AW: Das kleine 1x1 der Regelfragen
Danke erst einmal für die ausführliche Antwort!
Gern geschehen. - Ich habe seit der englischen PDF-Ausgabe von Ende 2008 jetzt seit gut zwei Jahren jede Menge Spaß mit BoL in unterschiedlichem Umfeld, unterschiedlichen Runden, auch auf unterschiedlichen Spielwelten. Daher nehme ich mir gerne die Zeit anderen den Einstieg in BoL so leicht wie möglich zu machen.
Das ist ja in etwa so, wie ich es interpretiert habe. Nur, haben hier nicht Charaktere, die später in der Runde dran sind, einen großen Vorteil, da sie sich fast die ganze Runde entscheiden können, zu parieren? Ist dies so gedacht, um den Nachteil des Späterhandelnkönnens auszugleichen?
Im Gegentei! - Die Charaktere, die von der Initiative her VORNE liegen, können ja nach Belieben ihre Handlung bis zum Rundenende verzögern! Daher haben sie die volle Flexibilität, dann zu agieren oder zu reagieren (Parade), wann immer sie wollen. Wer später in der Runde dran ist, hat diese Wahl NICHT, sondern muß sich im Reaktionsfalle sofort entscheiden, ob er auf seine Handlung verzichtet und Pariert oder ob er hofft den Treffer wegzustecken.
Es ist in der Praxis einfach so, daß derjenige, der ZUERST AGIERT den Vorteil hat. Statt sich erst von einem Gegner treffen zu lassen und dann auch noch seine Aktion gegen eine reaktive Parade eintauschen zu müssen, ist es IMMER von Vorteil VOR dem Gegner zu agieren, diesen außer Gefecht zu setzen und dadurch NICHT getroffen zu werden.
Ein aktiver Parade-Wurf wird eher dann in der Spielpraxis relevant, wenn man Gegner hat, denen man selbst nicht beikommen kann, sondern nur wenige andere in der Gruppe, deren Angriffe man aber auf sich ziehen möchte. - Beispiel: Ein Kalathorn (riesige Seeschlange) wird kaum von einem Messerkämpfer zu beeindrucken sein, doch kann dieser im der Gruppentaktik den HEFTIGEN Angriff des Kalathorn auf sich ziehen und so den Axtschwinger, der auch einem solchen Seemonster ordentlich was verpassen kann, ersparen angegriffen zu werden. Und um nicht durch nur einen Biß getötet zu werden, ist die aktive Parade gegen einen Treffer (gegen die passive Parade) hier sehr sinnvoll anzuwenden.
Im normalen Kampf Mann gegen Mann habe ich in der Praxis selten aktive Paraden erlebt, weil das nicht nötig ist. Erst wieder beim Kampf von Schurken (oder manchen Handlangern) gegen die SCs sind aktive Paraden manchmal sinnvoll.
Wie gesagt, würde ich rein nach Gefühl, dass dies fairer sei, jederzeit parieren lassen, wofür die nächste Aktion entfällt. Übersehe ich irgendetwas (z.B. oben erwähnten Ausgleich oder einen rein auf die Plausibilität bezogenen Einwand), was massiv gegen dieses Vorgehen spricht?
Man muß sich MERKEN, daß man keine Aktion in der NÄCHSTEN Runde mehr hat. - Das ist einerseits eben Merkaufwand, andererseits aber FRUSTRIEREND, wenn es in eine neue Runde geht, und man schon weiß, daß man da KEINE AKTION mehr durchführen kann.
Beispiel unter Verwendung Deiner Regel-Idee:
Runde 1
Charakter Agrathor, der Barbar, hat es mit zwei Jemadars zu tun. Er hat eine höhere Initiative und kann sofort in Runde 1 mit seinem Valgardischen Breitschwert einen Angriff landen und trifft! Doch Jemadars sind zäh und nun greifen BEIDE Jemadars mit ihren jeweis 4 Angriffen an! - Agrathor wird trotz seiner guten Verteidigung von 2 mehrfach getroffen. Er entschließt sich EINEN Angriff zu parieren (das nur nach Deiner oben vorgeschlagenen Regelung, denn normalerweise hätte er in dieser Runde KEINE aktive Parade mehr!). Das gelingt ihm, er erleidet durch diesen Treffer keinen Schaden, sondern nur von den anderen Treffern. Dafür kann er aber seine NÄCHSTE Aktion, also die von Runde 2, nicht mehr ausführen.
Runde 2
In Runde 2 hat er KEINE Aktion mehr. Er erhält wiederum mehrere Treffer, von denen er EINEN Angriff pariert, was ihn die Aktion für Runde 3 kostet.
Runde 3
Er hat wieder KEINE Aktion mehr. Die Jemadars können weiter angreifen, er kann wiederum EINEN Angriff aktiv parieren und verliert damit die Aktion für Runde 4. So langsam geht ihm sein Lebensblut aus und er sieht, daß er diesen Kampf nur noch verlieren kann.
Beispiel nach den BoL-Regeln:
Runde 1
Charakter Agrathor, der Barbar, hat es mit zwei Jemadars zu tun. Er hat eine höhere Initiative und kann sofort in Runde 1 mit seinem Valgardischen Breitschwert einen Angriff landen und trifft! Doch Jemadars sind zäh und nun greifen BEIDE Jemadars mit ihren jeweis 4 Angriffen an! - Agrathor wird trotz seiner guten Verteidigung von 2 mehrfach getroffen. Er kann nicht mehr aktiv parieren und muß den Schaden wegstecken.
Runde 2
Agrathor ist wiederum zuerst dran und schlägt mit einem Angriff den ersten Jemadar, den er schon einmal getroffen hatte, in einem blutigen Regen aus Gehirn und Panzerplattensplittern zu Tode. Der zweite Jemadar greift ihn wiederum mit seinen 4 Angriffen an, trifft mehrfach und macht seinen Schaden.
Runde 3
Agrathor ist bereits ordentlich angeschlagen, sein Lebensblut hat er über dem heißen Sand vergossen. Aber er ist wiederum ZUERST dran und legt alles in einen gewaltigen Angriff. Er trifft und macht mittels Helden-Punkt einen Mächtigen Erfolg daraus, sodaß er dem zweiten Jemadar mit einer schier übermenschlichen Gewaltanstrengung seine sich schon protestierend durchbiegende Valgardische Klinge durch die Panzerhaut mitten in das im Blutrausch erregt hämmernde Herz der Kreatur jagt, sie umdreht und in einer roten Fontäne des Triumphes über die Bestie aus der Wunde reißt.
Unterschied beider Regelversionen: Nach der BoL-Regelfassung hat man IMMER eine Aktionsmöglichkeit. Man wird NICHT ausgebremst. - In der Hausregel mit dem Verlust der nächsten Aktion durch aktive Parade, was ja auch die Aktion in der nächsten Runde sein kann, ist es möglich, daß dem SC KEINE Handlungsmöglichkeit mehr bleibt, er völlig in reaktives Parieren gedrängt wird, und der SPIELER sich langweilt, weil er NICHTS TUN kann, sondern nur noch am Hinnehmen, Abwarten und Gegenwürfeln ist.
Die Grenze zwischen Abenteuern ist meiner Erfahrung nach nicht immer unbedingt offensichtlich, wenn man eine fortlaufende Geschichte erspielt. Wenn dies bei BoL anders ist, ist das im Bezug auf die Frage, wann man den Erfahrungspunkte vergibt (und was ein Abenteuer überhaupt ist), mal nicht schlecht.
Genre-Konvention. - Das ist der Hauptunterschied.
Sword&Sorcery lebt von KURZEN Erzählformen. Kurzgeschichten, Heft(Pulp-)romanen, Kurzromanen. - Diese kurze Form kommt schneller auf den Punkt, ist sehr "verdichtet" auf das Wesentliche und erreicht mit hohem Tempo ein konsequentes Ende.
Und genau so ist es gedacht für BoL die Abenteuer zu strukturieren.
Nicht "Wheel of Time"-Buch-"Briketts" mit lauter zerdehntem Getue, sondern eine 20-Seiten-Kurzgeschichte, die etwas BEWEGT.
Somit ist BoL auch im Kampagnenspiel nicht dafür gedacht, daß man über monatelangen, langsamen Aufbau einer Konfliktsituation samt Schwelgen in Lokalkolorit der Spielwelt ein gemächliches Erzähl- und Spiel-Tempo hat, sondern es ist auch im Kampagnenspiel dafür gedacht, daß die Abenteuer AUF DEN PUNKT kommen. (Eine Hilfe ist hier für meine eigene Vorbereitung Lester Dents Formel für Pulp-Abenteuer - nur ins Fantasy-Genre verfrachten und man bekommt wirklich Conan-vergleichbare Abenteuermaterialien.)
Daher ist es auch nicht schwer das Ende eines Abenteuers bei BoL zu erkennen: Das ist das Ende einer Spielsitzung oder vielleicht der zweiten Spielsitzung an demselben Thema. Längeres Bespielen, längeres "Auslutschen" eines Abenteuers ist keine passende Umsetzung von Sword&Sorcery-Fantasy. - Diese lebt sehr vom Episodenhaften der Erzählung. Und das ist eben der Stil, in welchem man seine BoL-Kampagne aufziehen sollte.
Also keine viele, viele Sitzungen dauernden Abenteuer ohne einen Abschluß, ohne Auflösung, ohne Ende, sondern eher in kleinen Schritten, eher in Episoden angelegte größere Handlungsbögen.
Aber gerade, WEIL die unvorstellbaren Schätze schwer zu erreichen sind und der Weg voller Überraschungen und Umwege sein kann, könnte es doch ziemlich lange dauern, bis die SC mal wieder zur Erholung und dem damit verbundenen Aufstieg kommen.
Ja, grundsätzlich KÖNNTE es ziemlich lange dauern. - Aber WER ENTSCHEIDET denn, wie lange es wirklich dauert? - Der Spielleiter.
Wenn auch lange Kampagnen mit Episodenstruktur aufgezogen werden, dann gibt es immer wieder die Etappenziele, die Ruhezeiten, die Meilensteine, die Teilerfolge. All das trägt den Haupthandlungsbogen, bietet aber in sich abgeschlossene Episoden.
Nun, es sieht so aus, als starteten die Charaktere bei BoL ohnehin schon sehr kompetent und aufgrund der fehlenden Erfahrung mit dem System fällt es mir auch schwer zu beurteilen, wie schnelle Aufstiege der Charakterwerte sinnvoll sind.
Hier ist die Frage, WIE SCHNELL Du Deine SCs aufsteigen lassen MÖCHTEST.
Ich mag es bei einer Kurzkampagne, wenn die SCs schnell zu legendären Helden aufsteigen. Legendär ist in BoL ein Spielwert von 4 oder gar 5 in Eigenschaften wie Attributen, Kampffähigkeiten, Laufbahnen. Das ist schon heftige Kompetenz, die durch geschickte Wahl der Gaben noch verstärkt werden wird.
Will man einen langsameren Kompetenzzuwachs haben, dann kann man zum einen die Episoden ausdehnen auf z.B. jeweils immer zwei Spielsitzungen, oder die für das Erwerben von Gaben oder den Abbau von Schwächen notwendigen In-Game-Voraussetzungen eher restriktiv handhaben. Dann steigen die Charaktere langsamer auf und müssen viel reisen, viele Reiseabenteuer bestehen, um bestimmte Gaben zu erwerben.
Im Hausregelbereich kann man dann noch weitere Abstimmungen abseits vom BoL-Regeltext vornehmen (Lernkosten ändern, Abenteuerpunktevergabe ändern, usw.).
Die Frage ist: Wie schnell SOLLEN die SCs in Deiner Gruppe aufsteigen?
Ich bin mit den BoL-Regeln laut Buch bislang bestens klar gekommen.
Doch wenn ich mir überlege, über wie viele Umwege, Gefahren, beschwerliche Reisen und letztendlich Spielabende sich ein Abenteuer bis zum Finden des am Ende liegenden Schatzes hinziehen kann, erscheint es mir, dass die Entwicklung recht langsam vonstatten gehen könnte.
Siehe oben: DU entscheidest, ob Du kurze, knackige, knallharte Episoden für nur eine Spielsitzung schnell aufeinanderfolgen lassen möchtest, oder ob Du die Abenteuer eher breiter anlegst und die Abenteuerpunktevergabe somit nicht jede Spielsitzung erfolgt.
Natürlich gibt es dann noch die Möglichkeit, dass die SC die auf dem Weg zum eigentlichen Ziel erlangten Reichtümer in einer auf diesem liegenden Stadt verprassen, bevor sie weiter ziehen, aber wie gesagt, muss diese ja nicht immer gegeben sein
Ob es Reichtümer (in welcher Form auch immer!) gibt, und ob es Gelegenheiten zum Verprassen, Genießen, Investieren in neue gefährliche Unterfangen gibt, das entscheidet der SPIELLEITER.
Will man seinen Spielern kurze Episoden mit befriedigendem Schluß und der Möglichkeit SELBST zu bestimmen, wo und wie es weitergehen soll (durch die Abenteueraufhänger, welche die Spieler ja selbst wählen!) ermöglichen, dann ist der "Pulsschlag" der Kampagne schneller, als wenn man eher längere Episoden mit seltenerer Möglichkeit für die Spieler den weiteren Verlauf SELBST zu bestimmen bieten möchte.
Wieviel Spielereinfluß auf den Kampagnenverlauf möglich sein soll, entscheidet sich mit den "Erholungsphasen" zwischen den Episoden. - Es geht hierbei nicht nur um den mageren einen zusätzlichen Abenteuerpunkt, sondern bei diesem Durchbringen der Schätze geht es stärker darum, daß hier die SPIELER der Kampagne eine neue Richtung geben können UND SOLLEN!
Diese Form der Spielerbeteiligung am Kampagnenverlauf finde ich eine echte STÄRKE von BoL. Und ich mag es eher ÖFTER, von meinen Spielern mit Ideen, wie die Kampagne weitergehen soll, bombardiert zu werden, als mir alles selbst ausdenken zu müssen.