Götterkind [Arbeitstitel] ~ Eigenes Reich, eigene Fantasy

Sajenn

Crowfeather
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8. Mai 2006
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Hier nun zunächst nur das erste Kapitelvorwort und der erste Absatz, sonst, so fürchte ich, wird es zu viel.

~ Irthil ~


Nebel wallte durch die Hallen der großen Burg. Er wand sich, verkeilte sich, versteckte sich. In jeder Ritze, in jeder Ecke war er zu finden. Er bahnte sich seinen Weg durch Gassen, Fenster, Gänge, durch Türschlitze und Mauerritzen.
Er wallte um die Füße des Mannes, der über SIE gebeugt dastand, weinte, IHRE Hand liebkoste.
Der Nebel war der einzige Zeuge dessen, was sich hier abgespielt hatte. Er allein hörte, was der Mann, der Augen wie brennende Kohlen besaß, zu IHR sagte.
„Du bist die Erste und nicht die Letzte ...“, murmelte der Mann. Er schluchzte und schrie immer wieder. Sagte IHR, sie könne ihn nicht einfach so verlassen. Könnte nicht einfach alles zurücklassen, alles fallen lassen. IHRE Pflichten aufgeben.
Wo er doch genau wusste, es war nicht IHRE Schuld …
SIE lag ganz still da. IHRE Haare lagen, ebenso grau wie der Nebel um das Paar herum, völlig leblos da, ohne Kraft, ohne Schwung, ohne ihren Glanz. Jede Faser IHRES Seins schien sagen zu wollen, dass sie tot war.
Hinfort. Nicht mehr da, für niemanden. Und das war SIE.
IHRE Haut war weiß, strahlte fast durch den Nebel, der sanft über IHRE perfekten Rundungen schwebte. Noch nie zuvor, was so etwas geschehen.
Es war still geworden. Der Mann saß da, unfähig, noch eine Träne mehr zu weinen. Er hielt IHRE Hand, streichelte geistesabwesend mit seinem Daumen über IHREN Handrücken. Der Nebel wurde dicker, als wolle er dem Mann mit den glühenden Augen helfen, sich ebenso tot wie SIE zu fühlen.
„Du warst die Erste und nicht die Letzte“, murmelte der Mann leise, wie zu sich selbst.
Der Nebel erwachte, sein Bewusstsein entwickelte sich. Das Wesen, das den Nebel geschickt hatte, erkannte den Mann. Und es erkannte SIE. Langsam kroch der Nebel auf ihren Körper. Ihre Beine hinauf, über ihren weichen Bauch, umschlang ihre nackten Brüste wie ein Liebender. Der Mann sah zu, versuchte mit einigen Gesten, den Nebel von IHREM Körper zu fegen, doch das Wesen hinter dem Nebel hatte im Moment mehr Kraft als der Mann.
Die glühenden Augen waren von Tränen getrübt, der Körper von Trauer schon zusammengefallen. Und der Nebel war unaufhaltsam. Er streichelte IHR Antlitz, zog ihren Geist aus ihrem toten Körper. Dann ließ er von ihrem elfenbeinfarbigen Körper ab, zog sich zurück.
SIE, IHR Geist, folgte ihm, stand neben dem Mann mit den brennenden Augen und wünschte sich, SIE könnte ihm sagen, dass er nicht mehr weinen sollte.
Dass SIE ihn doch geliebte hatte, ewiglich.
Doch der Nebel ließ keinen Kontakt zu. Er, das Wesen hinter dem Nebel, erfasste ihre Hand, zog sie. Er zog sie zurück, durch die Ritzen, die Gänge, die Hallen, die Gassen, die Winkel. Bis sie ankamen, wo jeder Tote weilt.

Der Nebel hatte sich schon lange gelegt, war zurück in die Totenwelt aufgebrochen, als der Mann einen weiteren Satz sagte. IHR noch etwas sagte. IHR noch einmal etwas versprach, so aufrichtig, wie er es noch nie getan hatte. Doch der Nebel hörte ihn nicht mehr. Das Wesen hinter dem Nebel war längst fort, ebenso wie die Nebelschwaden vergangen waren.
Ihn hörte jemand anderes. Und dieser jemand lauschte angestrengt.
„Du warst die Erste und wirst nicht die Letzte sein. Aber du wirst diejenige sein, die als Erstes zu uns zurückkehrt.“
Damit erhob sich der Mann. Seine Augen fingen Feuer und er kehrte zu seiner Heimat zurück.
Und jener, der Gelauscht hatte, schmiedete einen Plan …




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~ Maltron ~
Layatha I 

Trotz des nahenden Winters, schien sich die Sonne in diesem Jahr nicht verscheuchen zu lassen. Selbst so weit in den Herbst hinein war das Gras auf den Hügeln und Bergen rund um das Dorf Malterian noch leicht ergraut, ausgetrocknet. Zwischen den hohen Grashalmen hockten die Grillen und surrten den abendlichen Besuchern ein zartes Ständchen. Die Apfelbäume säumten sich noch mit teilweise gar grünen Blättern, die Äpfel selber waren prall, saftig und überaus süß. Layatha stapfte durch das hohe Gras, zog ihr Kleid bis knapp über die Knie, um keine Grillen daran kleben zu haben. Sie knirschte mit den Zähnen, suchte sich möglichst grasfreie Flecke aus, um ihre baren Füße abzusetzen. In ihrer Armbeuge hielt sie einen Korb, gefüllt mit dem Kuchen ihrer Mutter, die sie angewiesen hatte, ihren Bruder davon zu bringen. Layathas Bruder war ebenso wie ihr Vater auf dem Hain unterwegs, zwischen den Apfelbäumen arbeiteten sie täglich. Sie ernteten die Äpfel, lagerten sie in den Hütten zwischen den Bäumen und brachten sie dann jeden Monat einmal mit dem Pferdewagen nach Hause, wo die Früchte entweder zu Kuchen oder Essig wurden. Nach diesem langen, heißen Sommer waren es viele Äpfel, die besonders fruchtig waren und deshalb fast ausschließlich für den Essig verwendet wurden, doch manchmal kam Layatha, nachdem ihr Geschäft geschlossen hatte, hinauf in den Hain, um den köstlichen Kuchen ihrer Mutter gegen Äpfel zu tauschen.
Und auch heute war sie zu dieser Mission aufgebrochen.
Die Sonne ging gerade hinter dem höchsten Hügel herunter, die letzten Sonnenstrahlen des Tages kitzelten Layathas Nacken. Sie hatte ihre langen, schwarzen Haare zusammengebunden und hochgesteckt, denn es war ein warmer Tag. Sowohl in ihrem kleinen Laden, in dem sie täglich den Essig ihres Vaters und den Kuchen ihrer Mutter verkaufte, als auch auf dem Felde.
Der Schweiß perlte an ihrem Nacken ab, rutschte in ihr Sommerkleid und schickte einen kalten Schatten über ihren Rücken.
Dann sah das junge Mädchen auf, ließ ab von den hohen Gras und den Grillen. Sie ließ ihr Kleid los, atmete tief ein und aus. Der frische Duft von Gras und ein leichter Akzent von Apfel darin hielten sie für einen Moment gefangen, doch bald schon ging sie weiter.
In einiger Entfernung erkannte sie eine bekannte Silhouette, die ihres Bruders, der auf einer Leiter stehend mit den Händen in der Baumkrone vergraben war. Layatha erhob die Hand und winkte ihm zu, rief laut den Namen ihres Bruders:
„Danthe! Danthe, hier drüben!“ Sie winkte weiter, bis Danthe zu ihr hinüber sah. Er schien sie zu erkennen, ging die Leiter hinunter erwiderte ihren Gruß.
Lay nahm wieder ihren Rocksaum in die Hände und machte sich auf den Weg. Wenige Augenblicke später stand sie auf einer kleinen Ebene, die wie ein gerader Vorsprung aus der abfallenden Graswiese ragte. Sie keuchte und ließ ihren Rock weder schwingen, da hier, unter dem Apfelbaum, das Gras nicht so hoch wuchs. Danthe stand vor ihr, sein Blick harrte auf dem Korb, den Layatha bei sich trug und ihr Vater, Bilron, saß an den Baum gelehnt ganz in der Nähe.
„Guten Abend, meine Kleine.“, sagte er mit einem Lächeln im Gesicht zu ihr. Er wirkte erschöpft, das bemerkte sie sofort. „Guten Abend, Papa.“, sagte sie, ebenfalls lächelnd. Danthe hatte seinen Blick nicht von dem Korb gewandt und Layatha stellte zu ihrem Vergnügen fest, dass er sehr hungrig wirkte.
Das Mädchen trat vor, setzte sich in den Schatten des Baumes auf den Boden und legte den Korb auf ihren Schoß. „Mama bat mich, wieder einen kleinen Tauschhandel zu versuchen.“, sagte sie, während ihre Hände unter der weißen Spitzendecke verschwanden, „Und heute muss ich euch leider ein paar mehr Früchte klauen als üblich, aber dafür“, sie lächelte, als sie im Korb endlich das Fand, was sie wirklich suchte und zog das Spitzendeckchen beiseite, „bringe ich aber auch den besten Apfel-Zimtkuchen, den meine liebe Mutter jemals zustande gebracht hat.“ Sie erhob einen Teller, der in ein Tuch eingewickelt war. Danthe kam näher und setzte sich neben sie. „Du bekommst, was du willst, Schwesterchen.“, sagte er und lächelte. Auch Layathas Vater kam nun näher und blickte auf den Teller. „Wir sind am verhungern, nicht, Vater?“, sagte Danthe zu Bilron und dieser nickte. Layatha lächelte das Lächeln eines Siegers und säuselte sanft: „Natürlich. Hier.“ Sie legte den Teller vor sich ab und zog das Tuch hinfort. Sofort griffen die beiden Männer zu und begannen, den Kuchen zu verschlingen. Layatha kicherte. Sie liebte die Abend, in denen sie einfach mit ihrer Familie im Obsthain saß. Ein Gefühl der unbeschwerten Freiheit erfüllte ihre Seele.
Sie musterte ihren Vater, dessen schwarzes Haar nach den ganzen Jahren schwerer Feldarbeit in der Sonne schon ausgebleicht war. Der ganze Mensch sah aus, als habe ihm die Sonne die Lebenskraft entzogen. Sein Gesicht war eingefallen und von Falten durchzogen, doch sein Körper noch stattlich und aktiv.
Layatha konnte sich gut vorstellen, wie er einmal in seiner Jugend ausgesehen haben musste. Ihr Bruder war, abgesehen davon, dass er das pechschwarze, unerschütterliche Haar ihrer gemeinsamen Mutter hatte, das perfekte ebenbild seines Vaters. Dieselben braunen Augen wie Bilron, dasselbe markante Gesicht. Wie Danthe seinem Vater glich, so glich Layatha ihrer Mutter. Dieselben blauen Augen, dieselbe honigsanfte Stimme.
„Naire lobe deine Mutter“, sagte Bilron, als er seinen Anteil des Kuchens verschlungen hatte. „Das war der beste Kuchen meines Lebens.“ Layatha lächelte zufrieden. Auch Danthe schien zufrieden, wenn gleich er sein Stück nicht so schnell vertilgte wie Bilron.
„Nun“, sprach Lay und fasste erneut in den Korb, zog die Hände dann wieder haus und stellte eine Flasche mit kühlem Wasser und noch einen eingewickelten Teller mit etwas Kuchen vor sich. „Ich werde nun aber gleich wieder gehen. Mutter wartet auf mich.“ Sie stand auf und ging zu dem Korb, der, prall gefüllt mit reifen Äpfeln, neben der Leiter stand. Sie beugte sich hinab, füllte den gesamten Korb mit den Früchten und wandte sich dann um. Danthe war aufgestanden und halt soeben auch seinem Vater auf, dann kam er zu Layatha und umarmte sie kurz. „Wir kommen wohl erst morgen Mittag heim, übernachten in einer der Lagerhütten. Bitte richte Mutter unseren Dank aus.“ Lay nickte, dann sah sie Bilron an. Dieser lächelte sie sanft an. „Sag’ Aeryn eine Entschuldigung von mir.“
Das Bauernmädchen nickte. „Möge Naire auf euch aufpassen.“, sagte sie pflichtbewusst und Danthe erwiderte den Abschiedsgruß. „Und alle anderen Götter auf dich, Layatha.“
Sie drehte sich um und ging den Hain hinunter, steil wie er war, hielt sie sich gelegentlich an dem hohen Graß fest, so gut es mit dem Korb in der Armbeuge und dem Kleid in der Hand ging.
Schon bald war die Sonne nur noch eine lichte Erinnerung am Horizont und Lay sah von dem kleinen Hügel, den sie erreicht hatte hinauf zu dem Baum, der nur noch ein Punkt im grün-gelben Bild war. Unter ihr lag ihr Heimatdorf, Malterian, das am Tage hell strahlte und in der Nacht durch den hellen Marmor ein sicherer Hafen für Reisende war. Ihr ganzes Leben hatte sie in jenem Dorf verbracht, behütet von den Apfelbergen, die ihr zu ihrem Namen verholfen hatten.
Mit einem zufriedenen Seufzer wirbelte sie wieder den Hang hinunter. Morgen, bevor Vater und Danthe zurückkehren, werde ich ihnen etwas Malz kaufen, dachte sie freudig und ging auf den nächsten Baum zu, um sich an ihm fest zu halten. Ihre Hand berührte gerade die Rinde des Obstbaumes, als ein vertrauter Geruch in ihre Nase stieg.
Feuchte Erde.
Layatha lächelte überglücklich, ließ ihren Körper mit dem Schwung des Abstiegs um den Stamm kreisen und sah in seine grauen Augen. „Hallo, meine Apfelgöttin.“
Jorian lächelte sie an, ließ ihr keine Zeit zum Antworten und umfasste ihre Hüfte. Er drückte seine Lippen auf ihre, zwang sie auseinander und küsste sie leidenschaftlich. Layatha kicherte in den Kuss hinein, ließ den Korb mit den Äpfeln fallen, die langsam über den Boden hinabrollten, in Richtung des Tals. Er roch nach feuchter Erde und ein wenig nach Bier.
Sie schlang die Arme um seinen Hals, ließ sich von ihm gegen den Stamm des Baumes drücken. Jorians Hände wanderten unter ihren Rock, suchten nach der Wärme ihres Schoßes. Seine Hände waren feucht und sie spürte, wie die Erde an seinen Händen an ihren Schenkeln hängen blieb. Als er fand, was er suchte, keuchte Layatha auf, warf den Kopf zurück. „Jorian ..“ Die Sonne blendete sie, ihre Augen waren geschlossen.
Er lächelte, liebkoste ihren Hals und schob mit den Zähnen den Träger ihres Kleides beiseite. Ihre Hände streichelten seinen Rücken, wanderten unter sein Hemd. Sie spürte, wie er sie aufnahm, auf den Boden, in das trockene Gras legte und spürte seine Erregung in jeder seiner Bewegungen. Das Gras war noch etwas warm, doch nichts im Vergleich zu dem Feuer in seinen Händen.
Die letzten Sonnestrahlen, die den Himmel in ein sanftes Rosa tauchten, brachten ein warmes Gefühl mit, das doch von ihrer lodernden Liebe zu Jorian fast erstickt wurde. Alles erschien ihr völlig perfekt.
Sie entspannte sich und genoss es, von ihm in der Dämmerung inmitten des Heugeruchs geliebt zu werden. Die Sonne zog ihre letzten Sonnestrahlen wie unartige Kinder zu sich, verschwand völlig und gewährte den Sternen, Augen der Götterväter, platz, über ihnen allen der Vater aller Väter erhaben.
Es wurde rasch kühler und als Jorian sich aufrichtete, um in das Dorf zu sehen, dankte Layatha der Göttin Naire für ihr wunderbares Leben.
Doch ebenso, wie der Himmel in jener Nacht dunkel wurde, so würde die Dunkelheit nach Naieras kommen und die Apfelbäuerin aus ihrem Traum reißen.
 
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