau Doktor Rabe...entschuldigen Sie, aber das sie heute vorbeikommen wollten hab ich total vergessen" erklärte er sichtlich erschrocken und zerknirscht."Hallo Schatz" erhielt auch das Ehegespinst seine Begrüssung und einen äusserst flüchtigen Kuss auf die Wange. "Warten Sie schon lange auf mich Frau Doktor?"
 
Allein der fest in ihr verankerte Wille zum taktvollen Betragen hielt die Malkavianerin in Angesicht jener unterschwelligen Indiskretion davon ab ihre Antwort mit einem Reißzähne zeigenden Lächeln zu garnieren. Anspannung äußerte sie so allein darin, dass der Zug ihrer Lippen ein wenig an affektiertem Anschein gewann.
"Oh, welch reizender Hinweis. Doch sehen sie, ich bin bereits verlobt."
Der mit einem Granat besetzte Ring an ihrem Finger, welchen Ligeia dabei vorzeigte, war kunstvoll mit filigranen Rankenmotiven verziert, was praktischer Weise das Scharnier, welche solchen historischen Giftringen zu eigen waren, geradezu perfekt kaschierte. Das Geheimfach darin war gegenwärtig ungefüllt. Sie hatte keine Verwendung für Giftkapseln.
So blieb das Schmuckstück nichts als eine einfache Ausflucht bloß um diesem Weibe in seiner schrecklichen Paranoia zumindest einen Teil ihrer unnützen Furcht zu nehmen und dabei sich selbst hoffentlich ein wenig unnützen Ärger zu ersparen.

"Was die Kunst anbelangt...nunja, ich schreibe gerne und durchaus viel."
//Sofern man Therapie-Berichte, wissenschaftliche Essays und dergleichen denn unter Literatur meint fassen zu müssen...andererseits...nein, ich werde wohl mit absoluter Zuversicht davon ausgehen können, dass meinen Schriften weit mehr künstlerische Beseeltheit innewohnt als den bedauernswerten Schmierereien dieser...Person... //
Die Vorstellung zu einer Führung durch ein von Dilettantismus geprägtes Pseudoatelier gezwungen zu werden zerrte bereits erheblich an den Grundfesten ihres so kunstvoll inszenierten Bildes, ihrer Maske der Zurechnungsfähigkeit, der Normalität als endlich die Tür aufschwang und der Klang einer wohl vertrauten Stimme an ihr Ohr drang.
Innerlich atmete die Untote auf - und begrub als dann den Gedanken daran, wie Silkes Leber, benetzt von kostbarsten, rot perlenden Tropfen, wohl im Licht des Salons würde funkeln mögen. Wie ästhetisch, künstlerisch wertvoll.

"Guten Abend" erwiderte Raven Daniels Begrüßung mit einem dezenten Nicken und einem leichten Lächeln.
"Aber das macht doch nichts. Ich weiß ja selbst wie es ist, wenn die Profession unsereins hier und da vollkommen unerwartet einholt. Außerdem bin ich auch noch nicht all zu lange hier. Ihre reizende Frau war derweil so freundlich mich ein wenig zu unterhalten."
Lügen war vielleicht nicht gerade eine Tugend, zur Wahrung der Diskretion jedoch hin und wieder unumgänglich. Ab davon, dass es wohl keinen besseren, vollendeteren Lügner als einen der Kunst der Psychologie mächtigen Vampir geben konnte. So merkte man Ligeia in ihrer gewohnt nüchternen, jedoch nicht unfreundlichen Sprechweise auch nicht an wie wenig wahrhafte Wertschätzung für Silkes Gesellschaft sie empfand, zumal der Gedanke daran, wie sie mit einem Skalpell in ihren Eingeweihte zugange sein könnte, eine seltsam beruhigende Wirkung auf die Kainitin hatte.
Vielleicht sollte man diesen Phantasien bei Gelegenheit Taten folgen lassen...
Die Meinungen dazu waren in ihrem Kopf ausgesprochen geteilt und ihre Schwester war dabei die mit Abstand größte, leidenschaftlichste Kritikerin.
//Spielverderberin...//

Den zugegebener Maßen bemitleidenswerten Zustand Daniels ließ Ligeia zunächst unkommentiert. Allerdings beschloss sie bereits jetzt, dass sie ihn nicht weiter lange von seiner wohl verdienten Nachtruhe würde abhalten wollen.
Bedauernswerte Sterbliche. Im Untod lief man gleich zweifach nicht mehr Gefahr zu übermüden. Man hatte ja gar nicht mehr wirklich die Gelegenheit dazu seine Wachphasen selbst zu koordinieren.
 
Silkes Blick auf Dr. Rabe schien zu besagen: Warum lässt Du dann nicht die Finger von meinem Mann? Zum Thema Lügen war zu sagen das Ligeias Mutter einmal gesagt hatte das ein fromme Lüge vor Gottes Angesicht die Englein im Himmel singen liese.
"Ich muss mich noch einmal entschuldigen liebe Frau Doktor," setzte Daniel nun an "aber ich bin eigentlich nur hier um mich zu duschen und umzuziehen. Der Unfall im Tunnel war furchtbar und viele der Opfer halluzinieren zusätzlich von einer grauenvollen Spukgestalt die durch die Flammen getanzt sei und sich am Leid der opfer ergötzt habe...das Schreckliche ist das alle das Gleiche beschreiben."
 
Ligeia hätte Frau Peters natürlich sagen können, dass sie selbst ein hochgradig asexuelles Wesen war, welches beim besten Willen kein Interesse daran hegte sich auch bloß irgend einem Manne geschlechtlich zu nähren. Sie hätte sich auch darüber empören können, wie schrecklich ungerecht es doch war, dass Frauen -vor allem wenn sie dazu noch attraktiv waren- in gehobenen, beruflichen Positionen stets gewisse Frivolitäten unterstellt wurden, und sei es auch bloß implizit. Immerhin hätte wohl niemand einem männlichen Mentor ohne weiterreichende Indizien vorgehalten, er würde sich seinem Schützling ungebührlich annähern. Bei einer Frau tat man dies scheinbar per se.
Da pries sich das 21. Jahrhundert mit der viel gelobten Gleichberechtigung der Geschlechter und doch hatte sich eigentlich in vielerlei Hinsicht faktisch bloß sehr wenig geändert.
Erneut schwieg sich die Malkavianerin über das, was sie sich so dachte, aus.

"Oh, ich verstehe. In diesem Falle möchte ich sie auch gar nicht weiter aufhalten."
Schon war sie vom Sofa aufgestanden. Die Schilderung jener Halluzinationen erregte allerdings ihr Interesse und so runzelte die hübsche Psychiaterin ihre schneeweiße Stirn.
"Was sie da allerdings beschreiben...gibt es eine eindeutige, rationale Erklärung dafür? Dass Furcht, Verwirrung, Adrenalin sowie Licht und Schattenspiel vorort die Betroffenen vielleicht dazu veranlasst haben eine ganz und gar menschliche Person zu einem solchen...Geisterwesen umzudeuten?
...verzeihen sie meine Neugierde. Deformation Professional, fürchte ich."

Ein wie stets ganz dezent theatralisches, charmant entschuldigendes, nichts desto trotz geradezu professionelles Lächeln bei dem sie ihr Haupt leicht neigte.

//Geisterwesen...? Ob die Berichte der bemitleidenswerten Unfallopfer womöglich doch die Wahrheit widerspiegeln mögen? Was ist dies nur für eine Stadt! Ich sollte mich vielleicht bei Gelegenheit doch etwas genauer mit der Historie dieser Domäne auseinandersetzen...//

"Sollte ich in irgendeiner Form behilflich sein können, so bitte ich sie es mir bloß mitzuteilen. Ich bin zwar in erster Linie in privaten Angelegenheiten hier in Finstertal zugange, doch würde ich -sofern man es mir gestattet- selbstredend zur Entlastung der hiesigen Mediziner tätig werden. Ich meine..."
Die Malkavianerin lächelte etwas zaghaft, deutete dabei tatsächliches Mitgefühl an.
"...sie sehen ungemein mitgenommen aus, und ich fürchte auch ihre Kollegen werden wohl stark am Rande ihrer Kapazitäten operieren müssen. Sollte ich sie ein wenig entlasten können, würde ich dies fraglos gern tun."


Wie zerbrechlich sie doch waren, die Kinder einfacher Sünde... so reich und doch so spröde, filigran aber fragil. Und sie hatte geschworen ihnen zum Nutzen zu handeln. Mochte es noch so lange her sein. Die Doktorin hielt all zu viel auf ihren Eid.
 
Daniel zuckte die Schultern. "Es ist noch nicht lange genug her und unsere Maßnahmen sind bisher eher präventiv gegen den Schock gerichtet. Ich kann mir nur vorstellen das es sich um ein Trauma handelt, ein Opfer des Brandes im Todeskampf das von den Zeugen auf diese Weise verarbeitet wird...allerdings sind die Übereinstimmungen in den Aussagen erstaunlich präzise."
Über das Angebot zu helfen seiner Doktorin dachte Daniel ernsthaft nach bevor er ablehnte. "Nein, vielen Dank, wir haben das schon im Griff. Sie wissen das Ändern der Bezugsperson eines Patienten stellt in diesem frühen Stadium der Behandlung ein Problem dar...ich möchte das deshalb lieber selbst im Auge behandeln, aber wir können uns gerne in ein paar Tagen über die Halluzination austauschen, das ist eine Sache die ich gerne weiterverfolgen würde und ich für Ihre Meinung dankbar wäre."
 
"Natürlich." Die Untote nickte zustimmend, wenn auch ein wenig nachdenklich. "Ihre Bedenken sind gerechtfertigt und sofern kein wahrhaft gravierender Mangel an Personal vorliegt, sollte man wohl auch nicht mehr, den Betroffenen fremde, Gesichter mit einbeziehen als unbedingt notwendig. "
Sofern alle Patienten bereits psychologische Erstversorgung erfahren hatten bestand wohl auch kein all zu akuter Notstand. Das war zumindest gut zu wissen.

"Wie dem nun auch sei, ich möchte sie wirklich nicht mehr länger aufhalten. Ein Gespräch über dieses...eigentümliche Phänomen wäre mir bei Gelegenheit allerdings ausgesprochen recht. Sie haben ja meine Telefonnummer. Machen sie, sobald sie Zeit und Muße dafür finden, gerne Gebrauch davon. Ich werde mir derweil so meine Gedanken zu solchen Massenhalluzinationen machen. Vielleicht lässt sich später ja doch etwas Licht in diese auf den ersten Blick reichlich obskure Angelegenheit bringen."

Fraglos würde sich die Psychiaterin auch bei ihren ortsansässigen Artgenossen hierzu umhören. Vielleicht würden diese Unterredungen der Sache bereits konkretere Konturen verleihen. Davon würde auch abhängen, ob sie ihrem einstigen Protege in dieser Angelegenheit wissenschaftlich beistehen oder aber ihn im Sinne der Maskerade von der Wahrheit ablenken würde. Es war wirklich bedauerlich, dass dieses Damokles-Schwert alle Zeit über doch eigentlich so fruchtbaren Forschungsbeziehungen schwebte!
Vielleicht sollte sie noch einmal darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre dem jungen Arzt den ein oder anderen....besonderen Schluck zu verabreichen. Sein Horizont -und damit auch die Qualität seiner Arbeiten- würde dadurch fraglos enorm erweitert werden. Sie sollte diesen Einfall einmal mit ihrer Assistentin und Guhlin bereden.

Allerdings hatten jene Angelegenheiten gegenwärtig durchaus zuwarten. Zwar war Ligeia gedanklich bereits beinahe wieder zur Türe heraus, doch gebot es der Anstand auf die finalen Verabschiedungsworte -oder, sofern vorhanden: weitere Anliegen- des Gastgebers zu warten - und vor allen Dingen zu ersehen, ob er Wert darauf legen würde die Malkavianerin bis zur Schwelle zu begleiten oder eben nicht.
 
"Danke für Ihr Verständnis. Sobald die Lage etwas entspannter ist werde ich mich melden." Daniel brachte seine alte Lehrerin zur Tür.
 
"Nicht dafür. Einen guten Abend wünsche ich ihnen noch - und weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit."
Mit einem höflichen, wenn auch in der Art der Geste etwas antiquierten, Neigen des Kopfes und einem charmanten Lächeln verabschiedete sich die Untote auf für sie typische Weise an der Schwelle und entschwand in die Nacht.

//Zeitverschwendung...bedauerlich. Obgleich die letzten Minuten durchaus ein interessantes, spannungsgeladenes Crescento nach sich ziehen könnten...//

Als die Tür sich bereits hinter ihr geschlossen hatte und Ligeia wieder auf dem Bürgersteig vor dem stattlichen Haus angekommen war, hob sie den Kopf gen Himmel um den Blick für einen kurzen Moment auf der silbernen Mondscheibe ruhen zu lassen, wobei sie jedoch darauf achtete, dass sie dem Wohnsitz der Peters den Rücken zugewandt hatte. Ein zunächst sinnendes Stirnrunzeln, schließlich ein fast seliges Lächeln.
Funkelnde Kristallfäden webten neue Pfade in der Finsternis.
Die ältere Schwester verstand die eher kritisch nachdenkliche Haltung der anderen nicht. Sicher, Geister waren eine mögliche Aussicht, welche einen durchaus mit Besorgnis schlagen konnte. Allerdings stand dahingehend ja noch nicht das Geringste fest.
Und die Nacht war so wunderschön.

//Lass uns unsere Unterkunft aufsuchen, Madelaine...//

"Natürlich", erwiderte die Angesprochene leise flüsternd und verschwand alsbald in der Dunkelheit, mit Leib und Geiste badend im Schein der Luna mit welchem ihre Haut zu verschmelzen schien.
 
Zurück
Oben Unten