[22.04.04] You're at home, baby...

Ardettes

Beziehungsweise Vergeben.
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9. Februar 2004
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06:21 zeigt die Digitaluhr im Armaturenbrett, als Georg seinen dunkelblauen Nissan Sunny in der Garage abstellt.
Über eine Tür in der Garage betritt er das Haus, in dem er mit seiner Mutter wohnt seit sie wieder nach Finstertal gezogen sind. Das war vor einem Jahr. Nachdem er mit dem Studium der Physik abgeschlossen hatte.

Langsam fühlte er sich hier Zuhause.

Früher hatten wir nie lange in einem Haus gelebt.
Früher.
Als mein Vater noch gelebt hat.

Der war der Grund warum wir immer wieder umgezogen sind. Hier mal ein Job, dann dort ein besseres Angebot. Kaum hat man sich irgendwo eingelebt, schon war man wieder woanders.
Freunde? Kannst du vergessen.

Und dann ist er plötzlich gestorben. Während einer Geschäftsreise, natürlich.
Herzinfarkt. In der Afrikanischen Savanne. Weit und breit kein Arzt, von einem Krankenhaus ganz zu schweigen.


Georg war im letzten Studiensemester gewesen.
Hat sich durch die psychische Belastung aber nicht abbringen lassen.
Weswegen auch? Sein Vater war ihm ja auch fast ein Fremder.

Kaum zuhause, aber erfolgreich. Nie ein Freund, aber Finanzier der Familie.

Solche und ähnliche Gedanken gingen Georg durch den Kopf, als er die Treppe zum ersten Stock hinaufstieg, wo sich seine Zimmer befanden.

Das Haus ist zu groß. Und ich sollte öfter am Tag arbeiten. Ich sehe Mutter kaum noch. Heute Nachmittag ruf ich den Chef an, er soll mir eine andere Schicht geben.



Schlafzimmer.


Der Wecker zeigt 06:25. Georg entledigt sich seiner Klamotten und begibt sich zu Bett.
Kaum eine Minute später schläft er auch schon.
 
Dunkel. Eine Wand. Ein Gang. Oder ein Tunnel?
Gehetzt sieht Georg sich um.
Nichts.
Nichts außer Finsternis hinter ihm.
Nichts außer Finsternis vor ihm.

Weiter. Wieder eine Wand. Links, Rechts? Wohin? Links!
Er stürmt weiter in die Finsternis, einen Arm nach vorne gestreckt, den anderen an der Wand entlang tastend. Stoff, oder eine rauhe Tapete? Egal, weiter.

STOP!
Obwohl er nicht weiß, warum bleibt er stehen, kniet sich hin und betastet den Boden vor sich.
Beton. Kalt.
...
NICHTS!
Wie viel Nichts?
Links? Wand.
Rechts? Wand.
Keine Zeit! Es kommt!

Was kommt?

Keine Antwort auf diese Frage. Nur ein Gefühl: Angst.

Blind tastet er weiter den Boden und die Wände vor dem... Loch? ... ab.
Nichts.
Hier? Nichts...
...
Metal! Eine Klinke!
Schnell ist die Tür(?) geöffnet und Georg rast weiter.

PENG!
Was war das?
Der Tunnel verschwindet und vor seine geöffneten Augen nimmt sein Zimmer gestalt an, erhellt durch das trübe Licht des Tages, das durch Vorhänge weiter gedämpft wird.
Ein Schuß? Noch im Traum, oder Real? Wie spät?
12:02 zeigt die Uhr über der Tür.
Mittag. Hunger. Hat Mum was gekocht? Mum.
Und was hab ich geträumt? Warum? War der Schuß das Ende des Traumes, oder das Ende des Schlafes?
HÄ?

12:04. Langsam entsteigt Georg seinem Bett, krallt sich ein paar Klamotten und schlendert damit ins Bad. Duscht erstmal ausgiebig, dann zieht er sich an.
Danach steigt er vorsichtig die Treppe ins Erdgeschoß hinunter, um in die Küche zu kommen.
Vorsichtig und leise, damit er seine Mutter nicht aufweckt, sollte sie noch schlafen.
In der Küche ist alles kalt. Tot. Steril.
Kein warmes Essen... Zeit?
13:07 sagt die Küchenuhr.
Hunger hab ich trotzdem.
Mum? Ach, ich lass sie besser schlafen.
Kühlschrank? ... Na, dir gings auch schon mal besser... Mal sehen, das wir was zu fassen bekommen, oder?

Kurz noch schreibt er eine Notiz, die er auf dem Küchentisch hinterlässt, damit seine Mutter weiß, das er einkaufen ist und sie ihn am Handy erreicht, dann ist er auch schon in der Garage und fährt los.


Eine gute halbe Stunde später und um 15€ ärmer kehrt Georg wieder zurück. Die Notiz liegt auf dem Küchentisch, wie er sie hingelegt hat.
Schnell räumt er die Sachen weg und nimmt sich Brot und Wurst um dies zu verspeißen, während er den Fernseher belästigt.

18:30, die Nachrichten... *zap* Georg stellt den Fernseher ab, bringt Schneidbrett, Messer und die Reste seiner Mahlzeit zurück in die Küche.
Komisch, das Mum noch immer schläft... zieht sich auch immer mehr zurück... aber bei der Stimmung in der Stadt wundert mich das auch nicht. Irgendwas ist komisch da draußen, wenn ich nur wüsste was? ... Dann könnte ich auch nichts daran ändern.
Ich werd Mum jetzt trotzdem wecken. Vielleicht können wir ja morgen zu Tante Helga fahren. Vielleicht bringt sie das mal auf andere Gedanken...
denkt er, während er Geschirr und Essen wegräumt.
Kurze Zeit später steht er vor dem Schlafzimmer seiner Mutter, klopft an, öffnet die Tür einen Spalt und fragt in die Düsterniss Mum?
...
Keine Antwort.
Etwas lauter versucht er es nochmal Mum?
...
Wieder nichts. Allerdings kommt ihm ein komischer Geruch in die Nase.
Den kenn ich... Woher? ... Das riecht wie... Mum? Alles O.K.? fragt Georg, inzwischen leicht verängstigt über den ungewöhnlich tiefen Schlaf seiner Mutter und den undefiniert bekannten Geruch, aus dem Schlafzimmer.
...
Nichts.
Ein weiteres Detail dringt in sein Bewusstsein: keine Atemgeräusche!
War der Knall etwa...
Plötzlich sieht er ein anderes Bild vor seinem geistigen Auge: Einen der wenigen Tage, an denen er mit seinem Vater unterwegs war.
Sein Vater und andere Männer (wahrscheinlich geschäftliche Freunde, private hatte er ja keine...) standen an einem Schießstand.
Pistolen. Vaters Leidenschaft.
Kaum jagte dieser Gedanke durch seinen Kopf war Georg sich sicher, das der Knall nicht bloß das Ende seines Traumes bedeutet hat.
Er riß die Tür auf und betätigte mit der anderen Hand noch in der selben Sekunde den Lichtschalter.
Schon wünschte er sich, es besser nicht getan zu haben.

Blut.
Ein lebloser Körper.
Seine Mutter.
Tot.
 
Out of Character
Ich freue mich über weitere Kommentare zu meinem Schreibstil.
Gerne würde ich auch Kritik hören.

PS: @Horror: Nein, ich hab noch keine Buffy-Folge gesehen. Kommt dort sowas vor?
 
Out of Character

Das abgehakte und das akzentuieren einiger Stellen sorgt für einen guten Lesefluß und weckt zumindest bei mir gewisse Emotionen (ich spreche von einem flauem Gefühl im Magen wegen dem Unheil das sich langsam abzeichnet).
Die Tatsache das Georg praktisch den ganzen Tag verbringt und erst Abends seine Mutter findet ist ein Zeichen von heftiger Isolation und im Kontext mit dem Fluch über der Stadt bringt es die Trägheit und lähmende Depression gut rüber.

Außerdem ein Lob für die Mühe ganz alleine so etwas so schön auszuspielen und zu verdeutlichen wie derbe dieser Fluch eigentlich ist.
 
Out of Character
Ja, es gibt die Folge 'Tod einer Mutter' in der Buffy ihre Mutter tot zuhause vorfindet! Sehr genial inzeniert, und dein Stil trifft die drückende Atmosphäre, die es auch in dieser Folge gab, sehr gut!
 
Danke. Ich denke, ich komme zurecht.Trotzdem sollten sie vielleicht hier anrufen. Ich mein ja bloß... Naja, sie wissen schon... meint der Cop und reicht Georg die Visitenkarte eines Psychiaters.
Danke. Vielleicht.
Damit schließt Georg die Eingangstür.
Schließt sie, um den Leichenwagen nicht mehr zu sehen.
Den Leichenwagen, der seine Mutter zur Gerichtsmedizin bringt.

Stille.

Nichts regt sich in dem Haus seiner Mutter.
Jetzt ist es mein Haus. Nicht mehr das meiner Mutter.
Meine Mutter ist Tot.


Georg schlurft ins Wohnzimmer, dreht auf halbem Weg wieder um und geht zum Telefonkästchen, um im Telefonbuch nach einem Bestattungsunternehmen zu suchen.
20 Minuten später hat er einen Termin für den 23.4. um 14:00 Uhr.
Sargauswahl.
Um die Grabesstätte kümmert sich das Unternehmen.
Genau wie manche andere Sachen, wie Überstellung des Korpus von der Gerichtsmedizin usw...

Nachdenklich betrachtet er die Visitenkarte, die ihm der Cop gegeben hatte.
Dr. Ignatius Chemoi​
steht dort. Dazu Telefonnummer und Adresse.
Ich weiß nicht.. Ob das was bringt? Naja, vielleicht später mal.
Schließlich steckt er sie in seine Brieftasche und begibt sich ins Wohnzimmer, schaltet den Fernseher ein und wird dann wieder vom Schlaf überwältigt.

Out of Character
@Grisz: hab dich mal zum Dr. gemacht, hoffe das passt. Klingt halt authentischer.
@H, Eldrige: Danke.
Noch eine Frage: Wie findet ihr die Lesbarkeit meiner Texte? Gut so? Oder zuviele Absätze? Was soll/kann ich verbessern?
 
Out of Character
Mir persönlich gefällt dein Stil wirklich sehr gut!!! Aber ich neige ja auch zur 'Absätzigkeit'! ;) Ne, ist imho wirklich okay so! :)
 
Out of Character
Ich bin begeistert. Gefällt mir richtig gut. Auch die ganzen Absätze, dass macht das ganze richtig interssant. Also von mir gibt das 2 Daumen HOCH
 
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