Rezension [Team-Rezi] Abney Park's "Airship Pirates"

Caninus

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Abney Park’s “Airship Pirates“



[Team-Rezi] von Durro-Dhun


Ein Rollenspiel basierend auf den Songs einer Band? Nun… zumindest mal was neues (glaube ich jedenfalls). Ich muss sogar gestehen, dass ich Abney Park bis zum Kauf dieses Buches gar nicht kannte (was sich dann aber recht schnell geändert hat). Auf den ersten Blick interessant genug hat Airship Pirates auf mich jedenfalls bereits seit der Ankündigung hier im Forum gewirkt. Grund genug also, sich das Spiel ein wenig genauer anzusehen!

Die Story:

Wir schreiben das Jahr 2150 und die Erde ist von Wildnis überwuchert, in der sich menschenfressende Säbelzahnkatzen und riesige Höhlenlöwen tummeln. Die großen Weltkriege fanden nie statt. Die Menschheit hat sich unter der Führung eines globalen Herrschers in ein totalitäres Weltbild – den Neovictorianismus – gefügt und lebt in überbevölkerten Industriestädten mit Steam- und Clockworkpunk Technik. Es gibt auch noch freie Menschen, die nichts mit dem System an und für sich zu tun haben: Neobeduins ziehen in abenteuerlichen Karawanen aus diversen Nutztieren und Steampunk-Fahrzeugen durch die Wildnis, Misbegotten stellen seltene, mutierte Menschenwesen mit unnatürlichen Veränderungen an sich dar, Automatons sind Uhrwerk-betriebene Roboter in quasi-Menschengestalt und das sogenannte Skyfolk hat sich gar in fliegenden Städten in den Himmel geflüchtet um seine Freiheit zu bewahren. Und die ist in diesen Tagen schwer zu erhalten: Wer sich dem System nicht beugt, wird in sogenannten Change-Cages so lange psychisch und narkotisch behandelt, bis er wieder ins Gesamtbild der Gesellschaft passt – oder krepiert. Dabei ist vielleicht noch anzumerken, dass es weltweit nur noch drei große Städte unter der Führung der Neovictorianer gibt: Desolation City in der Nähe der Sierra Nevada, Everglade in Florida und Old Borealis in den Pinienwäldern Kanadas. Wobei „weltweit“ hier typisch amerikanisch „Nordamerika“ heißt. Vom Rest der Welt wird im Grundregelwerk nicht viel beschrieben – was aber nicht stört, im Gegenteil: Es gibt genau die „weißen Flecken“ auf der Landkarte, die man für ein Piraten-Spiel mMn braucht. Doch ich greife vor, denn ich erzähle von Piraten, bevor ich überhaupt erklärt habe, wieso es diese gibt: Die Free Cities, die fliegenden Städte des Skyfolk, haben sich alle unterschiedlich entwickelt, doch es gibt eines, das ihnen allen gemein ist: Das Streben nach und das Wahren ihrer Freiheit. Zwischen diesen Städten untereinander und auch mit den drei Neovictorian Cities hat sich ein gewisser Handel entwickelt – und eine blühende Piratenindustrie. Beachtenswert ist dabei, dass das Fortbewegungsmittel der Wahl dabei das Luftschiff darstellt, und damit meine ich im wahrsten Sinne des Wortes ein SCHIFF, das an einen Zeppelin gehängt wird, mit Propeller und Kanonen ausgestattet ist, und durch die Gegend schippert. Und Piraterie ist und bleibt nun mal ein einträgliches Geschäft, denn die verhasste Imperial Air Navy (IAN) des Neovictorianischen Reiches kann mit ihren riesigen Kampf-Fregatten nicht überall sein. Und genau deswegen blüht dieses Gewerbe zur Zeit von Airship Pirates geradezu auf: Kleine Luftschiffe mit Crews, die sich oft als Schauspieler, Prostituierte, Musiker oder Händler tarnen betreiben ein reges Gewerbe. Sei es nun Schmuggel von Gütern und Personen, das Ausspionieren bestimmter Tätigkeiten, das Planen von Überfällen auf andere Luftschiffe oder schlicht und ergreifend der Abenteuerdrang, der sie hinaus zieht. Sie sind die Airhip Pirates!
"With a crew of drunken pirates, we’re the only Airship Pirates!
We’re full of hot air and we’re starting to rise,
We’re terror of the skies, but a danger to our selves."

Abney Park – “Airship Pirate"



Optik und Aufbau des Buches:

Ich hatte mich beim Kauf für die Hardcover-Version des Buches entschieden (was soviel heißt wie: „nicht für das pdf“). Sie liegt im ‚amerikanischen Format‘ von *Metermaßzück* 22cm x 28cm vor, das Titelbild zieren zwei Luftschiffe, die sich in einem Feuergefecht befinden, eines davon unter dem Jolly Roger (der Piratenflagge). Im Hintergrund des sturmdurchtosten, umwölkten Himmels treibt eine free city an ihren Helium-Ballons. Im Inneren ist das Buch durchgängig farbig gestaltet, der Text ist zweispaltig angereiht. Die Illustrationen sind eine Mischung aus farbigen Bildern und schwarz-weiß Skizzen, sie passen aber meiner Meinung nach hervorragend zum Setting und vermitteln eine atmosphärische Stimmung. Die Papierqualität überzeugt auch: angenehm dünn, aber trotzdem griffig und stabil. Die Bindung zeigt keinerlei Schwächen.
Das 295 Seiten starke Buch untergliedert sich in zwölf Kapitel, ein separates Abenteuer und einen Anhang. Die ersten sechs Kapitel widmen sich dabei den Regeln. Es wird kurz aber prägnant auf die Charaktererstellung eingegangen, anschließend werden Skills und das Kampfsystem vorgestellt. Weiter werden diverse Vehikel, Luftschiffe und Bestien vorgestellt. Auch ein eigenes Ausrüstungskapitel findet auf etwa 14 Seiten Platz. Auf weiteren 70 Seiten ist die alternative Geschichte von Airship Pirates sowie der daraus resultierenden Geographie und der sich entwickelnden Kulturen beschrieben. Den Rest des Buches bilden die Gamemaster-Sektion,das durchaus spielbare Einstiegsabenteuer „The Tribulations of Scabby Jack“ und diverse Anhänge wie Karten, Deckspläne von Luftschiffen, eine Übersicht der beitragenden Künstler und der obligatorische Charakterbogen.

Der Index ist leider etwas kurz geworden, aber immerhin enthalten.

System:

Airship Pirates verwendet die Heresy Engine als Spielsystem, die auch in der zweiten Auflage des Rollenspiels „Victoriana“ von Cubicle7 zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich ähnlich wie bei Shadowrun 4 um ein D6 basiertes Pool-System: Attribut + Skill legen den Würfelpool fest, 1er und 6er zählen als Erfolge, je mehr Erfolge, umso toller lief eine Aktion. Die Attribute der Charaktere können dabei von -3 (jämmerlich schlecht) bis 9 reichen. Allerdings verfügt das System über eine sehr interessante Eigenheit: Es gibt keine Würfelabzüge. Denn anstatt wie bei vielen anderen Poolsystemen (z.B. im oben genannte SR4 oder auch im STS der nWoD) werden Erschwernisse nicht durch Würfelpoolabzüge modelliert, sondern durch das zusätzliche Hinzufügen von sogenannten „black dice“ zum Würfelpool. Jeder mit diesen black dice erzielte Erfolg (wieder: 1er und 6er) negiert einen regulären Erfolg. Statistisch betrachtet ist das System damit etwas ausgeglichener und bringt weniger krasse Ergebnisse – es ist und bleibt aber weiterhin Statistik, sehr unerwartete oder unwahrscheinlich Ereignisse können also immer noch als Ausreißer auftreten. Da die Würfelpools in der Regel etwas kleiner sind als beispielsweise bei Shadowrun, arten die zusätzlichen black dice auch nicht in Würfelorgien aus. Eine weitere Eigenart des Systems sind die sogenannten Fate-Points und Scripting Dice. Jeder Char erhält bei der Erschaffung 8 Fate-Punkte. Diese Punkte sind eine Metagaming-Währung, die die Spieler für bestimmte Vorteile ausgeben können. Fate-Punkte können demnach verwendet werden, um sich größere Würfelpools zu beschaffen, erlittenen Schaden zu reduzieren oder permanente Verletzungen zu verhindern. Jeweils 6 Fate-Punkte ergeben die sogenannten Scripting Dice. Der Einsatz dieser entspricht ingame dann schon eher einem kleinen Wunder. Charaktere können damit quasi zurück ins Leben geholt oder ganze Würfe widerholt werden. Im Regelwerk ist allerdings angegeben, dass der Einsatz dieser Würfel immer ausführlich mit dem SL abzuklären ist, letztendlich seiner Entscheidung unterliegen und nur gültig sind, wenn sie ingame ordentlich beschrieben werden können. Nunja… Geschmackssache ;)

Das System funktioniert meiner Meinung nach insgesamt aber flott und zügig, wer die genannten Vergleichssysteme gewohnt ist, dürfte keine Schwierigkeiten haben, sich einzufinden bzw. umzustellen. Sogar Luftschiffkämpfe gehen einigermaßen flott von der Hand, auch wenn dann bezüglich dem Schaden von Breitseiten schon mal von 100W6 gesprochen wird – allerdings lässt sich das anhand einer mitgelieferten Tabelle auch recht schnell umrechnen. Einzig größerer Schwachpunkt ist meiner Meinung nach das Fehlen vernünftiger Magie-Regeln, sollten Spieler auch magisch begabte Charaktere darstellen wollen – welche allerdings vom Setting her gar nicht erst vorgesehen sind. Wer es trotzdem nicht lassen kann und unbedingt in SEINE Steampunk-Welt von Airship Pirates Magie integrieren möchte, der kann sich hier jedoch Abhilfe schaffen und zum oben genannten Victoriana (2nd Ed.) Regelwerk greifen – das enthält dann auch Regeln für Magie und magische Charaktere, die noch dazu voll kompatibel zu Airship Pirates sind.



Fazit:Airship Pirates war für mich persönlich eines der Highlights 2011. Es hatte mich sofort angesprochen, die Mischung aus Freiheit, Abenteuerdrang, Verwegenheit, unbekanntem weiten Land und verrücktem Steampunkt hat einfach was! Das Regelwerk zeigt keine bedeutenden Schwächen und kann leicht mit Einzelheiten aus ähnlichen Systemen gehausregelt werden (wobei ich persönlich eher die Ini-Regeln von AP in SR übernommen habe), außerdem bietet sich die Möglichkeit, die bestehenden Möglichkeiten mit Hilfe des Victoriana-Regelwerkes um Beispielsweise Magieanwendung zu erweitern.

Ein wenig gewöhnungsbedürftig halte ich die gummipunkt-artigen Fate-Points. Außerdem beschreibt das Regelwerk, dass der SL jederzeit bei Aktionen einen gewissen „Awesome!“-Bonus für besonders „stimmige“ Aktionen vergeben kann (von bis zu +6 Würfel auf den Würfelpool!). Das muss natürlich jeder SL und am besten jede Gruppe zusammen entscheiden, ob man das auch so ausleben will. Insgesamt stellt es also nur eine Option dar, die man nicht zwanghaft wahrnehmen muss. Das Gesamtprodukt „Airship PIrates“ ist für aber immer noch hervorragend.

Denn für mich ist damit Airship Pirates ein begeisterndes Rollenspiel geworden, das ich demnächst mit meiner Gruppe in Angriff nehmen werde. Ich kann es hier nur wirklich jedem empfehlen, der sich der englischen Sprache für mächtig genug hält, sich in dieses System einzulesen! Denn Laune macht es ganz gewaltige!

Ach ja… und bei diesem System stellt sich wenigstens nicht die Frage, welche Musik man zum Untermalen verwenden sollte. Immerhin haben Abney Park bisher 8 CDs veröffentlicht…

Also: Kaufen, kaufen, kaufen!
Euer DurroDen Artikel im Blog lesen
 
So, habe die Frage von hier: http://www.aktion-abenteuer.de/b/threads/airship-pirates.67570/page-5#post-1630603 mal hier her gequotet. Denke, in der Rezi ist das besser aufgehoben.

So, ist nun bestellt. Mal schauen was bei rum kommt.

Ganz doofe Frage, was ist so an Crittern etc drin?

Ich hatte diesen Teil der Hintergrundgeschichte bewusst etwas knapper gehalten, aber ich denke bezüglich dieser Frage muss ich wohl noch etwas loswerden:
In den gentechnischen Labors der Neovictorianer wurden diverse transmutierte Bestien erschaffen. Im Regelwerk selbst sind beschrieben:

  • Alligatoren
  • Amerikanischer Gepard
  • Amerikanischer Löwe (das urzeitliche Pendant zum europäischen Höhlenlöwen)
  • Bison
  • camelops (7 Fuß große Kamele, also recht groß im Vergleich)
  • Höhlenwolf
  • Hund
  • Riesenalligator
  • Riesenkondor (150 Pfund schwer, 25 Fuß Spannweite)
  • Riesen-Eisbär
  • Riesenfaultier (giand sloth, 20 Fuß lang, so schwer wie ein Elefantenbulle)
  • Pferd
  • Hyaenodon (10 Fuß lange Riesenhyänen)
  • Indrikkus (25 Fuß großes Lasttier)
  • Mammut
  • Mastodon
  • "racid" sog. terrorbirds, 12 Fuß große Riesenraubvögel
  • Säbelzahntiger (sabre tooth cat)
  • Saiga-Antillope
  • Säbelzahnkatze (scimitar cat)
  • "Kurznasenbär" (short-faced bear), 12 Fuß großer Bär
  • "shrub ox", Ochse
  • "stag-moose", Kreuzung aus Elch und amerikanischem Elch ("elk" und "moose")
  • Teratorn (kleinerer Riesenkondor)
  • Waldmoschusochsen
 
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