AW: Die deutsche Antwort auf Savage World?
Was soll solch eine "deutsche Antwort auf Savage Worlds" denn ANDERS machen als Savage Worlds?
Savage Worlds - wie man aus dem hochinteressanten "Making of Savage Worlds"-Artikel des Autors Shane Hensley ersehen kann - ist entlang ganz klar herausgearbeiteter Entwurfslinien erstellt worden. Zielgruppe waren (und sind, aber lange nicht mehr ausschließlich) gestreßte Familienmenschen, die weniger Zeit für ausufernde Vorbereitungen von Rollenspielsitzungen haben als Schüler und Studenten. Das war eine ganz wichtige Ausrichtung für das, was später unter Savage Worlds veröffentlicht wurde.
Desweiteren wurde Savage Worlds von MINIATURENFREUNDEN entwickelt und getestet. Diese Spieler MÖGEN Kampfszenen mit Battlemap, mit 3D-Szenerie, mit vielen Miniaturen. Also mußte Savage Worlds das auf alle Fälle auch unterstützen.
Und Autor und Testspieler wollten TAKTIK. Viele Manöver, Optionen, Optimierungsmöglichkeiten - das mußte Savage Worlds bieten.
Außerdem sollte es UNREALISTISCH sein. Es sollte Vorlagen aus Filmen, Serien, Comics abbilden, und nicht den Versuch machen möglichst viel "realistische Wehrtechnik" in Rollenspielform wiederzugeben. Die Spielbarkeit und der EFFEKT, die WIRKUNG für den (betrachtenden!) Spieler ist entscheidender als die wissenschaftlich-technische Korrektheit.
So kam ein Pulp-orientiertes Rollenspiel mit cinematischen Elementen im Kampfsystem, grober Granularität, hohem "Wiederverwendungsgrad" von Mechanismen, und geringem "Wartungsaufwand" für Vor- und Nachbereitung von Spielsitzungen, sowie geringem Buchhaltungsaufwand während des Spiels (Extras: Figur steht, liegt oder ist vom Tisch) heraus, welches sich an die "Alten Rollenspieler" mit Frau, Kindern, Beruf wendet, die in ihrer knappen Spielzeit einfach MEHR SPIEL für die eingesetzte Zeit haben wollen.
Was sollen denn die Ansätze für die "deutsche Antwort" (wieso Antwort?) auf Savage Worlds sein?
Das Einfachste: Die Rechte für eine deutsche Übersetzung der SW:EX-Regeln einkaufen, übersetzen, FERTIG! - Eben Fast! Furious! Fun!
Ein neues deutsches "Generikum" ist m.E. völlig überflüssig. - Hierzulande sind solche Generika wie GURPS in Übersetzung gescheitert. D20 Modern hat (leider?) keiner übersetzt. Andere Generika wie URPG, Risus, Fate, Wushu, oder Liquid liegen ja bereits auf deutsch vor. - Und wer interessiert sich dafür?
Bei Fate oder Wushu kann man sich nun wirklich nicht beschweren, daß es sich um aufwendig für ein Setting anzupassende Regelsysteme handeln würde.
Was hat denn auf dem US-Markt(!) zu solch einem langsamen aber stetigen Erfolg von Savage Worlds beigetragen? - Das "Old School"-Feeling!
Savage Worlds fühlt sich an wie ein zeitgemäßes D&D. Wie das, was die D&D 3.x hätte sein sollen und D&D 4E niemals mehr sein können wird. - Man spielt damit (und ich kann hierbei aus eigener Erfahrung den Vergleich ziehen) WIE DAMALS.
Wenn man sich X1: Isle of Dread für das D&D Expert Set von 1981 anschaut, dann sieht man dort die STÄRKEN, die auch Savage Worlds Settingbände auszeichnen: Stat-Blocks von vier, fünf Zeilen, knapper Text, der nur das zum Spielen NOTWENDIGE enthält, aber dem Spielleiter viel Freiheiten zur Ausgestaltung, zum Verzieren, zum Präsentieren erlaubt. Auf 38 Seiten, davon 10 Seiten Karten und Handouts, bekommt man mit der Isle of Dread einen Abenteuerschauplatz samt fremdartigen Völkern, interessanten Kulturen, einer finsteren Bedrohung und jeder Menge Abenteuer geboten. - DAS ist "Old School"!
(Auch ein Teil des Adventure Paths "Savage Tide" spielt auf der Isle of Dread. - Die Savage Tide Abenteuer sind sowas von weitschwafelig und LANGWEILIG, daß mit einem doofen "extreme railroading" Fußmarsch über 20 Seiten gefüllt werden. So etwas ist im klassischen X1-Modul keine zwei Sätze wert gewesen! - Und über die seitenlangen Stat-Blocks des aktuellen D&D braucht man eh kein Wort mehr zu verlieren.)
In den USA sind gerade nach Erscheinen der ersten Savage Worlds Publikationen, dem 1st Ed. Regelwerk und der Evernight-Kampagne (die ja effektiv eine Fortsetzung einer alten AD&D-Kampagne des Autors ist!), und dem 50 Fathoms Settingband VOR ALLEM die "Alten Säcke (tm)" auf den Savage-Zug aufgesprungen.
Endlich ein Rollenspiel, bei dem der Spielleiter genauso einfach seine NSCs basteln kann, wie er das beim alten D&D (Basic, Expert, usw. Set) bzw. bei AD&D 1st Ed. machen konnte. Endlich ein Rollenspiel OHNE Challenge Ratings und anderen Balancing-Unfug. Wer sich seine Gegner nicht mit Überlegung selbst aussucht, der kommt eben um, wenn er an jemanden gerät, der ihm überlegen ist! So war das damals und so ist es GUT!
Savage Worlds hat D&D-like Adventure-Roleplaying vom Kopf (D&D 3.x) wieder auf die Füße gestellt. Und zwar total einfach, schnell und LEICHT.
Savage Worlds wirbt mit Fast! (Furious! Fun!), doch - nach Erläuterungen von Shane Hensley - ist das Fast! nicht (nur) als meßbare Spielgeschwindigkeit für Kampfszenen zu verstehen, sondern viel mehr als "ease of play". Es soll LEICHT VON DER HAND GEHEN!
Wenn man sich nun die besonderen Stärken von Savage Worlds anschaut, so liegen sie weniger in "genialen Regelmechanismen" als vielmehr darin, daß die gesetzten Ziele recht KONSEQUENT verfolgt wurden. Es wurde ALLES weggeschnitten, weggestrichen, was nicht zum Erreichen der Entwurfszielen diente. - Das hat dazu geführt, daß z.B. Deadlands:Reloaded für MICH leider NICHT eine adäquate Umsetzung des Deadlands-Settings darstellt, weil MIR dabei ZUVIEL weggestrichen wurde. Für Conan hingegen ist Savage Worlds geradezu IDEAL. Ich habe da wirklich im Rollenspiel den "Atem" der literarischen Vorlagen spüren können (und das ist mir nur sehr selten bei Spielen nach Roman-Vorlagen passiert).
Wenn also nicht die Regelmechanismen, sondern das konsequente Hinarbeiten auf die Entwurfsziele und die RICHTIGE WAHL des ZIELPUBLIKUMS(!) entscheidend für den Erfolg bei Savage Worlds waren, was soll dann die "deutsche Antwort" auf Savage Worlds in dieser Hinsicht leisten?
Welches ZIELPUBLIKUM? (Gealterte DSA- und/oder SR-Spieler? Geschwall und Gelaber gewohnte deutsche "Erzählspieler"? - Wohl kaum: Knallharte D&D-Haudegen, die sich jeden XP 1:1 gegen Hitpoints ihrer Charaktere getauscht haben.)
Welche Entwurfsziele? (Miniaturen? Pokerkarten/Chips(Bennies)/eimerweise Würfel? Granularität? - Das sind alles nur LÖSUNGEN bei der UMSETZUNG solcher Ziele! Die Ziele sollten aber VORHER KLAR herausgearbeitet sein.)
Welche Vorlagen, Inspirationsquellen, Spielrichtungen sollen abgebildet bzw. unterstützt werden? (DSA-Romane? Computer-Spiele wie WoW? (Nee - das macht D&D 4E doch schon!) DSDS?)
Wenn Shane Hensley "Tell me about your character" schreibt, dann MEINT er das so, wie es (in USA und leider nur z.T. auch hierzulande) ein Rollenspieler sofort versteht: Erzähl mir von "teh awesomeness" Deines Charakters. Und es ist GUT und RICHTIG, wenn er ein hochgepowerter rockender Übercharakter ist! Yeah! Solche Charaktere spiele ich ja schließlich auch immer am liebsten! ...
Hierzulande ist - wie die unsäglichen "Anti-Powergaming"-Beiträge zeigen - solch ein ganz natürliches Spielverständnis durch ständiges Einreden eines Schlechten Gewissens (tm) verkümmert. - Komischerweise ist das aber bei den WoW-Spielern KEIN PROBLEM!
Nur die Alte Deutsche Betulichkeit im Rollenspiel hat ihre Besorgten Bürger Battalione gesundestes Spielempfinden vergällen lassen. Hat die frischen Quellen spielerischer Inspiriation und Motivation mit den aufgeblähten Kadavern des "Deutschen Besserspiels", welches sich als Gegensatz zum "Pösen Bauergäyming" sieht, vergiftet und ungenießbar werden lassen.
Vor dieser deutschen TRÜMMERLANDSCHAFT ein generisches Rollenspielregelsystem anbieten zu wollen, welches auch nur ÄHNLICHE STÄRKEN wie Savage Worlds hat, halte ich für illusorisch.
Hier ist nicht dort.
Daß MIR Savage Worlds gefällt, liegt daran, daß ich die "Gnade der frühen Geburt" habe und NICHT mit DSA, "germanischem Cthulhu", und anderen "Stimmungs-Knalltüten" angefangen habe.
Früher galt auch hierzulande: Rollenspiel IST D&D.
In den USA (und im Rest der Welt) gilt das noch immer. - Und daher ist Savage Worlds auch so erfolgreich, weil es einen TEIL der D&D-Spieler schnell dort packt, wo es wichtig ist: mitten ins Herz. Savage Worlds ist das Rollenspiel der Herzen. Es läßt die Herzen alter und junger ENERGIESPIELER höher schlagen. Es bringt in langwierigen Buchhaltungssitzungen mit anderen Regelsystemen verbrauchte Spielenergie zurück.
Und DAS soll Eure "deutsche Antwort" auch leisten können?
Das SOLLTE sie MINDESTENS leisten! - Denn ansonsten wäre man immer noch mit einer deutschen Übersetzung der SW:EX-Regeln besser bedient.