AW: [07.05.2008] Es wird Zeit aufzufallen
Die ersten Spritzer des Blutes benetzten die bebende Zunge des schuppigen Riesen, der begierig wartete. Wo sie auftrafen war es, als schlügen winzige Meteoriten aus Wonne in sie hinein. Zuerst war es wie Feuer, dann wie Eis. Mit einem Knistern der Nerven verästelte sich der Geschmack, zuckte hier hin und dort hin um dann in einer wohligen Welle zu verebben. Blut war niemals etwas schlechtes. Es war normal, dass es aus dem Futter herausspritzte, wenn man es zermalmte. Aber das Blut der belebten Leichname war etwas völlig anderes. Es sorgte dafür, dass man wuchs, weit über das gewöhnliche Maß hinaus. Man fühlte sich größer und man fühlte sich nach mehr. Je mehr man davon trank, desto klarer wurden die Dinge. Plötzlich sah man Vernetzungen und Zusammenhänge, wo ansonsten nur roher Instinkt arbeitete. Futter war gut, aber wenn man einen Plan machte, konnte man mit wenig Mühe viel mehr und viel besseres Futter bekommen. Dafür benötigte man aber zunächst das Bewusstsein, dass es so etwas wie Pläne überhaupt geben konnte. Das war die eigentliche Macht des Blutes. Natürlich gab es enorme Stärke, aber sie war niemals schwach gewesen. Sicher dehnte es die Zeit, aber ihre Art war ohnehin langlebig und wurde alt, das spürte sie in ihren Knochen und im Gesang ihrer Ahnen. Das alles waren aber nur nette Spielereien. Viel wichtiger als alles, war das Bewusstsein. Dessen wurde sie sich gerade klar. Alleine dass sie so etwas fühlte, machte deutlich, dass sie langsam wieder die Alte wurde.
Es war ihr leicht möglich den Impuls zu unterdrücken, die Neue zu packen und zu verschlingen, obwohl sie voll von diesem köstlichem Blut war und es sicher eine Freude sein musste, wenn sie ihren Kiefer mit einem lautem Knall um den dürren Körper der Untoten zuschnappen ließ. Knochen würden Bersten und ihr Lebenssaft würde wie eine Blase zerplatzen und in ihren Schlund spritzen. Aber es war klüger dies nicht zu tun. Wenn man die Dinger zerfetzte und auffraß, konnte man nicht auf lange Sicht von ihnen nehmen. Außerdem schmeckten diese Leichen nicht wie richtige Leichen. Sie zerfaserten zu übel schmeckendem Staub, den man kaum geschluckt bekam, und der sich erstickend auf den Rachen legte. Nein, es war viel besser mit dieser hier zusammenzuarbeiten. Das hatte sie zuvor auch schon mit der anderen Leiche getan. Die, die fort gegangen war.
Die Echse erhob sich in ihrer Kammer und es war ein einschüchternder Anblick, wie sich der Koloss aus narbig, verschuppter Haut, knorrigen Panzerplatten, Klauen, Zähnen und einem Schädel so groß wie ein Kleinwagen herumwälzte. Wie konnte so etwas sich nur hier unten verstecken? Es gab hier mit Sicherheit mehr Gänge und Wege, die zu klein für dieses Ding waren. Die Antwort lag wohl in dem feinem Summen aus dem Bewusstsein des Tieres, dass klar machte, dass es nicht nur keine Angst vor den Untoten hatte, sondern regelrecht um sie zu wissen schien und sogar ein Gefühl hatte, wo sich noch mehr ihrer Art aufhielten. Wenn dieses Ding mit den Vampiren verbunden war, dann hatte es sich vielleicht einen Teil deren Talente angeeignet? Tiere dieser Art waren es gewohnt ungesehen und aus dem Hinterhalt anzugreifen. Sie schlichen sich an ihr Opfer heran, ungesehen, unbemerkt und schlugen dann völlig überraschend zu. Was wäre wohl, wenn dieses natürliche Talent durch die Künste der Verborgenen unterstützt würde?
Der mächtige Schwanz schlug aus, wand sich aber so geschickt und geschmeidig in der kleinen Kammer herum, dass er nichts berührte, außer schlammigem Wasser, das aufspritzte. Dann setze die Echse sich in Bewegung. Delta sollte ihr folgen, zumindest spürte sie, dass ihre neueste Freundin ein Ziel hatte und es teilen würde.