[21.05.2008] Getrennt

Drakun

Pflanze
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9. Juni 2007
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Bis auf das leise Plätschern von Wasser war es still. Kein Luftzug war zu hören, auch wenn das sanfte Schaukeln der Bäume auf Wind schließen ließ. Aus dem Schutze der Dunkelheit beobachtete ein Raubtier seine Beute. Das Mädchen auf der anderen Seite des Baches war von seiner Art, aber weich und schwach. Sie war allein, scheinbar von ihrer Gruppe getrennt worden, Angst lag in ihrem Blick. Die Kleidung robust, betonte dabei jedoch ihre zierliche Figur. Klein war sie. Und ahnungslos. Neben ihm spürte er seinen Bruder, ungeduldig doch noch beherrscht. Zu zweit verblieben sie nachdem ihre Schwester in die Nacht verschwunden war, auf der Suche nach Blut. Doch sie waren die Fündigen. Einst waren sie schwach gewesen, auch wenn es ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Nun waren sie mächtig und würden bekommen, was ihnen zustand. Er griff hinaus in die Schwärze, zog sie an sich, hüllte sich darin ein. Die massive Eisenstange in seinen Händen fühlte sich leicht an - wie ein Spielzeug. Bald!

Sein Bruder war es wohl gewesen, primitiv, nicht fähig die Schatten zu nutzen. Das Mädchen zuckte zusammen, sah herüber. Die Zeit des Wartens war vorbei. Sie brachen aus dem Unterholz hervor, über den Graben, zu ihrem Opfer, dessen Augen sich in Panik weiteten, als sie ihn erblickten. Doch sein Bruder war der schnellere von Beiden und schoss auf das Mädchen zu. Zwischen beiden erschien ein silberner Streifen, dem ein wütender Schrei folgte. Dann schlug der Räuber auf. Die wesentlich leichtere Frau hatte dem Aufprall kaum etwas entgegenzusetzen. Sein eigener Schwung trug den Angreifer weiter - bis er zu Boden fiel. Der Geruch von süßem Blut lag in der Luft. Irgendwie hatte es die Frau geschafft, sich taumelnd auf den Beinen zu halten. Damit war sie eine leichte Beute für ihn. Zuerst warf er die Schatten auf sie, dann schoss seine Waffe nieder.

Gellend durchbrach ein Schrei die Nacht, kaum noch menschlich, Wut, Schmerz und Verzweiflung vereint. Er sah herab, wo sich die Stange in den Boden gegraben hatte, zu gleichen Teilen wütend und verwirrt. Die Frau stand nun über seinem Bruder, dessen Leib sich verkrampfte und kostbare Vitae in das Gras vergoss. Was für eine Verschwendung. Wo sich vor noch ein Auge befunden hatte, konnte man den Griff der Waffe erkennen, die ihn ausgeschaltet hatte. Ihrer Waffe beraubt zog sein Opfer eine weitere Klinge - deutlich größer als die vorherige. Mit erstaunlicher Anmut brachte sie die Waffe in Position. Der eigentliche Angriff kam viel zu schnell, direkt und brutal. Doch nicht besonders genau. Der Schlag zischte an ihm vorbei und die Frau wäre beinahe in seine eigene Attacke gelaufen, schaffte es gerade noch wegzutauchen. Das Miststück war schnell. Ein plötzlicher Schmerz am Bein, nun ein Kratzer doch genug um ihn aus dem Konzept zu bringen. Sie würde bezahlen, er würde sie...

Bevor er auch nur reagieren konnte war sie da, die Klinge schnappte nach ihm wie eine Viper. Diesmal drang der Stahl tief in sein Fleisch. Und die Welt wurde rot. Tobend stürzte er sich auf sie, schwang die Stange als wäre sie nicht mehr als ein dünner Stock. Er traf auf Widerstand und nun war sie es, die vor Schmerz aufkeuchte. Er konnte spüren, wie ihm das Messer über den Brustkorb gezogen wurde. Aber die Schmerzen hatten keine Bedeutung mehr, die Wut, die Raserei, war alles was blieb. Schlagen, fetzen, töten, zarte Haut zerreißen und dünne Knochen aufbrechen. Ein Aufprall und das Rot verschwand. Die Welt überschlug sich nun, wirbelte herum. Schwärze. Und ein leises Plätschern.
 
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