19.04.04 - Der Krug geht solange zum Brunnen, bis...

Nightwind

Erzketzer
#StandWithUkraine
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11. September 2003
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Irgendwas ist anders heute. Meyye schlägt die Augen auf und lauscht... nein, nicht draussen ist das Ungewöhnliche, sondern innen. Als hätte sich ein Loch unter ihr geöffnet und ziehe sie hinunter, aber in Raten... mehr wie kleine Erdspalten in denen sie versickert. Als wäre sie ein Tonkrug mit einem Sprung, aus dem es langsam aber sicher herauströpfelt, bis sie leer ist. Dabei fühlt sie sich nicht leerer als sonst nach einem Tag, sie hat nur so eine Ahnung, als bleibe es nicht dabei.

Sie erhebt sich. Der Fluch macht das Blut der Menschen ungenießbar für ihresgleichen... sorgt er vielleicht auch noch gleich dafür, dass sich der Untergang der Vampire beschleunigt? Vielleicht wird ja nicht nur das Blut der Menschen dünner... "Ich muß jagen." sagt sie mit seltsam ernstem Unterton anstatt einer Begrüßung, als sie Tatjana sieht.
 
Tatjana sieht noch nicht einmal auf, dreht sich nur um und zieht die Decke über den Kopf. Gedämpft aber deutlich klingt es heraus. "Lass mich in Ruhe! Ich hab keinen Bock mehr ..."
 
Ein Weilchen bleibt die Gangrel stumm und schaut zum Bett, wo ihre Freundin unter der Decke schmollt. Zurecht, zu einem gewissen Teil. "Immer noch sauer?" seufzt sie dann und steht auf, um sich anzuziehen. Sie müßte sich eigentlich mit den Leuten vom Dom treffen... aber es muß auch Zeit für die Jagd sein, wer weiß wann sie wieder dazu kommt.. und wie lange das Blut der Menschen sie noch ernährt...

Als sie fertig ist für eine weitere Nacht in der Kälte, schaut sie nochmal zum Bett. "Bleib ruhig liegen, wenn du willst..." sagt sie, ein wenig unsicher, und wendet sich der Tür zu.
 
Tatjana schlägt die Decke zurück und steht auf. "Nein ... schon gut. Ich hab nur sehr schlecht geschlafen. Ich werde dich begleiten ... und denk an das ähm ... seltsame Wort, wenn ich helfen soll ... und nochmal sowas, wie mit Wolf mach ich auch nicht mit. Da komm ich dann gleich ... Ich weiß auch nicht, warum ich da gezögert hab." Sie schien recht sauer mit sich selbst zu sein.

Tati zog sich an. "Und ... wie siehts aus? Gehst du da heute zu dem Sabbat Tschimmie?"
 
Meyye schaut wieder zurück und sagt ihr mit leichtem Lächeln nochmal das Codewort: "Msaada." Fremdartig betont kommt es ihr doch leicht über die Lippen. Ein wenig erinnert die Aussprache an den immer noch vorhandenen leichten Akzent, mit dem sie Deutsch spricht. Sie wird wieder ernst. "Das mit Wolf ging so schnell, du hättest nichts machen können. Ich hab ihn nicht mal kommen sehen. War schon gut dass du nicht aufgetaucht bist, sonst hätt er mich vielleicht wirklich gekillt. Darum hab ich auch nicht gerufen."

Sie zieht die Tür zum Gang auf und meidet Tatjanas Blick. Ein paar Sekunden später sagt sie: "Irgendwas passiert mit mir. Ich verliere Blut, oder es wird auch in mir noch dünner. So kann ich nicht kämpfen und ich hoffe, der Mistkerl sieht das genauso. Jetzt will ich erstmal jagen, dann schau ich zum Dom."
 
Tatjana beeilte sich, um hinterher zu kommen. "Warte! Ich komm mit!" Sie hoppste noch in ihre Schuhe hinein ... und dann konnte es losgehen.

"Ich bin froh. dass wir die Blutsgeschwister aus der Stadt gebracht haben ... die Leute bringen sich um ... es ist wirklich furchtbar ... Wir wissen alle nicht, was wir machen sollen."
 
Meyye hat schon am Fenster gehört dass sie am besten die Haustür oben nicht zu weit aufmachen sollte weil sonst ihre Kellerwohnung vollläuft... darum sucht sie sich auch die ältesten, dreckigsten und löchrigsten Schuhe aus die sie noch finden kann (wieviele Waldgänge haben die schon gesehen...) und hat sich lieber nicht in Leder gekleidet. Durchweichtes Leder ist einfach furchtbar.

"Es wird also immer schlimmer." sagt sie bedrückt. "Und das alles weil ein Vampir verrückt spielt. Verdammt nochmal." Lurker hatte recht. Wir sind alle nicht gut für die Menschen. Das wußte ich schon lange, aber ich wußte nicht wie Scheiße es ist. Wir müssen es aufhalten, koste es was es wolle. Soll mich der Tzimmie doch ruhig für feige halten.

Damit geht sie raus, sobald Tati ihr folgt und nimmt wie immer ihr Fahrrad mit nach oben. Als sie hinausschaut murmelt sie eine Verwünschung in ihrer Muttersprache. "Ich hätt ein Schlauchboot bringen sollen." meint sie, aber es hilft nichts... sie geht hinaus in den Regen.
 
Tatjana zog Meyye an der Schulter zurück. "Hör auf, so etwas zu sagen. Du bist nicht schlecht für die Menschen ... und Viktor auch nicht ... also mach mal langsam. Es wird schlimmer ja ... aber da seid ihr nicht schuld dran ... Verstanden?" Sie platschte in den Regen hinaus ... sie konnte ihre Gadarobe nicht ständig wechseln ... das Leder sog sich schnell voll. "Ja ... Schlauchboot wäre Klasse. Wohin wollen wir rudern?"
 
Meyye gibt erst keine Antwort. Natürlich ist auch noch der rücksichtsvollste Vampir nicht gut für die Menschen, denn sie trinken Blut. Ihr fällt der Hundebesitzer vom Park wieder ein, dann der Spargel mit der Brille vor einigen Wochen im Mexican. Soviele Gesichter von Leuten, die sie benutzt hat, die sie beraubt hat. Sie wischt die Bilder beiseite. Sie kann jetzt nicht auch noch anfangen depressiv zu werden. Oder jedenfalls nicht lethargisch. Sie hat was zu tun.

"Ich würd sagen, Richtung Do--" Sie bricht abrupt ab, als sie einen Körper liegen sieht und ein paar Stockwerke weiter oben ein beleuchtetes, offenes Fenster. Der Regen muß das Blut schon weggewaschen haben, die Leiche sieht ungewöhnlich sauber aus. Tatjana hatte etwas von Selbstmorden gesagt. "Heilige Maria, Mutter Gottes..." flüstert sie erschüttert, eine gute Gelegenheit mal wieder in abgelegte Verhaltensweisen ihrer Kindheit zurückzufallen. "Ist das überall so?"
 
Tatjana nickte traurig. Dann konnten die beiden sehen, wie eine Gestalt auf die Frau zuging und sich über sie beugte. Eine helfende Hand? Bei der Gleichgültigkeit der Menschen? War das tatsächlich möglich? Viel konnten sie durch den Regenschleier aber nicht erkennen.

Out of Character
Bitte diese Spur nicht weiter verfolgen ... also nicht zu Wolf gehen ...
 
Der Mann der sich über die Tote beugt, könnte gut ihr nächstes Opfer sein... aber irgendwie schreckt sie davor zurück. Anstatt also auf ihn zuzugehen, schwingt sie sich aufs Rad und fährt los... weg von hier, Richtung Dom, zumindest so ungefähr. Tatjana kommt ihr schon nach, das hat sie bisher auch immer geschafft... als Wölfin ist das auch kein Problem, nichtmal im strömenden Regen.

Meyye fühlt sich nach kurzer Zeit selbst wie ein Wasserwesen, so durchnässt ist sie. Immer wieder muß sie die nassen Haare zurückschütteln während sie sich umsieht und erschreckenderweise noch mehr Tote sieht, die einfach so herumliegen, ohne dass sich jemand darum kümmert. Die Hölle auf Erden ist nicht feurig und heiß, sondern dunkel und nass.
 
Unterwegs sieht sie sich um, obwohl sie eigentlich wenig Hoffnung hat. Es ist zum Heulen; den Menschen geht es schlecht, alle fühlen sich schon als wollten sie sich gleich zum Sterben hinlegen und sie sucht nicht etwa nach ihnen um ihnen zu helfen, sondern um sie eines Teils ihres Lebens zu erleichtern. Dass sie das im Endeffekt braucht um Weiterzuexistieren und vielleicht den Fluch zu beenden, tut dabei wenig zur Sache. Das weiß der Einzelne, den sie bestiehlt, nicht. Dennoch... es muß natürlich sein, und so hält sie Ausschau.
 
Meyye stach ein Mädchen ins Blickfeld. Sie lehnte an einem Baum, heulte fürchterlich und hatte ein Messer in der Hand. Sie kam ihr sehr bekannt vor. Ungefähr vor zwei Abenden hatte sie sie erst gesehen, wo sie schleunigst nach hause wollte ... Nur war jetzt ihre schwarze Schminke ganz verlaufen ... sie fing an mit dem Messer an ihren Unterarmen herumzuschneiden.
 
Oh nein. Die hat sie doch erst vor kurzem getroffen. Sie ändert die Richtung und tritt nochmal richtig in die Pedale. "Hey... hey Kassandra! Sie bremst abrupt, als sie bei ihr ankommt, springt vom Bike und hat sie hoffentlich erstmal genug abgelenkt. Kaum angekommen hält sie sie am Arm fest und verdreht ihn, so dass sie das Messer fallen lassen müßte. "Was soll der Scheiß!" fährt sie sie an.
 
Mit trüben Blick sieht die Kleine zu Meyye auf und heult. "Es hat alles keinen Sinn mehr!! Eine Leiche mehr oder weniger fällt nicht auf ... Keiner mag mich!! Nicht mal meine Eltern!! Sie hassen mich!! Ich bin allein ... ich will nicht mehr allein sein ... Lass mich los!!" Sie wehrte sich.
 
Der Fluch. Dieser verdammte Fluch! "Jetzt hör mir mal genau zu. Du bist nicht allein und wenn dich jemand haßt... dann scheiß auf ihn! Denk lieber an die Leute die dich mögen. Und erzähl mir nicht, dass es da niemanden gibt. Ich hasse dich nicht und ich will dich auch nicht tot sehen, hast du verstanden?" Sie hat Kassandra inzwischen losgelassen, steht aber auf dem Messer am Boden.
 
Das Mädchen fing an zu schreien. "ICH WILL ABER NICHT MEHR!!! Du kennst mich doch gar nicht!! Niemand kümmert es, ob ich jetzt tot bin oder nicht!! ich hab keine Lust mehr!! Geh von meinem Messer weg!!!"
 
"Doch, mich kümmerts. Und es ist dabei scheißegal ob ich dich kenne oder ob du keine Lust mehr hast. Als wäre das Leben was, das du ab- und wieder einschalten kannst. Aber das funktioniert nicht! Wenn es vorbei ist, kommt es nie mehr wieder!" Wer wüßte das besser als sie?
Sie hebt das Messer auf und es sieht ganz so aus, als wolle sie es behalten. "Geh nachhause. Bald ist das alles hier vorbei, dann kannst du wieder froh werden... und es wäre bescheuert, wenn du dich dann wegen ein paar Tagen Depri umgebracht hättest."
 
Die Kleine brach schluchzend zusammen ... "Das ist keine Depri ... sowas hatte ich schon öfter ... das ist ... das ist mehr ... Es wird nie aufhören ... Das Wetter ... diese blauen Dinger ... alles spielt verrückt ..." Sie machte keine Anstalten nach Hause zu gehen
 
Meyye seufzt und wendet sich ab, um das Messer mal kurz über die Straße zu werfen... am besten in einen Garten, über einen Zaun. Dann beugt sie sich zu Kassandra hinunter und reicht ihr die Hand. "Ich weiß... es ist echt schlimm. Alles ist scheiße und spielt verrückt. Aber es wird aufhören. Hörst du? Es - wird - aufhören! Ich weiß das." sagt sie mit Nachdruck und zieht Kassandra hoch, notfalls auch gegen ihren Widerstand. "Geh heim, leg dich ins Bett, tu am besten gar nichts bis es vorbei ist... okay?"
 
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