Rezension Handelsherr und Kiepenkerl [B!-Rezi]

Odin

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Handelsherr und Kiepenkerl


DSA Quellenband Q04 [B!-Rezi]


Handelsherr und Kiepenkerl ist der mittlerweile vierte Band aus der blauen Quellenband-Reihe für Das Schwarze Auge und beinhaltet laut Cover „Wissenswertes zum Handel in Aventurien“.
Die erste Hälfte des von Heike Kamaris und Jörg Raddatz verfassten Bandes enthält Beschreibungen und Hintergründe zu den verschiedenen Aspekten des Themas Handel, während der zweite Teil erschöpfend auf die in Aventurien am häufigsten gehandelten Güter eingeht. Am Ende des Bandes findet sich noch ein kurzer Regelsatz zur Simulation von Fernhandelsgeschäften.

Äußerlich hält der Band einmal mehr den Ulisses-Standart von stabilem Hardcovereinband mit Lesebändchen. Die in eher gesetzten Farben gehaltene Coverillustration von Alan Lathwell zeigt zwei Geld zählende Händler an einem Tisch und passt zum Inhalt des Bandes.

Zum Inhalt:
Nach dem Vorwort, das löblicherweise auch kurz auf die einzelnen Handelsprofessionen des Spiels eingeht, beginnt der Band mit dem ersten Kapitel Allgemeines von Handel und Wandel, in dem Vor- und Nachteile sowie verschiedene Formen des Handels beschrieben werden. Im weiteren wird auch noch auf Geldformen und Münzarten eingegangen. Das nächste Kapitel Geld- und Kreditgeschäfte beschreibt den Handel von Wechselstuben und Pfandleihen sowie allgemein die münzlosen Geldgeschäfte. In Großhändler werden die Geschäfte und Kontore der schwerreichen Kaufherren beschrieben sowie die Macht ihrer Handelsgilden, wohingegen Handelsgesellschaften auf ihrer kurzfristigen Zusammenschlüsse eingeht und den Handel und die Spekulation mit Anteilsscheinen daran erläutert.
Die nächsten drei Kapitel beschreiben detailliert die Geschäftsgrundlagen und -abläufe von drei Handelsprofessionen. Zum ersten wäre da der Krämer als städtischer Kleinhändler und seine Probleme und Geschäfte mit den Handwerkszünften, dann der Hausierer als wandernder Kleinhändler in ländlichen Gegenden und zuletzt der Hehler als Händler von „speziellen“ Waren und Informationen sowie mögliche Verbindung zur Unterwelt einer Stadt. Zölle, Maut und Torsteuern thematisiert die Schwierigkeiten und Kosten des Handelns über Stadt-, Landes- und Reichsgrenzen hinweg, bevor Schmuggler auf diejenigen und ihre Methoden eingeht, die das Umgehen dieser Schwierigkeiten zu ihrer Profession gemacht haben. Der nächste Teil Warenschauen und Handelsmessen stellt die regelmäßigen größeren Veranstaltungen dieser Art inklusive eines Messekalenders vor. Handelsreisen liefert detaillierte Informationen zu allen Arten von Last- und Zugtieren, Fuhrwerken und Wagen sowie Straßenverhältnissen und Schwierigkeiten des Überlandhandels. Ebenfalls thematisiert ist der Seehandel samt Beschreibungen von Handelsschiffen und dem Güldenlandhandel. Das Kapitel Schauplätze des Handels beschreibt mit einer Khômwüstenkarawane, einem garethischen Handelszug, einem Zollkastell, einer Pfandleihe und einer Karawanserei fünf ausgewählte Örtlichkeiten, die im Handel für gewöhnlich eine Rolle spielen.
Dieser ersten Hälfte des Bandes schließt sich mit dem nun folgenden Kapitel Aventurische Handelswaren der Kern dieses Bandes an. Die Warenarten Getreide, Getreideerzeugnisse, Gemüse, Obst und Nüsse, Gewürz und Genussmittel, Alkoholische Getränke, Stoffe und Tuche, Farbstoffe, Holz, Holzwaren und verwandte Produkte, Nutztiere und Vieh, Tierische Lebensmittel, Häute, Leder, Felle, Bodenschätze und andere imgerimmgefällige Waren, Handwerksgüter, Handwerkliche Hilfsmittel und Beleuchtung werden nach Sorten unterteilt und unter Angabe von Verfügbarkeit, Herkunft, Hersteller und Preis extrem detailliert beschrieben.
Im Anhang: Handelsregeln finden sich eben diese, die auf denen des Bandes Geographia Aventurica basieren und mit den Regeln zu Finanzinvestitionen aus der alten Box Fürsten, Händler, Intriganten ergänzt wurden.
Eine Karte der Handelszonen Aventuriens, eine Auflistung der wichtigen Produkte der einzelnen Handelszonen und der Index beschließen den Band.

Bewertung:
Handelsherr und Kiepenkerl hinterlässt einen sehr zwiespältigen Eindruck.
Auf der einen Seite ist es, wie auch schon die anderen DSA-Bücher von Ulisses, ein professionell gemachter Quellenband, dem lediglich das vom Verlag gewohnt so gut wie nicht vorhandene Lektorat fehlt. Die Texte des Bandes haben eine hohe Informationsdichte, lesen sich sehr flüssig und werden graphisch ansprechend und übersichtlich präsentiert. So enthält beispielsweise jedes Kapitel grau unterlegte Textkästen, die gesondert direkt fürs Spiel umsetzbare Informationen oder Werte hervorgehoben präsentieren, während im Kapitel zu den Handelswaren jeder Eintrag eine kurze tabellarische Zusammenfassung beinhaltet. Mit Inhaltsverzeichnis und Index findet man sich im gesamten Buch hervorragend zu recht und die Handelsregeln im Anhang sind eingängig und nicht übermäßig komplex.
Auf der anderen Seite ist einfach die Notwendigkeit dieser auch als „Handelsband“ bezeichneten Spielhilfe höchst fragwürdig. Während die Informationen aus der ersten Hälfte des Bandes noch ganz nett zu haben, aber keinesfalls notwendig sind, ist das Kapitel über aventurische Handelswaren schlicht und ergreifend überflüssig. Die einzelnen Warenarten und -sorten sind mit einem ans satirische grenzenden Detailgrad dargestellt. Als Beispiel mögen hier Weizen, Hafer und Reis dienen, deren Herkunft, Verbreitung und Verwendung jeweils auf über einer ganzen Seite (dichtbeschrieben, keine Illustrationen) in epischer Breite samt angehängten Werteblock beschrieben werden. Selbst zu Hartwurst darf ein Abschnitt nicht fehlen, existieren doch immerhin drei verschiedene Sorten in Aventurien.
War der Band anfangs noch als eine Art Arsenal für Ausrüstung angekündigt, ist er in seiner erschienen Form doch deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Das Thema Handel ist im allgemeinen viel zu abseitig für interessante Abenteuerhandlungen (vor allem der offiziellen), als das dieser Band einem Spielleiter einen dem Anschaffungspreis entsprechenden Nutzen bringen könnte. Genauso gut hätte Ulisses einen Quellenband zu den Gesteinsarten der Zwergengebirge oder zur Abfallbeseitigung und Straßenreinigung mittelreichischer Städte herausbringen können. Dazu kommt, dass der Großteil der beschriebenen Warenarten komplett der Realität entlehnt ist, so dass ein Spielleiter, der den Handel wirklich in seiner Kampagne thematisieren wollen sollte, sich hier durchaus einfach bei Beschreibungen mittelalterlichen Getreide- oder Gemüseanbaus hätte bedienen können.
Die Innenillustrationen sind bis auf einige wenige, die aus älteren Publikationen stammen, neu für diesen Band gezeichnet worden, wobei besonders die Zeichnungen von Melanie Maier positiv herausstechen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Band der traurige Höhepunkt im Beschreibungsfetischismus der DSA-Hintergrundbände bleiben wird und der Verlag das zunächst angekündigte Ausrüstungs-Arsenal doch noch irgendwann verwirklicht.
Abschließend ist zu sagen, dass Handelsherr und Kiepenkerl wohl nur für einige wenige Spielleiter interessant seien wird, die dem Thema Handel einen deutlichen Platz in ihrer Kampagne einräumen wollen, oder für Sammler, die sowieso alles haben müssen, wo DSA draufsteht. Alle anderen können sich die 28€ getrost sparen und haben rein gar nichts verpasst.Den Artikel im Blog lesen
 
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