Rezension Die Tochter des Frostriesen (Comic; Conan #1)

Nepharite

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Conan Band 1: Die Tochter des Frostriesen


[User-Rezi] von Nepharite


Mit Conan dem Cimmerier schuf der amerikanische Schriftsteller Robert E Howard, dessen literarisches Vermächtnis trotz seines kurzen Schaffens -in Alter von nur 30 Jahren nahm er sich 1936 das Leben- in einer ganzen Reihe mehr oder weniger bekannter Helden (Kull von Atlantis, Bran Mak Morn, Solomon Kane, u.a.) besteht, um 1930 einen der bekanntesten Heroen der Fantasy und begründete mit dieser Figur auch gleichzeitig das Sub-Genre der Sword & Sorcery.
Zahlreiche Epigonen spannen nach Howards Tod die Geschichten um den Barbaren weiter, mal literarisch ansprechend und nahe an den Entwürfen seines Schöpfers, oft genug aber weniger als mittelmäßig. Neben dieser belletristischen Präsenz trugen nicht zuletzt zwei Kino-Filme -mit Arnold Schwarzenegger als Conan- sowie eine Vielzahl von Comics des Marvel-Verlags, die zwischen 1970 und 1993 in mehreren, z.T. parallel laufenden Serien (Conan the Babarian, Conan the King, Savage Sword of Conan, u.a.) erschienen, zur Popularität des düsteren Kämpfers bei. Nachdem 1993 von Marvel ein Schlussstrich unter das große Kapitel "Conan" gezogen wurde und sich die Figur in den folgenden Jahren -trotz einiger kläglicher Versuche- nicht mehr wiederbeleben ließ, mussten sich die Fans bis 2003 gedulden, denn erst in diesem Jahr feierte der Barbar dank des Dark Horse-Verlags eine fulminante Auferstehung.
Das vorliegende Comic fasst die ersten achten Geschichten des Dark Horse-Neuanfangs als Tradepaperback zusammen. Dabei fließen wie schon zu Marvels Zeiten unter dem grandiosen Roy Thomas auch bei Kurt Busiek die einzelnen Episoden zu einem großen Abenteuer ineinander.

Ein kleine, reiche Karawane zieht durch ein ödes Land. Als die Reisenden in alten Ruinen auf das steinerne Abbild eines gewaltigen Kriegerkönigs und zahlreiche Pergamentrollen stoßen ist das Interesse des gelangweilten Herren der Gruppe geweckt und ein Magier soll sich an das Entziffern der uralten Schriften machen. Diese erzählen von Conan dem Cimmerier, welchen die Suche nach dem legendären Hyperborea, dem Land wo Milch und Honig fließen und unsterbliche Wesen durch eine paradiesische Landschaft wandeln, in das Reich der "Nordmänner", nach Asgard, verschlägt.
Zwei Clans, die Aesir und die Vanir, liegen in einem blutigen, gnadenlosen Zwist. Der Zufall verschlägt Conan auf die Seite der Aesir. Durch seine Stärke, seinen Mut und seine überragenden Kampffertigkeiten erringt er nicht nur deren Respekt, sondern findet im Häuptling Niord auch einen Freund. Als dieser ihn bittet, seine Suche nach dem legendären Land zu unterbrechen, um die Aesir bei einem Vergeltungsfeldzug gegen die Vanir zu unterstützen, willigt Conan daher ein. Doch nicht alle Mitglieder des Clans sind dem Cimmerier wohlgesinnt. Ein Verräter unter ihnen sorgt dafür, dass die Strafexpedition in einem Gemetzel endet und die wenigen überlebenden Aesir nach Hyperborea verschleppt werden.
Zwar hat der Barbar nun doch sein Ziel erreicht, allerdings sieht dieses ganz anders aus als er es sich in seinen Träumen ausgemalt hat. Die Hyperboreer sind ein durch und durch dekadentes, rücksichtsloses, des Lebens überdrüssiges Volk, das seinen Reichtum auf den Schultern zahlloser Sklaven aufgebaut hat und dem blutige Arenakämpfe von unter Drogen gesetzten Gladiatoren ein schales Vergnügen bereiten.
Sollte es Conan und seinen Mitstreitern nicht gelingen, zu fliehen, so droht ihnen ein grausamer Tod: wenn nicht im Kampfe, dann in einem rituellen Selbstmord, in welchen die Sklaven ihrem lebensmüden Herren folgen müssen.

Kurt Busiek, der mittlerweile zu einem der gefragtesten Vertreter der neueren amerikanischen Comic-Szene avancierte, stellt mit der Conan-Saga nach "Marvels" -einer fünfbändigen Mini-Serie- erneut sein Können als Autor unter Beweis, worüber ein "Will Eisner Comic Industry Award" in der Kategorie "Best Single Issue or One-Shot" für den Prolog des TPB, der 2003 in den USA unter dem Titel "Conan: The Legend" erschien, Zeugnis ablegt.
Neben der Action sind dem Autor das Erzählen einer dichten, mit ihren drei Zeitebenen gut konstruierten Geschichte sowie "menschliche", glaubhafte Charaktere ein zentrales Anliegen. Verglichen mit Thomas' Interpretation erscheint Busieks Conan "zivilisierter", weniger grimmig seinem düsteren Gott Crom folgend, dafür humorvoll, mit einem Anflug von Eloquenz; jedoch büßt er durch diese Zähmung nur wenig seiner Gefährlichkeit und Kampfkraft ein.
Der Rahmen der Abenteuer -das kalte Reich der Asgarder und das dekadente Hyperborea- werden vom Autor sehr stimmig entworfen, wobei bemerkenswert ist, dass das sowohl das Metaphysische -also Magie, Dämonen, Götter-, als auch Horror-Elemente sehr zurückhaltend eingesetzt werden, die Sorcery-Aspekte also eher nebensächlich sind. Damit eröffnet Busiek dem Leser eine durchaus authentisch anmutende Fantasy-Welt.

Einen ambivalenten Eindruck hingegen hinterlässt das Artwork. Das Seitenlayout, die Panelaufteilung wirkt frisch ohne dabei überdynamisch modern zu sein und die malerische, weiche Farbgebung fängt trotz einer Tendenz zur Breiigkeit und Undifferenziertheit die Atmosphäre der Geschichte trefflich ein.
Der eigentliche Schwachpunkt sind daher Cary Nords und Thomas Yeates Zeichnungen. Zwar wirken sie in toto kraftvoll, rau und ungestüm, spiegeln also das Wesen des Cimmeriers und seinen barbarischen Hintergrund trefflich wieder, jedoch zerstören die zum Teil "Toon"-haften Gesichtsausdrücke der Protagonisten das um Realismus bemühte Gesamtbild, verleihen in ihrer simplen, fast schon einfältigen Überzeichnung den Figuren etwas Karikaturhaftes. Dabei ist es nicht so, dass die beiden Künstler ihr Metier nicht beherrschten -wie die Mehrzahl der Bilder belegt-, doch zwischendurch starren den Leser immer wieder aus flächigen Gesichtern Kulleraugen an, erinnern breit grinsende Strichmünder eher an Zeichnungen von Vorschulkindern, hat man das Gefühl als entgleitete den Zeichnern die Kontrolle über ihre Schöpfung.
Dass Nord und Yeates noch deutlich von der Kraft und Ausdrucksstärke eines großen Conan-Zeichners wie John Buscema entfernt sind, zeigt sich auch in ihrer Beherrschung der farblosen Tiefen, des Schattens. Das Fehlen harter Schwarz-Bunt-Kontraste lässt die Bilder insgesamt relativ flächig erscheinen, nimmt ihnen etwas die Spannung und Ungeschliffenheit.
Bei Beurteilung des Artworks soll ein -zugegeben nebensächliches- Detail, nicht unerwähnt bleiben: auch im Jahre 2006 sehen nackte Frauen und Männer ohne Brustwarzen einfach nur bizarr aus. Ok, den Kerlen spendiert man wenigstens ab und zu einen winzigen schwarzen Punkt als Papilla mammaria, während man den vollkommen nippellose Frauen den Säugetier-Status vorsichtshalber lieber ganz abspricht. Die amerikanische Angst vor der Darstellung von Nacktheit in gewalttriefenden Comics hat einerseits etwas tief Paranoides und Bigottes an sich, wirkt andererseits jedoch fast schon bemitleidenswert lächerlich.

Die Ausstattung des TPB lässt -wie für Panini üblich- keine Wünsche offen. Exzellenter Druck, beschichtetes Faltcover sowie einige Extras -kurze Künstler-Vitae, Skizzen aus Nords Sketchbook, Bilder der US-Cover und ein kurzes Interview mit dem Zeichner- runden das positive Gesamtbild ab.

Fazit: Ein unterhaltsames, gut geschriebenes Sword&Sorcery-Comic, welches trotz einiger Schwächen im Artwork, das Herz jedes Conan-Fans höher schlagen lässt. Empfehlenswert.Den Artikel im Blog lesen
 
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