Sworddancer
Hârniac
- Registriert
- 1. Mai 2007
- Beiträge
- 523
Hallo Leute,
das Thema ist ja durchaus schon ein alter Hut. Ich habe mal geschaut, ob ich ein entsprechendes Thema hier entdecken kann. Bei Seite 12 habe ich aufgegeben. Muss wohl schon lange her sein, dass man sich darüber unterhalten hat. Da dachte ich mir, dass es ja eigentlich nicht schaden kann, wenn ich mal eine neue Diskussion lostrete.
Es wird ja immer wieder darüber gemunkelt. Rollenspiele sterben aus. Es gibt keinen Nachwuchs, und die alten sterben aus, bzw. wandern einfach ab.
Ist Rollenspiel einfach nicht mehr zeitgemäß?
Zum einen scheint ja das Thema Fantasy immer salonfähiger zu werden. Filme wie die der "Der Herr der Ringe" Trilogie machen die Thematik kuschelfreundlich für die Massen. Selbst Analphabeten, die niemals das Buch gelesen haben können, haben nun schon was vom Herrn der Ringe gehört und können was damit anfangen. Fantasy ist, wo Zwerge Sprinter und Elfen Superhelden sind, und wo der Typ mit den schmutzigen Fingernägeln, dem unrasierten Gesicht, und der ewig nicht gewechselten Kleidung gleich zwei heiße Schnitten zu Füßen liegen hat. Fett.
Den von so manchem enthusiastischen Spielerherz vorausgesagten Boom in der Rollenspielerszene hat es jedoch trotzdem nicht gegeben. Zumindest nicht im klassischen Bereich des Rollenspiels, den man mittlerweile auch hierzulande (wie schon vor Ewigkeiten in Japan) extra mit Zusatzattributen versieht. Man spricht nun vom P&P RPG, Pen & Paper RolePlaying Game. Einfach, um es von der weitaus präsenteren Thematik des Computer Rollenspiels abzugrenzen.
Mittlerweile wissen sehr sehr viele Leute, was Rollenspiel ist. Computerspiele! Und mehr und mehr kommen davon auf den Markt. Mehr und mehr Spieler tummeln sich dort in fantastischen Welten, vorzugsweise in sogenannten MMORPGs wie beispielsweise "World of Warcraft". Aber auch Adaptionen alter Romanklassiker kommen daher. Endlich darf man auch durch Conans Lande streifen und zeigen, dass man mehr drauf hat als Arnie seinerzeit. Endlich kann man den schmutzigen "Babe-Magnet" aus dem Herrn der Ringe selber spielen!
Möglicherweise haben ja wirklich die vielen neuen Filme etwas damit zu tun, dass nun mehr Rollenspiel gespielt wird. Mal davon abgesehen, dass der phänomenale Erfolg des einen Spiels natürlich Nachahmer auf den Plan ruft. Der Markt explodiert, und während sich die großen der Branche die Ladenregale teilen, wuseln die kleinen im Internet herum und locken mit kostenlosen Grundspielen.
Und die riesengroße Kuschel-Familie der Rollenspieler freut sich und findet nun überall Mitglieder und Gesprächsthematik. Denn Rollenspieler gibt es nun wie Sand am Meer.
Schade nur, dass das P&P Rollenspiel nun zwar um ein bezeichnendes Attribut reicher ist, aber ansonsten die großartige Entwicklung verpasst hat.
Ist dies die Schuld der Verlage, die gepennt haben?
Oder ist P&P RPG einfach zu altbacken?
Warum finden so viele neue Spieler zum heiligen Gral des Rollenspiels, das nun in aller Munde ist? (Also NICHT P&P.)
Ich wage ja zu behaupten, dass ihnen einfach der Zugang zur Thematik angenehm einfach gemacht wird.
RPGs findet man überall dort, wo man sowieso gern einkaufen geht.
RPGs zeigen dir schon auf der Schachtel, was da geiles abgeht.
RPGs sehen gut aus, man ist mittendrin.
RPGs spielt man "out of the box" - auspacken & starten!
RPGs bieten viele Stunden Spielspaß, und hin und wieder kauft man sich mal eine Erweiterung, um noch mehr Spielspaß zu genießen.
RPGs lernst du beim Spielen zu spielen.
RPGs haben die "Motivationsspritze" schon eingebaut! - Man wird stetig und sichtbar immer geiler und mächtiger!
RPGs überhäufen dich mit Reichtümern und mächtigen Artefakten! Und wenn du es nicht findest, kaufst du es dir einfach!
RPGs laufen "real time", d.h. du bist die ganze Zeit voll in der Action dabei! Kein langwieriges Warten auf den eigenen Spielzug!
RPGs liefern dir gewaltige Schlachten, die du mit 39 Waffenbrüdern gegen die Horden des Bösen bestreitest! In einer guten Stunde hast du die Massenschlacht abgehandelt!
RPGs sind einfach Instant-Spielspaß, ohne langwierige Vorbereitungen!
Schade nur, dass mit alledem nicht P&P RPGs gemeint sind...
P&P muss man erstmal finden. Du bekommst es in "Geheimtip-Läden", die keiner kennt, und wo sich mitunter Leute herumtreiben, die du nicht kennen möchtest.
P&P muss man erstmal eingehend betrachten und durchlesen, um zu wissen, was abgeht.
P&P sind unscheinbar. Es sind Bücher. Man steckt mitten in der Textflut (na gut, einige haben schöne Illustrationen).
P&P muss studiert und gelehrt werden. Man muss erstmal Mitspieler finden.
P&P benötigt einige Erweiterungen, um die volle Bandbreite des Spiels zu eröffnen. Noch mehr Text.
P&P lernt man in Stunden des Lesens, bevor man spielen kann.
P&P hängt von der Willkür des Spielleiters ab - der ein Mitspieler ist.
P&P liefert dir phantastische Gefechte - in denen du minutenlang auf deinen Zug wartest.
P&P ist mit 5 Leuten gut spielbar. Je mehr es werden, desto unspielbarer wird es. Mal abgesehen von der Enge am Spieltisch.
P&P muss vom Spielleiter vorbereitet werden. Je nach dessen Erfahrungsgrad saugt er es sich spontan aus den Fingern (mit unterschiedlichem Erfolg), oder er sitzt stundenlang an Notizen, Karten und Spielwerten.
Ok, ok, der Vergleich mag manchem Leser vielleicht etwas übertrieben vorkommen, aber im Grunde ist es doch so - unabhängig davon, wieviel Spaß jeder Punkt der Auflistung dem Einzelnen bereiten mag.
Im Grunde geht es doch nur um folgende Aussage:
Der Einstieg ins P&P RPG ist schwer.
Der Einstieg ins (Computer) RPG kinderleicht.
Haben da die Verlage der P&P RPGs gepennt?
Klar, dicke Regelwerke liegen in der Natur der Sache beim anspruchsvollen Rollenspiel. Es müssen ja die ganzen Regeln und Hintergrundinformationen präsentiert werden.
Im Grunde steckt nicht weniger als das auch in den Computerspielen. Aber da ist es versteckt, und die Arbeit wird vom Computer gemacht (bzw. wurde zuvor von anderen erledigt).
Welche Möglichkeiten (mal abgesehen von der Mundpropaganda zufriedener Kunden) hat also ein Verlag, seine Rollenspielreihe mundgerecht zu servieren? Wie flöst er die trockene Kost der Einarbeitung in saftigen Häppchen ein?
Mein alter Kollege und Kumpel Dirk Remmecke und ich haben uns da mal drüber unterhalten.
Dies liegt mittlerweile schon eine ganze Weile zurück.
Wir haben beide einmal für die Branche gearbeitet. Ich bin momentan ganz raus, und er nimmt im Grunde noch eine gewisse Schnittmenge mit.
Ein entsprechendes Topic im HârnForum brachte mich dazu, dort noch einmal unsere Gedanken von damals aufzurollen. Und als ich dies dort vollbracht hatte, dachte ich, ich könnte des Stein eigentlich auch hier mal ins Rollen bringen...
Hier also unsere Ideen von damals.
Da ich ja oben bereits den Vergleich MMORPGs - P&P RPGs angeführt habe, denke ich, man könnte vielleicht erstmal hier ansetzen.
Eine unserer Ideen war es, MMORPGs und P&P RPGs zu kombinieren.
Damit meine ich jetzt mehr als die Lizenz der P&P Reihe an einen Computerspielehersteller zu verkaufen - oder umgekehrt.
Was ich meine, ist beide Produktlinien wirklich zu kombinieren.
Witzigerweise geschah einige Zeit später genau das mit einer Sammelkartenspielreihe. Zu WoW wurde ein CCG entwickelt, und Käufer des CCGs konnten dort enthaltene Codes für das MMORPG nutzen, um dort besondere Ausrüstung freizuschalten.
Im Grunde ging unsere Idee in die gleiche Richtung.
Zunächst einmal bewerben sich natürlich beide Produktreihen gegenseitig (und seihen es nur Flyer in den Spieleschachteln).
Darüber hinaus sollten Spieler, die P&P Abenteuer durchspielen (oder zumindest kaufen) durch diese auch Codes bekommen, die sie im MMORPG nutzen können.
Mit diesen Codes werden dann beispielsweise besondere Ausrüstungsgegenstände freigeschaltet (wie bei dem oben beschriebenen CCG), oder beispielsweise Einfluss in bestimmten Gegenden des MMORPGs generiert. Gilden könnten plötzlich mehr/neue Questen vergeben; Händler könnten ihre Ware vergünstigt anbieten; oder NSCs könnten sich dem Gefolge des Spielers anschließen.
(Ich habe nie das Everquest oder WoW P&P RPG gespielt, kann also nicht aus erster Hand sagen, ob dort so etwas geschieht oder nicht - so weit ich weiß jedoch nicht.)
Damit diese Kombination für beide Seiten sinnvoll ist, müsste natürlich auch MMORPG Seite unterstützt werden. Klar, wenn ein P&P Spieler andauernd am Ende eines Abentuers erfährt, dass er nun dank diesen Abenteuers im MMORPG Vorteile hätte, überlegt er sich das vielleicht auch mal, bei dem MMORPG einzusteigen.
Eine andere Möglichkeit wäre es, in regelmäßigen Abständen im MMORPG Questen bereitzustellen, mit deren Lösung man (dank seiner persönlichen Registrierung) einen persönlichen Rabattcoupon ausgestellt bekommt, mit dem man beim Verlag des P&P Rollenspiels ordern kann. Um da heran zu kommen, muss man also das MMORPG besitzen... und wenn man regelmäßig spielt, bekommt man auch regelmäßig Rabatt.
Beide Seiten liefern Vorteile für die andere, ohne dass dies mit Mehrkosten verbunden wäre - abgesehen von der Codegenerierung.
Eine andere Herangehensweise, an die wir dachten, war für mich persönlich ein wenig wie ein Schritt zurück in die Vergangenheit.
Im Grunde ist dieser Ansatz übrigens auch mit dem obigen kombinierbar.
Für mich war das Brettspiel "HeroQuest" der Anfang aller (Fantasy-) Dinge.
Ich hatte schon mit einem anderen Kumpel einige Zeit zuvor bemängelt, dass es eigentlich mal wieder ein Brettspiel wie Hero Quest geben müsste. Zwischenzeitlich gab es mal das "Diablo" Brettspiel, aber das war es auch schon.
Dann erschien "Descent" von FFG. Endlich wieder ein Dungeon Crawl Brettspiel!
Allerdings ist dieses von der Komplexität und Spieldauer weit umfangreicher als es HeroQuest seinerzeit war.
Dann erschien noch das D&D Brettspiel, über das ich aber zu wenig weiß, um fundiert darüber urteilen zu können, inwiefern es als Einführung ins Rollenspiel, bzw. als Bewerbung selbigens, herhalten könnte.
Wie auch immer.
Die Idee war, das Regelwerk eines Fantasy Rollenspiels derartig herunterzukürzen, dass es als Brettspielregelwerk taugt.
4-6 Heldentypen (mehr in Erweiterungen), 4-5 Attribute, 10-20 Fertigkeiten, ebensoviele Zauber, sowei ein paar Rüstungen und Waffen, und fertig ist der Lack. Sicherlich einiges mehr als HeroQuest an Charakterbeschreibungstiefe bot, aber da dieses Brettspielprojekt ja zur Einführung ins Rollenspiel taugen sollte, ist dies auch notwendig.
GANZ WICHTIG dabei ist, dass die Charaktere sich von Szenario zu Szenario auch verbessern sollten! Wie in einem Rollenspiel eben.
Die Grundbox sollte dabei die (kurzen) Spielregeln enhalten, sowie die ersten paar Bodenpläne/Spielbrettelemente, Figuren, Würfel, und ein paar Abenteuer (4-8 vielleicht).
Das ganze sollte so konzipiert sein, dass die Box preislich zwischen 20 und 30 Euro liegen würde. Deutlich günstiger also als das Descent Brettspiel. Die Monstertypen und -Figuren könnten dabei ja durchaus in der Vielfalt besschränkt sein, beispielsweise erstmal nur Goblins, Orks, und Trolle oder so.
Dann sollte es eine Reihe von kleinen Erweiterungen geben. Diese Erweiterungen sollten - je zum Hintergrund passend - neue Heldentypen, Monster, und Bodenpläne, sowei andere jeweils zum System passende Spielelemente enthalten. Jede Erweiterung sollte dann mit 1-5 neuen Szenarios daherkommen. Im Grunde sind dies die "Abenteuerbücher", bzw. (Mini-) "Kampagnen" zum Brettspiel. Preislich sollten die Erweiterungen zwischen 10 und 20 Euro kosten.
Wichtig ist, dass sowohl im Grundspiel, als auch in jeder Erweiterung eine Referenz zur Rollenspielreihe zu finden ist.
So könnte beispielsweise eine Karte zeigen, wo auf der Fantasywelt diese Szenarios spielen.
Außerdem könnte am Ende der Erweiterung erwähnt werden, dass man noch weit mehr als dies mit dem Rollenspiel erleben kann.
Sagen wir, die Erweiterung spielt an der Grenze zwischen zwei Königreichen, dessen (religiöse) Kämpferorden sich spinnefeind sind und regelmäßig bekämpfen. Die Brettspielerweiterung liefert einfach nur ein Abenteuer, wo sich beispielsweise die Helden durch ein Höhlensystem schlagen, um einen Priester oder wichtigen Verbündeten eines der Orden aus den Klauen der Kultisten des anderen Ordens zu befreien. Am Ende wird dann eine Botschaft vermittelt wie: "Erbitterte Schlachten, tödliche Intrigen, waghalsige Abenteuer. Kriegerische Zeiten können Ruhm & Reichtum bringen - oder ein namenloses Grab. Erlebe dies und mehr in unserem Rollenspiel."
Na ja... bin kein Werbesloganschreiber, aber ich denke es ist klar, was ich meine.
Ich hörte etwas von einem neuen "Quest" Brettspiel von Pegasus, habe aber noch keine Ahnung, ob dies in die oben geschilderte Richtung geht, geschweige denn den Zweck der RPG-Bewerbungverfolgt.
Ansonsten denkt mal an die Brettspiele "Zombies!!!" und "MidEvil" von Twilight Creations. Die liegen Preislich in dem oben geschilderetn Bereich und liefern Materialtechnisch in etwa das Geschilderte.
Wenn man ein solches Brettspiel entsprechend aufmacht, und nicht zu gewaltverherrlichend darstellt, kann dies auch wunderbar bei Karstadt, Hertie, Toys'r'Us und Konsorten platziert werden - wodurch ein weitaus größeres Kundenpotential addressiert wird.
Ein witerer Ansatz wäre Brett- und Kartenspiele im weiteren Sinne und mit nicht ganz so enger Anbindung und Themenverwandheit wie das oben geschilderte Abenteuerbrettspiel.
Strategiebrettspiele für jene, die diese Art von Spiel mögen.
Und familientaugliche Brettspiele für jene, die dies mögen. Das können Aufbauspiele wie Monopoly und Siedler, oder Detektivspiele wie Cluedo sein.
In diesem Fall wird einfach der Hintergrund des Spiels dem Hintergrund der Fantasywelt entnommen.
Am Artverwandtesten sind da sicherlich noch die Strategiebrettspiele, aber hier geht es ja nur um einen losen Zusammenhang, den man aber auch problemlos bewerben kann.
Generell trifft dies auf alle genannten Produktarten zu.
Eine weitere Herangehendsweise überkam mich, als ich vor etwas mehr als einem Jahr nach England zog, und dort mein ersten Murder Mystery Dinner Game erlebte.
Wie artverwandt diese Spiele zum Rollenspiel sind, und wie leicht sich da ein Bezug herstellen ließe, muss ich wohl nicht noch erwähnen.
Was alle diese Herangehendsweisen bieten, ist ein größeres Publikum, das man mit seinen Produkten anvisieren kann, und dabei das "Nieschenspiel" P&P RPG dennoch einer größeren Spielergemeinde näherbringen kann.
Dabei müssen die P&P Verlage diese Arbeit ja keineswegs allein stemmen. Entsprechende Zusammenarbeit mit den entsprechenden Verlagen liegt da nahe...
Was haltet ihr davon? Egal ob Verlag oder Spieler.
Vielleicht bin ich ja fernab der Realität mit diesen Ideen.
Vielleicht kann das aber auch prächtig funktionieren.
Und wenn es funktionieren kann, freue ich mich schon sehr auf neue spannende Produkte.
Ein Abenteuerbrettspiel und ein Strategiebrettspiel habe ich selbst schon in der Mache. Das aber auch schon eine Weile. ;-)
Sollte sich also jemand überlegen, den Versuch zu starten, diese Ideen in Gold zu verwandeln, freue ich mich den Anstoss gegeben zu haben. Und wenn man mich dann dabei bedenkt (ich liiiieeebe Rezensionsexemplare!), umso besser. ;-)
Oh, und auch den Dirk nicht vergessen, bitteschön! Wenn man also "uns" bedenkt, wäre dies schön. ;-)
Doch genug meiner hochgestochenen Phantasien von Bedeutung, Ruhm, Anerkennung, und Lohn... ;-)
Eure Meinung bitte!
Grüße aus England,
Timo
das Thema ist ja durchaus schon ein alter Hut. Ich habe mal geschaut, ob ich ein entsprechendes Thema hier entdecken kann. Bei Seite 12 habe ich aufgegeben. Muss wohl schon lange her sein, dass man sich darüber unterhalten hat. Da dachte ich mir, dass es ja eigentlich nicht schaden kann, wenn ich mal eine neue Diskussion lostrete.
Es wird ja immer wieder darüber gemunkelt. Rollenspiele sterben aus. Es gibt keinen Nachwuchs, und die alten sterben aus, bzw. wandern einfach ab.
Ist Rollenspiel einfach nicht mehr zeitgemäß?
Zum einen scheint ja das Thema Fantasy immer salonfähiger zu werden. Filme wie die der "Der Herr der Ringe" Trilogie machen die Thematik kuschelfreundlich für die Massen. Selbst Analphabeten, die niemals das Buch gelesen haben können, haben nun schon was vom Herrn der Ringe gehört und können was damit anfangen. Fantasy ist, wo Zwerge Sprinter und Elfen Superhelden sind, und wo der Typ mit den schmutzigen Fingernägeln, dem unrasierten Gesicht, und der ewig nicht gewechselten Kleidung gleich zwei heiße Schnitten zu Füßen liegen hat. Fett.
Den von so manchem enthusiastischen Spielerherz vorausgesagten Boom in der Rollenspielerszene hat es jedoch trotzdem nicht gegeben. Zumindest nicht im klassischen Bereich des Rollenspiels, den man mittlerweile auch hierzulande (wie schon vor Ewigkeiten in Japan) extra mit Zusatzattributen versieht. Man spricht nun vom P&P RPG, Pen & Paper RolePlaying Game. Einfach, um es von der weitaus präsenteren Thematik des Computer Rollenspiels abzugrenzen.
Mittlerweile wissen sehr sehr viele Leute, was Rollenspiel ist. Computerspiele! Und mehr und mehr kommen davon auf den Markt. Mehr und mehr Spieler tummeln sich dort in fantastischen Welten, vorzugsweise in sogenannten MMORPGs wie beispielsweise "World of Warcraft". Aber auch Adaptionen alter Romanklassiker kommen daher. Endlich darf man auch durch Conans Lande streifen und zeigen, dass man mehr drauf hat als Arnie seinerzeit. Endlich kann man den schmutzigen "Babe-Magnet" aus dem Herrn der Ringe selber spielen!
Möglicherweise haben ja wirklich die vielen neuen Filme etwas damit zu tun, dass nun mehr Rollenspiel gespielt wird. Mal davon abgesehen, dass der phänomenale Erfolg des einen Spiels natürlich Nachahmer auf den Plan ruft. Der Markt explodiert, und während sich die großen der Branche die Ladenregale teilen, wuseln die kleinen im Internet herum und locken mit kostenlosen Grundspielen.
Und die riesengroße Kuschel-Familie der Rollenspieler freut sich und findet nun überall Mitglieder und Gesprächsthematik. Denn Rollenspieler gibt es nun wie Sand am Meer.
Schade nur, dass das P&P Rollenspiel nun zwar um ein bezeichnendes Attribut reicher ist, aber ansonsten die großartige Entwicklung verpasst hat.
Ist dies die Schuld der Verlage, die gepennt haben?
Oder ist P&P RPG einfach zu altbacken?
Warum finden so viele neue Spieler zum heiligen Gral des Rollenspiels, das nun in aller Munde ist? (Also NICHT P&P.)
Ich wage ja zu behaupten, dass ihnen einfach der Zugang zur Thematik angenehm einfach gemacht wird.
RPGs findet man überall dort, wo man sowieso gern einkaufen geht.
RPGs zeigen dir schon auf der Schachtel, was da geiles abgeht.
RPGs sehen gut aus, man ist mittendrin.
RPGs spielt man "out of the box" - auspacken & starten!
RPGs bieten viele Stunden Spielspaß, und hin und wieder kauft man sich mal eine Erweiterung, um noch mehr Spielspaß zu genießen.
RPGs lernst du beim Spielen zu spielen.
RPGs haben die "Motivationsspritze" schon eingebaut! - Man wird stetig und sichtbar immer geiler und mächtiger!
RPGs überhäufen dich mit Reichtümern und mächtigen Artefakten! Und wenn du es nicht findest, kaufst du es dir einfach!
RPGs laufen "real time", d.h. du bist die ganze Zeit voll in der Action dabei! Kein langwieriges Warten auf den eigenen Spielzug!
RPGs liefern dir gewaltige Schlachten, die du mit 39 Waffenbrüdern gegen die Horden des Bösen bestreitest! In einer guten Stunde hast du die Massenschlacht abgehandelt!
RPGs sind einfach Instant-Spielspaß, ohne langwierige Vorbereitungen!
Schade nur, dass mit alledem nicht P&P RPGs gemeint sind...
P&P muss man erstmal finden. Du bekommst es in "Geheimtip-Läden", die keiner kennt, und wo sich mitunter Leute herumtreiben, die du nicht kennen möchtest.
P&P muss man erstmal eingehend betrachten und durchlesen, um zu wissen, was abgeht.
P&P sind unscheinbar. Es sind Bücher. Man steckt mitten in der Textflut (na gut, einige haben schöne Illustrationen).
P&P muss studiert und gelehrt werden. Man muss erstmal Mitspieler finden.
P&P benötigt einige Erweiterungen, um die volle Bandbreite des Spiels zu eröffnen. Noch mehr Text.
P&P lernt man in Stunden des Lesens, bevor man spielen kann.
P&P hängt von der Willkür des Spielleiters ab - der ein Mitspieler ist.
P&P liefert dir phantastische Gefechte - in denen du minutenlang auf deinen Zug wartest.
P&P ist mit 5 Leuten gut spielbar. Je mehr es werden, desto unspielbarer wird es. Mal abgesehen von der Enge am Spieltisch.
P&P muss vom Spielleiter vorbereitet werden. Je nach dessen Erfahrungsgrad saugt er es sich spontan aus den Fingern (mit unterschiedlichem Erfolg), oder er sitzt stundenlang an Notizen, Karten und Spielwerten.
Ok, ok, der Vergleich mag manchem Leser vielleicht etwas übertrieben vorkommen, aber im Grunde ist es doch so - unabhängig davon, wieviel Spaß jeder Punkt der Auflistung dem Einzelnen bereiten mag.
Im Grunde geht es doch nur um folgende Aussage:
Der Einstieg ins P&P RPG ist schwer.
Der Einstieg ins (Computer) RPG kinderleicht.
Haben da die Verlage der P&P RPGs gepennt?
Klar, dicke Regelwerke liegen in der Natur der Sache beim anspruchsvollen Rollenspiel. Es müssen ja die ganzen Regeln und Hintergrundinformationen präsentiert werden.
Im Grunde steckt nicht weniger als das auch in den Computerspielen. Aber da ist es versteckt, und die Arbeit wird vom Computer gemacht (bzw. wurde zuvor von anderen erledigt).
Welche Möglichkeiten (mal abgesehen von der Mundpropaganda zufriedener Kunden) hat also ein Verlag, seine Rollenspielreihe mundgerecht zu servieren? Wie flöst er die trockene Kost der Einarbeitung in saftigen Häppchen ein?
Mein alter Kollege und Kumpel Dirk Remmecke und ich haben uns da mal drüber unterhalten.
Dies liegt mittlerweile schon eine ganze Weile zurück.
Wir haben beide einmal für die Branche gearbeitet. Ich bin momentan ganz raus, und er nimmt im Grunde noch eine gewisse Schnittmenge mit.
Ein entsprechendes Topic im HârnForum brachte mich dazu, dort noch einmal unsere Gedanken von damals aufzurollen. Und als ich dies dort vollbracht hatte, dachte ich, ich könnte des Stein eigentlich auch hier mal ins Rollen bringen...
Hier also unsere Ideen von damals.
Da ich ja oben bereits den Vergleich MMORPGs - P&P RPGs angeführt habe, denke ich, man könnte vielleicht erstmal hier ansetzen.
Eine unserer Ideen war es, MMORPGs und P&P RPGs zu kombinieren.
Damit meine ich jetzt mehr als die Lizenz der P&P Reihe an einen Computerspielehersteller zu verkaufen - oder umgekehrt.
Was ich meine, ist beide Produktlinien wirklich zu kombinieren.
Witzigerweise geschah einige Zeit später genau das mit einer Sammelkartenspielreihe. Zu WoW wurde ein CCG entwickelt, und Käufer des CCGs konnten dort enthaltene Codes für das MMORPG nutzen, um dort besondere Ausrüstung freizuschalten.
Im Grunde ging unsere Idee in die gleiche Richtung.
Zunächst einmal bewerben sich natürlich beide Produktreihen gegenseitig (und seihen es nur Flyer in den Spieleschachteln).
Darüber hinaus sollten Spieler, die P&P Abenteuer durchspielen (oder zumindest kaufen) durch diese auch Codes bekommen, die sie im MMORPG nutzen können.
Mit diesen Codes werden dann beispielsweise besondere Ausrüstungsgegenstände freigeschaltet (wie bei dem oben beschriebenen CCG), oder beispielsweise Einfluss in bestimmten Gegenden des MMORPGs generiert. Gilden könnten plötzlich mehr/neue Questen vergeben; Händler könnten ihre Ware vergünstigt anbieten; oder NSCs könnten sich dem Gefolge des Spielers anschließen.
(Ich habe nie das Everquest oder WoW P&P RPG gespielt, kann also nicht aus erster Hand sagen, ob dort so etwas geschieht oder nicht - so weit ich weiß jedoch nicht.)
Damit diese Kombination für beide Seiten sinnvoll ist, müsste natürlich auch MMORPG Seite unterstützt werden. Klar, wenn ein P&P Spieler andauernd am Ende eines Abentuers erfährt, dass er nun dank diesen Abenteuers im MMORPG Vorteile hätte, überlegt er sich das vielleicht auch mal, bei dem MMORPG einzusteigen.
Eine andere Möglichkeit wäre es, in regelmäßigen Abständen im MMORPG Questen bereitzustellen, mit deren Lösung man (dank seiner persönlichen Registrierung) einen persönlichen Rabattcoupon ausgestellt bekommt, mit dem man beim Verlag des P&P Rollenspiels ordern kann. Um da heran zu kommen, muss man also das MMORPG besitzen... und wenn man regelmäßig spielt, bekommt man auch regelmäßig Rabatt.
Beide Seiten liefern Vorteile für die andere, ohne dass dies mit Mehrkosten verbunden wäre - abgesehen von der Codegenerierung.
Eine andere Herangehensweise, an die wir dachten, war für mich persönlich ein wenig wie ein Schritt zurück in die Vergangenheit.
Im Grunde ist dieser Ansatz übrigens auch mit dem obigen kombinierbar.
Für mich war das Brettspiel "HeroQuest" der Anfang aller (Fantasy-) Dinge.
Ich hatte schon mit einem anderen Kumpel einige Zeit zuvor bemängelt, dass es eigentlich mal wieder ein Brettspiel wie Hero Quest geben müsste. Zwischenzeitlich gab es mal das "Diablo" Brettspiel, aber das war es auch schon.
Dann erschien "Descent" von FFG. Endlich wieder ein Dungeon Crawl Brettspiel!
Allerdings ist dieses von der Komplexität und Spieldauer weit umfangreicher als es HeroQuest seinerzeit war.
Dann erschien noch das D&D Brettspiel, über das ich aber zu wenig weiß, um fundiert darüber urteilen zu können, inwiefern es als Einführung ins Rollenspiel, bzw. als Bewerbung selbigens, herhalten könnte.
Wie auch immer.
Die Idee war, das Regelwerk eines Fantasy Rollenspiels derartig herunterzukürzen, dass es als Brettspielregelwerk taugt.
4-6 Heldentypen (mehr in Erweiterungen), 4-5 Attribute, 10-20 Fertigkeiten, ebensoviele Zauber, sowei ein paar Rüstungen und Waffen, und fertig ist der Lack. Sicherlich einiges mehr als HeroQuest an Charakterbeschreibungstiefe bot, aber da dieses Brettspielprojekt ja zur Einführung ins Rollenspiel taugen sollte, ist dies auch notwendig.
GANZ WICHTIG dabei ist, dass die Charaktere sich von Szenario zu Szenario auch verbessern sollten! Wie in einem Rollenspiel eben.
Die Grundbox sollte dabei die (kurzen) Spielregeln enhalten, sowie die ersten paar Bodenpläne/Spielbrettelemente, Figuren, Würfel, und ein paar Abenteuer (4-8 vielleicht).
Das ganze sollte so konzipiert sein, dass die Box preislich zwischen 20 und 30 Euro liegen würde. Deutlich günstiger also als das Descent Brettspiel. Die Monstertypen und -Figuren könnten dabei ja durchaus in der Vielfalt besschränkt sein, beispielsweise erstmal nur Goblins, Orks, und Trolle oder so.
Dann sollte es eine Reihe von kleinen Erweiterungen geben. Diese Erweiterungen sollten - je zum Hintergrund passend - neue Heldentypen, Monster, und Bodenpläne, sowei andere jeweils zum System passende Spielelemente enthalten. Jede Erweiterung sollte dann mit 1-5 neuen Szenarios daherkommen. Im Grunde sind dies die "Abenteuerbücher", bzw. (Mini-) "Kampagnen" zum Brettspiel. Preislich sollten die Erweiterungen zwischen 10 und 20 Euro kosten.
Wichtig ist, dass sowohl im Grundspiel, als auch in jeder Erweiterung eine Referenz zur Rollenspielreihe zu finden ist.
So könnte beispielsweise eine Karte zeigen, wo auf der Fantasywelt diese Szenarios spielen.
Außerdem könnte am Ende der Erweiterung erwähnt werden, dass man noch weit mehr als dies mit dem Rollenspiel erleben kann.
Sagen wir, die Erweiterung spielt an der Grenze zwischen zwei Königreichen, dessen (religiöse) Kämpferorden sich spinnefeind sind und regelmäßig bekämpfen. Die Brettspielerweiterung liefert einfach nur ein Abenteuer, wo sich beispielsweise die Helden durch ein Höhlensystem schlagen, um einen Priester oder wichtigen Verbündeten eines der Orden aus den Klauen der Kultisten des anderen Ordens zu befreien. Am Ende wird dann eine Botschaft vermittelt wie: "Erbitterte Schlachten, tödliche Intrigen, waghalsige Abenteuer. Kriegerische Zeiten können Ruhm & Reichtum bringen - oder ein namenloses Grab. Erlebe dies und mehr in unserem Rollenspiel."
Na ja... bin kein Werbesloganschreiber, aber ich denke es ist klar, was ich meine.
Ich hörte etwas von einem neuen "Quest" Brettspiel von Pegasus, habe aber noch keine Ahnung, ob dies in die oben geschilderte Richtung geht, geschweige denn den Zweck der RPG-Bewerbungverfolgt.
Ansonsten denkt mal an die Brettspiele "Zombies!!!" und "MidEvil" von Twilight Creations. Die liegen Preislich in dem oben geschilderetn Bereich und liefern Materialtechnisch in etwa das Geschilderte.
Wenn man ein solches Brettspiel entsprechend aufmacht, und nicht zu gewaltverherrlichend darstellt, kann dies auch wunderbar bei Karstadt, Hertie, Toys'r'Us und Konsorten platziert werden - wodurch ein weitaus größeres Kundenpotential addressiert wird.
Ein witerer Ansatz wäre Brett- und Kartenspiele im weiteren Sinne und mit nicht ganz so enger Anbindung und Themenverwandheit wie das oben geschilderte Abenteuerbrettspiel.
Strategiebrettspiele für jene, die diese Art von Spiel mögen.
Und familientaugliche Brettspiele für jene, die dies mögen. Das können Aufbauspiele wie Monopoly und Siedler, oder Detektivspiele wie Cluedo sein.
In diesem Fall wird einfach der Hintergrund des Spiels dem Hintergrund der Fantasywelt entnommen.
Am Artverwandtesten sind da sicherlich noch die Strategiebrettspiele, aber hier geht es ja nur um einen losen Zusammenhang, den man aber auch problemlos bewerben kann.
Generell trifft dies auf alle genannten Produktarten zu.
Eine weitere Herangehendsweise überkam mich, als ich vor etwas mehr als einem Jahr nach England zog, und dort mein ersten Murder Mystery Dinner Game erlebte.
Wie artverwandt diese Spiele zum Rollenspiel sind, und wie leicht sich da ein Bezug herstellen ließe, muss ich wohl nicht noch erwähnen.
Was alle diese Herangehendsweisen bieten, ist ein größeres Publikum, das man mit seinen Produkten anvisieren kann, und dabei das "Nieschenspiel" P&P RPG dennoch einer größeren Spielergemeinde näherbringen kann.
Dabei müssen die P&P Verlage diese Arbeit ja keineswegs allein stemmen. Entsprechende Zusammenarbeit mit den entsprechenden Verlagen liegt da nahe...
Was haltet ihr davon? Egal ob Verlag oder Spieler.
Vielleicht bin ich ja fernab der Realität mit diesen Ideen.
Vielleicht kann das aber auch prächtig funktionieren.
Und wenn es funktionieren kann, freue ich mich schon sehr auf neue spannende Produkte.
Ein Abenteuerbrettspiel und ein Strategiebrettspiel habe ich selbst schon in der Mache. Das aber auch schon eine Weile. ;-)
Sollte sich also jemand überlegen, den Versuch zu starten, diese Ideen in Gold zu verwandeln, freue ich mich den Anstoss gegeben zu haben. Und wenn man mich dann dabei bedenkt (ich liiiieeebe Rezensionsexemplare!), umso besser. ;-)
Oh, und auch den Dirk nicht vergessen, bitteschön! Wenn man also "uns" bedenkt, wäre dies schön. ;-)
Doch genug meiner hochgestochenen Phantasien von Bedeutung, Ruhm, Anerkennung, und Lohn... ;-)
Eure Meinung bitte!
Grüße aus England,
Timo