AW: Hard SF ohne Hard Rulesset?
ist mir aufgefallen das alle "Hard SF"-RPGs, wie zB. Traveller oder Spacemaster, auch immer gleich ein Regelwerk verwendet wird, das mich unangenehm an die Doktorarbeit in Maschinenbau erinnert,
Was ist für Dich "Hard-Sci-Fi"?
Für mich beinhaltet "Hard-Sci-Fi" einen gewissen Anspruch an Realismus der Darstellungen, keine mystisch verklärte Techno-"magie", sondern das Fußen auf rationalem Fortdenken aufgrund der Annahmen, die für das Setting in puncto technologischer UND GESELLSCHAFTLICHER! Richtung getroffen wurden.
Dies ist für mich Hard-Sci-Fi.
Und solch eine Hard-Sci-Fi benötigt zunächst einmal ein Regelsystem, welches dieser "eingebauten" Rationalität Rechnung trägt.
Meine Fragen an euch - ist es sinnvoll, ein "Hard-SF" setting für ein Rollenspiel zu entwickeln, das nicht gleich erschlagend ist?
Es ist sinnvoll. Das beste Beispiel, das mir aus langjähriger Spielpraxis bekannt ist, ist TRAVELLER. Einfache Regelmechanismen, klarer Fokus auf nicht-übernatürliche Eigenschaften, klarer Bezug zu aktuellen technologischen und wissenschaftlichen Grundlagen (wenn auch man die Extrapolation aufgrund des Kenntnisstandes der 1980er Jahre heute vielleicht etwas seltsam finden mag - vor allem die containergroßen Bordrechner *lach*).
Wie immer: Kommt drauf an was das Spiel leisten soll.
Ein Rollenspiel, welches sich der geforderten Rationalität eines Hard-Sci-Fi-Settings annimmt, legt ja nicht gleich den Spielstil fest.
So ist z.B. CSI:<insert name here> ein Hard-Sci-Fi-Hintergrund, der aber in typischer Fernsehserienform präsentiert wird. Somit cinematische Darstellungen von Hard-Sci-Fi-Problemstellungen und -lösungen.
Rollerball, der Film mit James Caan, nicht die miese Remake-Fassung, ist Hard-Sci-Fi-Sport-Action. Sehr realistisch, sehr actionreich. Beides geht dort gut zusammen.
Hard-Sci-Fi heißt nicht, daß nun zwingend langatmiges Herumsimulieren durchgespielt werden muß. Hard-Sci-Fi geht mit einem explorativen Ansatz (Hal Clement's "Mission Gravity" z.B.) oder als Agentengeschichte (ALLE James Bond Filme, Derek Flint, aber auch Dominik Flandry, wobei letzterer grenzwertig zu Space Opera ist).
Ich sehe Hard-Sci-Fi als eine zum Spielstil, der vom Regelsystem unterstützt wird, orthogonale Eigenschaft.
Ich persönlich bin aber kein Fan von Maschinenbau-Simulation...
Ich auch nicht. ABER: spielt man das Konstruieren mit ggf. umfangreichen Berechnungen IN DER GRUPPE aus?
Bei GURPS und Traveller ist das nicht üblich. Da berechnet der Spielleiter seine Sonnensysteme, da konstruiert der Spielleiter den nächsten Sternenzerstörer oder das nächste Speederbike.
Beim Gruppenspiel tritt nur das Endergebnis in Erscheinung.
Somit sind solche Konstruktionssysteme eigentlich "Spiele im Spiel", die für die "offline"-Zeit immer noch eine Beschäftigung mit dem Spiel, der Spielwelt, dem technischen Hintergrund erlauben, ohne gleich eine Handlung vorantreiben zu müssen.
Haben wir das gleiche Traveller?
Meines hat einen(!) grundlegenden Abwicklungsmechanismus für alles (nicht schlecht, wenn man das Baujahr bedenkt), und bis auf einmal Wurzelziehen bei der Flugzeitberechnung (die man ziemlich Problemlos übergehen kann) keine wirklich komplizierten mathematischen Formeln, die über die 4 Grundrechenarten hinausgehen.
Genau. Mein Traveller - vor allem die Little Black Books, aber auch spätere Inkarnationen - zeichnet sich durch KLARE, EINFACHE Regelmechanismen für ALLES aus.
Es ist eigentlich sogar ein Minimalsystem.
Und eines mit sehr "uncinematischem" und gleichzeitig "nichtsimulationsorientiertem" Kampfsystem, wenn man die Range Bands für den Personenkampf anschaut oder das Raumkampfsystem nach High Guard für große Flotten. - Alles sehr abstrakt und einfach.
Von daher: Nein. Hart =/= Kompliziert.
Genau.
Man kann auch überkandidelte Sci-Fi-Settings, die ALLES ANDERE als Hard-Sci-Fi sind, enorm "verregeln". So geschehen mit dem Perry Rhodan Rollenspiel, welches die Pulp-Qualitäten, das "In-groben-Strichen-Malen" der Heftchenromane völlig ignoriert hat und ein Regel-Crunch-Monster diesem schönen lockeren, größenwahnsinnigen Setting übergestülpt hat, welches sich nachgerade als Zwangsjacke erweist.
Hard-Sci-Fi kann man mit einer Fülle an unterschiedlichen Regelsystemen und auf eine Fülle an unterschiedlichen Spielstilen spielen.