Es kommt hin und wieder schon einem Wunder gleich, dass Meyye überhaupt in einem Stück an ihrem Ziel ankommt und nicht in Einzelteilen irgendwo über die Straße verstreut wird. Sie ignoriert das Hupen des Typen er gerade eine Vollbremsung hinlegen mußte weil sie aus der Seitenstraße geschossen kam und hält einen Block weiter an. Sie schaut hoch und steigt ab. Da ist es.
Wie üblich sichert sie ihr Rad und geht auf das Haus zu. Die Wohnung ist im achten Stock, aber vor Treppensteigen hat sie keine Angst. Schließlich klopft sie an die Tür.
Wer öffnet, ist eine brünette Mittzwanzigerin, gar nicht mal unhübsch, deren Miene sich erhellt, als sie sieht, wer draussen steht.
"Habari gani, Nadhari." begrüßt Meyye sie mit höchstens angedeutetem Lächeln auf ernster Miene und erwidert die Umarmung, die ihr zuteil wird.
"Lela Saada." begrüßt die andere sie schließlich mit Ehrfurcht und Vorfreude in der Stimme. Natürlich kann die Gesandte der orisha nicht mit einem christlichen Namen wie Meyye bei ihrer Gläubigen aufkreuzen. "Danke, dass du wiedergekommen bist."
"Yemaja vergißt die ihren nicht." sagt Meyye und tritt in die Wohnung ein, sieht sich ein wenig um. Es wirkt wie immer ein wenig... psychedelisch. Das, was jemand wie Nadja eben für passend für eine Frau mit Kontakt zu alten afrikanischen Gottheiten hält. Sie hat keine Ahnung, und Meyye wird sie auch nicht aufklären. Schließlich profitiert sie von 'Nadharis' naivem Glauben.
"Du warst am Meer?" fragt sie, als sie ein Schneckengehäuse erblickt, das neu ist.
"Ja, an der Adria." antwortet Nadja und eilt voraus, lächelt ihre Besucherin an. "Und ich bin jeden Tag bei Flut hinausgegangen und habe mit ihr gesprochen, wie du gesagt hast. Möchtest du etwas...?" fragt sie vorsichtig, denn das war noch nie der Fall.
Meyye reagiert auch wie immer mit einem leichten Lächeln und sagt nichts. Ihr Blick streift eine Handtasche und über den Stuhl gelehnte Jacke. Eigentlich sieht Nadja auch aus, als wollte sie gerade hinausgehen. Sie bemerkt den Blick und winkt ein wenig unsicher ab. "Ich war eigentlich verabredet... aber das ist nicht so wichtig." Sie schaut Meyye in die Augen, und die erwidert den Blick. Auch wenn es erstmal nicht so schlimm aussieht wie das, was andere Vampire den Sterblichen antun, sie hat einen negativen Einfluß auf Nadjas Leben. Dennoch kann sie natürlich nicht aufhören. Sie nickt nur knapp.
"Yemaja gefällt deine Hingabe. Sie hat zu mir gesprochen, über dich, denn sie hat dich am Meer bemerkt. Darum sollte ich zu dir kommen. Um dir zu sagen, dass du würdig bist, ihr Geschenk zu erlangen. Komm, beginnen wir."
Nadja hat über die Rede große Augen bekommen und würde vor Ehrfurcht ja fast in die Knie sinken. Stattdessen eilt sie zu den Räucherstäbchen, entzündet sie und dämpft das Licht. Derweil zieht Meyye die Schuhe aus und füllt eine kleine Holzschüssel mit Wasser. Dann holt sie etwas Salz. Sie weiß, wo sie alles findet das sie braucht. Nunja, nicht wirklich braucht, aber dem Ritual einen Anschein von Bedeutung verleiht. Sie hat keine Ahnung, wie ein echtes Ritual zu Ehren der orisha durchgeführt wird.
Damit geht sie zu jenem Teppich, den sie insgeheim ihre 'Spielwiese' nennt. Vor Nadja darf sie das natürlich nicht tun, für die ist es ein fast heiliger Ort. Im Zentrum des Raumes nach gewissen kosmischen Prinzipien ausgerichtet, über ihm an Schnüren hängend indianische Traumfänger, Bergkristallamulette und ähnliche spirituelle Foki, oder was Nadja dafür hält. Der Teppich selbst ist handgewoben und hat natürlich auch seine Bedeutung. Ein Mitbringsel aus Indien, welches das Mandala darstellt. Meyye hatte nur angemerkt, dass Yemaja nicht auf afrikanische Symbole oder Namen beschränkt wäre. Alles ist in Wahrheit eins. Auf solche Sprüche fährt Nadja besonders ab.
Hier wartet sie, und bald steigt ihr der Geruch heimischer (nunja... für sie heimischer) Pflanzen in die Nase. Nadja findet sich ihr gegenüber ein und kniet sich auf den Teppich, erwartungsvoll zu Meyye hochschauend. Diese läßt nun das Salz in die Schüssel rieseln und intoniert dabei: "Yemaja, Mutter des Meeres und des Lebens, höre uns. Die Tore sind offen. Deine Hand erkennen wir, deine Liebe verspüren wir, deine Gunst erflehen wir. Unsere Herzen öffnen wir, unseren Körper geben wir, unsere Seele bereiten wir. Höre uns!"
Es folgen Worte im lokalen Dialekt der Luo, versetzt mit Suaheli-Worten wie Yemaja und Nadhari, damit Nadja auch was davon hat. Ansonsten ist es eher Nonsens, Kinderreime, wie sie Tatjana schon gesagt hat. Sie hebt das Holzschälchen über den Kopf und gibt es Nadja dann, welche es austrinkt. Salzwasser, Symbol für das Meer, die Geschenke der Mutter und, natürlich, auch für Blut. Meyye schaut hinunter und beobachtet ihr Gefäß, bevor sie anfängt zu zittern und mit einem Aufkeuchen ebenfalls in die Knie bricht. Nadja hat bereits die Holzschale weggestellt und fängt sie auf, indem sie sie umarmt. Ganz nahe ist sie nun, so dass ihr schnellerer Atem auf Meyyes Haut spürbar ist, sieht ihre 'Priesterin' mit vor Aufregung geweiteten Augen an, rückt näher. Meyye sieht sie an, als sähe sie sie zum erstenmal, dann hebt sie die Hand und streicht ihr über die Wange. Nadja schließt die Augen.
Arme Nadhari. Sie glaubt, eine spirituelle Erfahrung zu machen, jedesmal aufs Neue, aber Meyye denkt eher, dass sie es sich nicht eingestehen will, Frauen sexuell anziehend zu finden und ihr verbotenes Verlangen nur in diesem Ritual sublimieren lassen kann. Auf gewisse Weise ist Meyye ja vielleicht sogar ihre Rettung. Andere Stimmen sagen, sie nutzt die Lage Nadjas nach Strich und Faden aus, und wahrscheinlich haben diese Stimmen, die sich unter anderem (eigentlich: nur) in Meyyes Innerem befinden, auch recht. Jedenfalls beginnt sie, über Nadjas Körper zu streichen, langsam und wie entrückt... bald auch über ihre Brüste, es dauert sowieso nicht lange, bis sich Nadjas Erregung bemerkbar macht und sie auch selbst zu Streicheleinheiten übergeht. Sie ziehen sich gegenseitig die Oberteile aus und schmiegen sich wieder aneinander. Dieser Teil war Nadjas Idee gewesen, die Meyye dahingehend befragt hatte. Meyye, die schon gewußt hatte, wie der Hase läuft, hatte sie dafür gelobt und behauptet, dass sie nur auf diese Frage gewartet habe, die Nadjas Annäherung an die Mutter zeige, denn Yemaja bevorzuge es tatsächlich auf diese Weise.
Irgendwann zeigen sich die Anzeichen, dass Nadja den Grad an Erregung erreicht hat, an dem sie Yemajas Kuss erwartet. Und wer wäre nun Meyye, sie zu enttäuschen? Sie hat schon, wie Nadja auch, ein paar Küsse auf die Haut der anderen gesetzt, und tut dies jetzt zum Hals hin... nur, dass es kein einfacher Kuss mehr ist. Nadja seufzt langgezogen und zittert, als die Zähne ihre Haut durchstechen und die Ekstase wie eine Woge aus Yemajas Reich über sie kommt. Sie wirkt glücklich, findet Meyye und ertappt sich manchmal bei dem Gedanken, dass sie sie beneidet darum, der Göttlichkeit nahe zu kommen wo die Vampirin nur Nahrung findet um ihre verfluchte nächtliche Existenz weiter erhalten zu können.
Als sie genug hat, löst sie sich von der Sterblichen und hält ihren Kopf mit beiden Händen, betrachtet sie aufmerksam bevor sie noch einen Segensspruch murmelt und sie auf die Stirn küßt. Nadja ist ein wenig blaß, aber ihre Augen leuchten und sie lächelt. "Geh jetzt zu Bett und schlafe. Tu nichts anderes vor dem Morgengrauen, außer du willst ihr danken." Damit hebt sie ihr Shirt auf und erhebt sich.
"Ich will dir danken." sagt Nadja und blinzelt zu ihr auf, immer noch sehnsuchtsvoll, bedauernd dass es schon vorbei ist.
Meyye schüttelt den Kopf. "Ich bin nur eine Botin die das tut wofür sie auserwählt wurde." sagt sie und schmunzelt. "Geh ins Bett. Du mußt wieder zu Kräften kommen."
Denn natürlich Nadja wie immer schwindlig. Daher nickt sie auch, während sie ein wenig wankend aufsteht. "Gehst du schon wieder?"
"Ja." nickt Meyye. Auch das ist wie immer. Nadja hat ihr sogar schonmal angeboten, zu ihr zu ziehen. Vielleicht wäre sie ja ein guter Kandidat für eine Bleibe zum Ausweichen, zumindest kurze Zeit. Nunja, darum braucht sie sich im Moment noch nicht zu sorgen. Sie zieht das Shirt wieder an und geht zu den Schuhen. "Yemaja ist sehr zufrieden mit dir." ruft sie noch zurück. "Wenn es wieder soweit ist, erwarte meinen Anruf." Damit geht sie aus der Wohnung.
Draussen auf dem Gang beschleunigen sich ihre Schritte. Sie braucht immer etwas Ablenkung, wenn sie bei Nadja war. Aber warum eigentlich? Es ist ja nicht so, dass sie der Frau sonstwas antäte! Sie will nur überleben, und sie ist freundlich und vorsichtig. Was gibt es daran auszusetzen? Gar nichts. Sie hat schon weit schlimmere Dinge getan.
Unten schwingt sie sich auf ihr Rad und tritt in die Pedale, so dass sie ihre Normalgeschwindigkeit bald wieder erreicht. Sie schaut sich nicht um und sieht daher nicht die Gestalt auf dem Balkon, die ihr nachsieht...