Niedertracht
Staatsgewalt
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- 23. Februar 2005
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"Feng Shui? Is' das nich' so'ne komische Einrichtungsdingsda?"
Die Antwort müßte "Ja" lauten, aber abseits der Lehre zur Inneneinrichtung, damit unsichtbare Strahlen auch ja nicht abgeblockt werden, lautet die Antwort im Rollenspielsektor "Ja, auch.".
Feng Shui bezeichnet sich selbst laut dem Cover als Action Movie Roleplaying Game und hat in seiner Grundausrichtung eine starke Verbundenheit mit Hong Kong. So wie Shadowrun als "Homebase" Seattle hat, hat Feng Shui sein Hong Kong, was aber nicht heißen soll, daß man Feng Shui nur in der bekannten chinesischen Sonderverwaltungszone spielen könnte.
"Action Movie Roleplaying? Was'n das für'n Quatsch?"
Genau das, was man sich wohl vorstellt. Es geht um Äktsch'n im cinematischen Stil. Platt, wie eine Flunder ist, ausgedrückt: Man spielt einen Actionfilm nach und ist nicht ein gesichtsloser Statist, der freundlicherweise überleben darf. Nein, man ist der Protagonist. Überspitzt formuliert ist man derjenige, dem nie die Munition ausgeht, dessen letzte Kanone nie Ladehemmungen hat, dessen Schwert nicht bricht oder immer falschen Zeitpunkt im Holz steckenbleibt.
Das Regelwerk (dazu später mehr) unterstützt diesen Anspruch. So gibt es Möglichkeiten, daß der Charakter seine Waffe zwar nachladen muß, dies aber so schnell geschieht, daß es nicht wahrgenommen wird (und damit regeltechnisch auch keine Handlung in Anspruch nimmt). Die Heldenmagazine, wer kennt sie nicht.
Charaktere sind in dem, was sie können sollen Helden. Ein Killer ist ein Experte für Waffen und nicht jemand, der sich aus Dummheit selbst abknallt. Auch wenn es die Regelung von Patzern gibt, ist es unwahrscheinlich, daß der Charakter sich beim Abrollen über die Motorhaube der silbernen E-Klasse im stockenden Verkehr Hong Kongs den Fuß verstaucht und von einem LKW überfahren wird, der in dem Chaos aus unerfindlichen Gründen doch mit normaler Geschwindigkeit fahren kann. Sowas passiert unwichtigen Personen, damit das Kinopublikum kurzzeitig lacht oder dem Protagonisten nahestehenden Personen, um eine traurige Komponente beizumischen. Der Charakter ist eher derjenige, der diesen armen Wicht in letzter Sekunde vorm LKW wegzieht.
Rasante Action ist ein zentraler Bestandteil von Feng Shui. Es ist action-orientiert, aber nicht zwingend kampf-orientiert (wie es blut_und_glas sehr treffend formulierte). Action umfaßt mehr als den reinen Kampf. Verfolgungsjagden sind wohl ein sehr einfaches Beispiel, um diese Aussage zu untermauern.
"Geil. Nur Action, kein Tiefgang."
Natürlich kann man Feng Shui so spielen - auch wenn man dazu mindestens eine Regel außer Acht lassen müßte. Das mag auch seinen Reiz haben, aber der Anspruch Feng Shuis ist doch ein anderer.
So muß ein Charakter einen sog. melodramatic hook haben. Melodramatisch läßt darauf schließen, daß Feng Shui doch etwas mehr will, als plumpe Action. Das Spiel bleibt ein Schlag ins Gesicht des generischen "Wahren Rollenspielers ™", weil Action immer noch ein zentraler Bestandteil ist und eben nicht Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten ohne visuelle Komponente.
Aber was wäre ein Film wie "Replacement Killers" gewesen, wenn Chow Yun-Fat den Sohn des Polizisten erschossen hätte? Was wäre gewesen, wenn Kurt Russel in "Big Trouble in Little China" seinem Freund nicht geholfen hätte? Man spielt bei Feng Shui nicht den gewissenlosen Killer, der nichts an sich heranläßt. Man kann einen oberflächlich gewissenlosen Killer spielen, der jedoch – mindestens – einen wunden Punkt hat. Einen Jason Bourne, der doch im letzten Moment zögert den afrikanischen Politiker zu töten, weil dessen Sohn anwesend ist. Einen Jason Bourne, der der Tochter sagt, daß nicht ihr Vater ihre Mutter getötet hat. Einen Jason Bourne, der jedoch ohne emotionale Regung einen Angreifer tötet.
Feng Shui spielt mit gängigen Klischees. Weißfiltrige, leicht verknickte Zigaretten aus Softpacks im Mundwinkel und dazu eine Sonnenbrille sind hier nicht der zwanghafte Versuch Coolness in das Spiel zu transportieren, sondern sind Stilmittel. Spitznamen, wie "Tiger" oder "Snake" wirken nicht billig, sondern sind passend. Die Drei-Finger-Herzexplosions-Technik ist hier kein blöder Spruch, sondern gehört dazu. Und natürlich dürfen die Helden meiner Jugend nicht fehlen: Bud Spencer und Terence Hill. Beide sind im Regelwerk verewigt, nicht unter diesem Namen, aber wer die Beschreibung des Big Bruisers und des Everman Heros wird von gewissen Parallelen nahezu erschlagen.
Zudem kann Feng Shui mit einem interessanten Hintergrund aufwarten. Wahrscheinlich kann der Hintergrund nicht mit einem 300+-Seiten umfassenden eigenständigen Kampagnensetting mithalten, aber das ist auch nicht der Anspruch. Entgegen einiger anderer Spiele – wozu auch einige der "großen" Mainstreamspiele meines Erachtens gehören – kann man Feng Shui ohne weiteres ohne Zusatzmaterial spielen, was auch den Hintergrund umfaßt. Einige Grundregelwerke konzentrieren sich auf Regeln und behandeln den Hintergrund eher stiefmütterlich. Eine Vertiefung findet erst in folgenden Produkten statt. Für Feng Shui gibt es ebenfalls solches Zusatzmaterial, aber es ist nicht so notwendig, wie in anderen, mir bekannten Systemen.
"Big Trouble in Little China? War da nich' auch so'n alter Sack, der zaubern konnte?"
Feng Shui ist mystisch. Sowohl im Hintergrund, als auch einige Charaktere. Im Grundbuch werden sieben verschiedene Geheimbünde aufgelistet, die den sog. secret war miteinander austragen. Soweit ist noch alles im Rahmen. Sind es halt nicht die Yakuza und die Mafia, sondern obskure Geheimbünde und dann sieben davon.
Den mystische Teil bilden u.a. die Netherlands, ein den meisten Menschen unbekanntes Reich, das vor allem Zeitreisen ermöglicht. So können die "Jahre" 69, 1850, die Gegenwart und 2056 erreicht werden. Natürlich ist auch das Reisen in die Spielzeit möglich, so daß die Charaktere im heutigen Hong Kong auf einen Cyborg aus der Mitte des nächsten Jahrhunderts treffen können oder ihn womöglich sogar spielen können.
Es ist möglich einen Magier zu spielen, die ganz klassisch verschiedene Zauber wirken können. Man kann Charaktere spielen, die sich in Tiere verwandeln können. Die ansprochenen Cyborgs aus der Zukunft. Sogar Geister. Und natürlich darf der Fu-manchu-Bart tragende Meister aller Kampfkünste nicht fehlen.
Ich möchte mich auf diese Happen beschränken, um nicht allzu viel zu verraten. Ist eine Platitüde, ich weiß, aber es gibt ja auch Spieler, die von sich den Hintergrund lieber im Spiel erfahren wollen – obwohl ich schon fast zu viel verraten habe.
"Und wie läuft das nun?"
Feng Shui ist ein sehr einfaches Regelsystem, das dazu auch noch durchaus witzig geschrieben ist. Es ist zwar nur auf englisch erhältlich, doch auch rudimentäre Kenntnisse sollten ausreichen, um die Regeln zu verstehen. Es ist alles sehr einfach gehalten.
Ganz klassisch kennt auch Feng Shui Attribute und Fertigkeiten. Attribute teilen sich in Primär – und Sekundärattribute. Body, Chi, Mind und Reflexes bilden die Primärattribute, die sich dann in drei bis vier Sekundärattribute teilen. Beispielhaft sei für Body "Move, Strength, Constitution und Toughness" erwähnt.
Fertigkeiten sind ähnlich einfach strukturiert. Guns umfaßt das Abfeuern von Schußwaffen, Martial Arts umfaßt Leuten auf das Fressbrett zu geben (aber auch Wurfwaffen), Driving umfaßt das Steuern von Fahrzeugen usw. Alles sehr übersichtlich und keine zig-tausend Unterteilungen, um möglichst "realistisch" zu wirken.
Das sog. action value setzt sich aus der Fertigkeit und dem zugehörigen Sekundärattribut zusammen. Dieser Wert ist immer von Nöten, wenn eine Probe abgelegt werden muß. Wird dies verlangt, würfelt man zwei sechsseitige Würfel (möglichst verschiedenfarbig). Die Augen eines Würfels addiert man das action value, während man die Augenzahl des zweiten Würfels subtrahiert – Yin und Yang. Das Ergebnis, action result genannt, dieser kinderleichten Rechenaufgabe ist dann das Ergebnis des Wurfs, das man dem SL mitteilt und dann wird beschrieben.
Natürlich gibt es wie schon angesprochen auch Regeln für Patzer. Diese treten ein, wenn zwei Sechsen fallen oder das action result negativ ist. Zumindest letztes sollte nicht so häufig eintreten. Dies stellt die Tatsache dar, daß auch Filmhelden einen "schlechten Tag" haben. In Filmen ist dies immer dann der Fall, wenn der Schurke entkommen muß, um Raum für eine Fortsetzung zu lassen oder einfach deshalb, weil der Film nicht nach einer Viertelstunde sein Ende haben soll.
Das sind dann aber auch die wichtigsten Regeln für den Spieler. Für den Spielleiter ist noch die unterschiedliche Behandlung von unnamed mooks (gesichtslose Schergen des Bösewichts), die reihenweise ihren Tod finden und named characters (dem klassischen Goldfinger), die dann am Ende ihr Leben aushauchen.
Ich denke, daß reicht als kurzer, aber ausreichender Überblick. Wie man sieht, ist es wirklich nicht wild.
"Hamma, ich will loslegen."
Kein Problem. Die Charaktererschaffung Feng Shuis ist vergleichsweise schnell und unkompliziert. Im Grundbuch gibt es verschiedene Charaktertypen, von denen man einen auswählt. Diese Charaktere haben schon Werte und Ausrüstung – wir erinnern uns, Feng Shui lebt von stereotypischen Charakteren. Um jedoch noch eine persönliche Note einbringen zu können, darf der Spieler abhängig von dem jeweiligen Charaktertypen noch ein paar Punkte zusätzlich verteilen.
Und dann sind noch die Schticks, auszuwählen. Die Anzahl und die Art hängen auch wieder vom Charaktertypen ab. Der Killer darf Gun-Schticks wählen, wohingegen der Ninja ein Martial-Arts-Schtick wählen kann. Schticks machen den Charakter zu dem Filmhelden, neben hohen action values. Das oben erwähnte Nachladen-schneller-das-Auge ist nur eine Möglichkeit. Martials-Arts-Schticks haben natürlich passende Namen, wie etwa Path of the Healthy Tiger. Dieser Aspekt dürfte wohl den zeitlichen Großteil der Charaktererschaffung einnehmen.
Abschließend ist jetzt der melodramatic hook zu wählen. Diese können sehr vielfältig sein und aus eigener Erfahrung sollte man hier nicht zu schnell entscheiden. Damit meine ich nicht, daß stereotypische hooks ala "Rache an dem Mörder meines Vaters" schlecht sind. Im Gegenteil, aber dieser Aspekt sollte zum Charakter passen.
Jetzt ist noch eine Name zu wählen und eigentlich kann es losgehen. Micromanagment kennt Feng Shui nur in Ausnahmefällen. Eigentlich nur, wenn es zum Plot gehört. Kein langwieriges Herumeiern, wenn der Charakter neue Munition kaufen will. Er will Munition kaufen? Er hat Munition gekauft. Kein Actionheld hat Probleme Munition zu kaufen. Sowas paßt nicht in das Bild und genau deshalb paßt es auch nicht zu Feng Shui.
Persönliches Fazit
Feng Shui ist ein sehr interessantes Spiel. Es ist geeignet für einen One-Shot auf einer Con, aber auch für längere Kampagnen. Die Regeln sind schnell erklärt und sollten ebenso schnell verstanden sein.
Jedoch sollte man einen "fähigen" Spielleiter haben, einen Spielleiter, der die rasante Action eines Films in Worte zu fassen. Natürlich sollten die Spieler ebenfalls ihre Aktionen entsprechend beschreiben können. Ein "Ich komme halb aus der Deckung, schieße einmal und gehe wieder in Deckung" ist bei Feng Shui nicht unbedingt angebracht. Da gibt es sicherlich andere Spiele, wo bei den Kämpfen ein taktisches Vorgehen gefragt ist. Stunts gehören dazu, wie Sonnenbrillen und Kippen in Mundwinkeln.
Die Antwort müßte "Ja" lauten, aber abseits der Lehre zur Inneneinrichtung, damit unsichtbare Strahlen auch ja nicht abgeblockt werden, lautet die Antwort im Rollenspielsektor "Ja, auch.".
Feng Shui bezeichnet sich selbst laut dem Cover als Action Movie Roleplaying Game und hat in seiner Grundausrichtung eine starke Verbundenheit mit Hong Kong. So wie Shadowrun als "Homebase" Seattle hat, hat Feng Shui sein Hong Kong, was aber nicht heißen soll, daß man Feng Shui nur in der bekannten chinesischen Sonderverwaltungszone spielen könnte.
"Action Movie Roleplaying? Was'n das für'n Quatsch?"
Genau das, was man sich wohl vorstellt. Es geht um Äktsch'n im cinematischen Stil. Platt, wie eine Flunder ist, ausgedrückt: Man spielt einen Actionfilm nach und ist nicht ein gesichtsloser Statist, der freundlicherweise überleben darf. Nein, man ist der Protagonist. Überspitzt formuliert ist man derjenige, dem nie die Munition ausgeht, dessen letzte Kanone nie Ladehemmungen hat, dessen Schwert nicht bricht oder immer falschen Zeitpunkt im Holz steckenbleibt.
Das Regelwerk (dazu später mehr) unterstützt diesen Anspruch. So gibt es Möglichkeiten, daß der Charakter seine Waffe zwar nachladen muß, dies aber so schnell geschieht, daß es nicht wahrgenommen wird (und damit regeltechnisch auch keine Handlung in Anspruch nimmt). Die Heldenmagazine, wer kennt sie nicht.
Charaktere sind in dem, was sie können sollen Helden. Ein Killer ist ein Experte für Waffen und nicht jemand, der sich aus Dummheit selbst abknallt. Auch wenn es die Regelung von Patzern gibt, ist es unwahrscheinlich, daß der Charakter sich beim Abrollen über die Motorhaube der silbernen E-Klasse im stockenden Verkehr Hong Kongs den Fuß verstaucht und von einem LKW überfahren wird, der in dem Chaos aus unerfindlichen Gründen doch mit normaler Geschwindigkeit fahren kann. Sowas passiert unwichtigen Personen, damit das Kinopublikum kurzzeitig lacht oder dem Protagonisten nahestehenden Personen, um eine traurige Komponente beizumischen. Der Charakter ist eher derjenige, der diesen armen Wicht in letzter Sekunde vorm LKW wegzieht.
Rasante Action ist ein zentraler Bestandteil von Feng Shui. Es ist action-orientiert, aber nicht zwingend kampf-orientiert (wie es blut_und_glas sehr treffend formulierte). Action umfaßt mehr als den reinen Kampf. Verfolgungsjagden sind wohl ein sehr einfaches Beispiel, um diese Aussage zu untermauern.
"Geil. Nur Action, kein Tiefgang."
Natürlich kann man Feng Shui so spielen - auch wenn man dazu mindestens eine Regel außer Acht lassen müßte. Das mag auch seinen Reiz haben, aber der Anspruch Feng Shuis ist doch ein anderer.
So muß ein Charakter einen sog. melodramatic hook haben. Melodramatisch läßt darauf schließen, daß Feng Shui doch etwas mehr will, als plumpe Action. Das Spiel bleibt ein Schlag ins Gesicht des generischen "Wahren Rollenspielers ™", weil Action immer noch ein zentraler Bestandteil ist und eben nicht Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten ohne visuelle Komponente.
Aber was wäre ein Film wie "Replacement Killers" gewesen, wenn Chow Yun-Fat den Sohn des Polizisten erschossen hätte? Was wäre gewesen, wenn Kurt Russel in "Big Trouble in Little China" seinem Freund nicht geholfen hätte? Man spielt bei Feng Shui nicht den gewissenlosen Killer, der nichts an sich heranläßt. Man kann einen oberflächlich gewissenlosen Killer spielen, der jedoch – mindestens – einen wunden Punkt hat. Einen Jason Bourne, der doch im letzten Moment zögert den afrikanischen Politiker zu töten, weil dessen Sohn anwesend ist. Einen Jason Bourne, der der Tochter sagt, daß nicht ihr Vater ihre Mutter getötet hat. Einen Jason Bourne, der jedoch ohne emotionale Regung einen Angreifer tötet.
Feng Shui spielt mit gängigen Klischees. Weißfiltrige, leicht verknickte Zigaretten aus Softpacks im Mundwinkel und dazu eine Sonnenbrille sind hier nicht der zwanghafte Versuch Coolness in das Spiel zu transportieren, sondern sind Stilmittel. Spitznamen, wie "Tiger" oder "Snake" wirken nicht billig, sondern sind passend. Die Drei-Finger-Herzexplosions-Technik ist hier kein blöder Spruch, sondern gehört dazu. Und natürlich dürfen die Helden meiner Jugend nicht fehlen: Bud Spencer und Terence Hill. Beide sind im Regelwerk verewigt, nicht unter diesem Namen, aber wer die Beschreibung des Big Bruisers und des Everman Heros wird von gewissen Parallelen nahezu erschlagen.
Zudem kann Feng Shui mit einem interessanten Hintergrund aufwarten. Wahrscheinlich kann der Hintergrund nicht mit einem 300+-Seiten umfassenden eigenständigen Kampagnensetting mithalten, aber das ist auch nicht der Anspruch. Entgegen einiger anderer Spiele – wozu auch einige der "großen" Mainstreamspiele meines Erachtens gehören – kann man Feng Shui ohne weiteres ohne Zusatzmaterial spielen, was auch den Hintergrund umfaßt. Einige Grundregelwerke konzentrieren sich auf Regeln und behandeln den Hintergrund eher stiefmütterlich. Eine Vertiefung findet erst in folgenden Produkten statt. Für Feng Shui gibt es ebenfalls solches Zusatzmaterial, aber es ist nicht so notwendig, wie in anderen, mir bekannten Systemen.
"Big Trouble in Little China? War da nich' auch so'n alter Sack, der zaubern konnte?"
Feng Shui ist mystisch. Sowohl im Hintergrund, als auch einige Charaktere. Im Grundbuch werden sieben verschiedene Geheimbünde aufgelistet, die den sog. secret war miteinander austragen. Soweit ist noch alles im Rahmen. Sind es halt nicht die Yakuza und die Mafia, sondern obskure Geheimbünde und dann sieben davon.
Den mystische Teil bilden u.a. die Netherlands, ein den meisten Menschen unbekanntes Reich, das vor allem Zeitreisen ermöglicht. So können die "Jahre" 69, 1850, die Gegenwart und 2056 erreicht werden. Natürlich ist auch das Reisen in die Spielzeit möglich, so daß die Charaktere im heutigen Hong Kong auf einen Cyborg aus der Mitte des nächsten Jahrhunderts treffen können oder ihn womöglich sogar spielen können.
Es ist möglich einen Magier zu spielen, die ganz klassisch verschiedene Zauber wirken können. Man kann Charaktere spielen, die sich in Tiere verwandeln können. Die ansprochenen Cyborgs aus der Zukunft. Sogar Geister. Und natürlich darf der Fu-manchu-Bart tragende Meister aller Kampfkünste nicht fehlen.
Ich möchte mich auf diese Happen beschränken, um nicht allzu viel zu verraten. Ist eine Platitüde, ich weiß, aber es gibt ja auch Spieler, die von sich den Hintergrund lieber im Spiel erfahren wollen – obwohl ich schon fast zu viel verraten habe.
"Und wie läuft das nun?"
Feng Shui ist ein sehr einfaches Regelsystem, das dazu auch noch durchaus witzig geschrieben ist. Es ist zwar nur auf englisch erhältlich, doch auch rudimentäre Kenntnisse sollten ausreichen, um die Regeln zu verstehen. Es ist alles sehr einfach gehalten.
Ganz klassisch kennt auch Feng Shui Attribute und Fertigkeiten. Attribute teilen sich in Primär – und Sekundärattribute. Body, Chi, Mind und Reflexes bilden die Primärattribute, die sich dann in drei bis vier Sekundärattribute teilen. Beispielhaft sei für Body "Move, Strength, Constitution und Toughness" erwähnt.
Fertigkeiten sind ähnlich einfach strukturiert. Guns umfaßt das Abfeuern von Schußwaffen, Martial Arts umfaßt Leuten auf das Fressbrett zu geben (aber auch Wurfwaffen), Driving umfaßt das Steuern von Fahrzeugen usw. Alles sehr übersichtlich und keine zig-tausend Unterteilungen, um möglichst "realistisch" zu wirken.
Das sog. action value setzt sich aus der Fertigkeit und dem zugehörigen Sekundärattribut zusammen. Dieser Wert ist immer von Nöten, wenn eine Probe abgelegt werden muß. Wird dies verlangt, würfelt man zwei sechsseitige Würfel (möglichst verschiedenfarbig). Die Augen eines Würfels addiert man das action value, während man die Augenzahl des zweiten Würfels subtrahiert – Yin und Yang. Das Ergebnis, action result genannt, dieser kinderleichten Rechenaufgabe ist dann das Ergebnis des Wurfs, das man dem SL mitteilt und dann wird beschrieben.
Natürlich gibt es wie schon angesprochen auch Regeln für Patzer. Diese treten ein, wenn zwei Sechsen fallen oder das action result negativ ist. Zumindest letztes sollte nicht so häufig eintreten. Dies stellt die Tatsache dar, daß auch Filmhelden einen "schlechten Tag" haben. In Filmen ist dies immer dann der Fall, wenn der Schurke entkommen muß, um Raum für eine Fortsetzung zu lassen oder einfach deshalb, weil der Film nicht nach einer Viertelstunde sein Ende haben soll.
Das sind dann aber auch die wichtigsten Regeln für den Spieler. Für den Spielleiter ist noch die unterschiedliche Behandlung von unnamed mooks (gesichtslose Schergen des Bösewichts), die reihenweise ihren Tod finden und named characters (dem klassischen Goldfinger), die dann am Ende ihr Leben aushauchen.
Ich denke, daß reicht als kurzer, aber ausreichender Überblick. Wie man sieht, ist es wirklich nicht wild.
"Hamma, ich will loslegen."
Kein Problem. Die Charaktererschaffung Feng Shuis ist vergleichsweise schnell und unkompliziert. Im Grundbuch gibt es verschiedene Charaktertypen, von denen man einen auswählt. Diese Charaktere haben schon Werte und Ausrüstung – wir erinnern uns, Feng Shui lebt von stereotypischen Charakteren. Um jedoch noch eine persönliche Note einbringen zu können, darf der Spieler abhängig von dem jeweiligen Charaktertypen noch ein paar Punkte zusätzlich verteilen.
Und dann sind noch die Schticks, auszuwählen. Die Anzahl und die Art hängen auch wieder vom Charaktertypen ab. Der Killer darf Gun-Schticks wählen, wohingegen der Ninja ein Martial-Arts-Schtick wählen kann. Schticks machen den Charakter zu dem Filmhelden, neben hohen action values. Das oben erwähnte Nachladen-schneller-das-Auge ist nur eine Möglichkeit. Martials-Arts-Schticks haben natürlich passende Namen, wie etwa Path of the Healthy Tiger. Dieser Aspekt dürfte wohl den zeitlichen Großteil der Charaktererschaffung einnehmen.
Abschließend ist jetzt der melodramatic hook zu wählen. Diese können sehr vielfältig sein und aus eigener Erfahrung sollte man hier nicht zu schnell entscheiden. Damit meine ich nicht, daß stereotypische hooks ala "Rache an dem Mörder meines Vaters" schlecht sind. Im Gegenteil, aber dieser Aspekt sollte zum Charakter passen.
Jetzt ist noch eine Name zu wählen und eigentlich kann es losgehen. Micromanagment kennt Feng Shui nur in Ausnahmefällen. Eigentlich nur, wenn es zum Plot gehört. Kein langwieriges Herumeiern, wenn der Charakter neue Munition kaufen will. Er will Munition kaufen? Er hat Munition gekauft. Kein Actionheld hat Probleme Munition zu kaufen. Sowas paßt nicht in das Bild und genau deshalb paßt es auch nicht zu Feng Shui.
Persönliches Fazit
Feng Shui ist ein sehr interessantes Spiel. Es ist geeignet für einen One-Shot auf einer Con, aber auch für längere Kampagnen. Die Regeln sind schnell erklärt und sollten ebenso schnell verstanden sein.
Jedoch sollte man einen "fähigen" Spielleiter haben, einen Spielleiter, der die rasante Action eines Films in Worte zu fassen. Natürlich sollten die Spieler ebenfalls ihre Aktionen entsprechend beschreiben können. Ein "Ich komme halb aus der Deckung, schieße einmal und gehe wieder in Deckung" ist bei Feng Shui nicht unbedingt angebracht. Da gibt es sicherlich andere Spiele, wo bei den Kämpfen ein taktisches Vorgehen gefragt ist. Stunts gehören dazu, wie Sonnenbrillen und Kippen in Mundwinkeln.