Der Perlenfischer (DSA)

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Diese kleine Geschichte ist der Beginn meines gerade begonnenen Buches über mein eigenes Forum-Abenteuer beim DSA-Ring "Namenloses Vergessen". Da es sich gewissermassen nur um einen Epilog handelt erwartet bitte jetzt nicht die komplexe Kurzgeschichte schlechthin. Vielmehr soll dies eine Einführung in das Buch zum Abenteuer sein...

Gruß, Connar


Langsam schob sich das fein gearbeitete Kanu an den schroffen, steingrauen Felsen in einer der unzähligen Buchten im Osten der Insel Token. Cankuna kam oft hierher, mindestens zweimal in einem Mond. Hier, geschützt vor den Widrigkeiten der rauen See und den Haien des offenen Perlenmeers, hatte der junge Miniwatu schon häufig besondere Schätze aus dem wenige Fuß tiefem Wasser gefischt. Vor allem Perlen, aber auch schon herrliche Muscheln oder alte echsische Steinbildnisse waren dem jungen Taucher in den Fangkorb geraten. Cankuna liebte diesen Ort, die Ruhe und die Abgeschiedenheit jenseits der hektischen Siedlung im Westteil der Insel. Anders als unter den blasshäutigen Siedlern konnte er hier draußen noch das ursprüngliche Leben eines Perlentauchers leben, die salzige Luft des Meeres einatmen, den Dschungel erkunden und auf den hohen Bäumen des Regenwaldes die Nächte verbringen. Der Miniwatu hörte auf zu paddeln, streckte seine rechte Hand nach dem Felsen aus und hielt sich an ihm fest. Als er sein Boot mir einem kurzen Seil festgemacht hatte, stand Cankuna auf und streckte sich kurz. Er war von kräftiger Statur, etwa acht Spann groß und trug seine gelockten schwarzen Haare mit einem Stirnband aus Schlangenleder nach hinten gebunden. Seine kupferbraune Haut leuchtete, als die Strahlen der aufgehenden Praiosscheibe seine Muskeln umspielten. Er schützte seine mandelförmigen, braunen Augen mit einer Hand vor dem Licht, griff nach seinem Obsidianmesser und dem geflochtenen Korb und sah in das flache Wasser unter sich hinab. Außer einem Lendenschurz und robusten Ledersandalen war Cankuna unbekleidet. Warum sollte er sich fernab der angeblichen Zivilisation auch anders kleiden als seine Ahnen? Hier war er kein tolerierter Wilder, dessen Stamm die Rechte und Forderungen der Blasshäute akzeptierte, sondern er war Cankuna der Flinke, der Herrscher der Bucht!

Als er ins Wasser blickte entfernten sich rasch einige kleinere Fische aus Furcht vor seinem Schatten. Dann sprang Cankuna kopfüber in gekonnter Manier in das hellblaue Nass, auf den herrlich-weißen Sandboden hinab. Wieder stoben Fische aus seinem Weg, als sich der athletische Körper des Tauchers in ihr Domizil hinabschraubte. Einige Schritt tauchte er nur um das Bild unter Wasser und das Prickeln des sanften Stromes auf seiner Haut zu genießen. Einfach herrlich, diese schönen bunten Fische, die wunderbaren Korallen und der herrlich geschwungene Seeboden aus feinstem Pudersand. Dann hatte Cankuna erblickt wonach er suchte. Entlang eines schönen Riffes um den Felsen herum waren sie wie auf einem goldenen Tablett vor ihm angerichtet, die herrlichsten Perlenaustern der Insel, friedvoll eingebettet zwischen kleinen Seeigeln, Tigermuscheln und Seeanemonen. Überhaupt kam ihm dieser Ort immer wie ein kleines Zauberwerk des großen Kamaluq unter Wasser vor. Cankuna war sich sicher, dass hier außer ihm niemand tauchte, denn er fand die Bewahrer der Perlen so vor, wie er sie vor einem halben Mond verlassen hatte. Die Strömung konnte ihnen im Schatten des Felsens nichts anhaben. Fein säuberliche Markierungen auf den Schalen der Austern kündeten von seinen letzten Besuchen und zeigten ihm, welche der rötlich-weißen Schönheiten heute geöffnet werden sollten. Der Miniwatu tauchte kurz auf, sog die herrlich angenehme Luft des frühen Morgens durch die Nasenflügel ein und tauchte wieder hinab zu seinem Riff. So arbeitete er einige Stunden und fand einige kleinere und mittlere Perlen, aber diesmal nichts besonders wertvolles. Aber immerhin waren die Perlen nahezu weiß und klar, wie Cankuna es nicht anders gewohnt war von diesem herrlichen Ort.

Gegen Mittag hatte er seine Betätigung in diesem Teil der Bucht beendet und tauchte auf, hangelte sich an Bord seines Einbaums und legte sich erstmal für einige Minuten in die kräftige Mittagssonne um sich zu entspannen und trocknen zu lassen. Sorgsam betrachtete er, gegen das Licht der Praiosscheibe gerichtet, die Perlen seiner heutigen Tauchgänge. Morgen wollte er nach Hause zurückkehren, in die Siedlung der Blasshäute am großen Fluss Tokuha-He. Doch Cankuna war noch nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis der vergangenen Tage. Aber in der Bucht gab es kaum andere Stellen für Perlenfischerei, die er noch nicht in den letzten Tagen besucht hatte. Nur eine Möglichkeit blieb ihm übrig, um seinen Vorrat an Perlen zu ergänzen: Die offene See vor der Bucht. Cankuna erhob sich und hielt nun Ausschau, betrachtete zuerst den Strand vor dem Regenwald und untersuchte diesen nach Anzeichen von Alligatoren und anderen gefährlichen Reptilien. Als er dort nichts erblicken konnte wendete der junge Miniwatu seinen Blick dem Meer zu. Auch über dem entfernten, blau-grünen Wasser außerhalb seiner Bucht erspähte er keine Gefahr, keine Haifischflossen, keine Boote anderer Stämme. Cankuna griff kurz mit beiden Händen in das angenehm warme Wasser, schöpfte etwas Wasser und kühlte sich damit ab. Nachdem er seinen Körper auf diese Art und Weise auf den Sprung ins Meer vorbereitet hatte, erhob sich der Perlenfischer, atmete mehrmals tief durch und überwand dann seine Furcht vor tieferen Gewässern. Mit einem Kopfsprung sprang er zurück in sein zweites Zuhause, tauchte neben dem Kanu auf und griff sich sein Messer und den Korb aus dem kleinen Boot. Cankunas Blick streifte noch einmal seine Umgebung, dann begann er zu schwimmen. Mit sanften, nahezu bedächtigen und dennoch kraftvollen Zügen näherte er sich seinem Ziel: Dem großen Riff vor der Insel, etwa acht große Bäume von seinem Felsen entfernt. Schnell machten ihm die verstärkte Strömung und der höhere Wellengang zu schaffen. Seine Kräfte verbrauchten sich ungewohnt rasch und Cankuna musste auf die Zähne beißen. Mit letzter Kraft erreichte er eine Untiefe, etwa zwei große Bäume vom Riff entfernt. Hier konnte er ohne Schwierigkeiten stehen, er fühlte den feinkörnigen Sand unter seinen Ledersandalen. Als er vor vielen Monden schon einmal hier tauchte war der Boden an dieser Stelle ungefähr einen Baum tief. Er stutzte und schöpfte neue Kraft. Nun beschloss Cankuna einmal hier herab zu tauchen, an dieser eigenartigen Stelle. Und so schwang sich der junge Miniwatu hinab in das kühlere Meereswasser, tauchte einige Schritt zurück in Richtung Bucht und öffnete dann seine Salzwasser gewöhnten Augen. Was er sah machte ihm Angst, denn unter Cankuna lag ein großer, etwa einen Baum durchmessender Krater. Aber nicht das erschreckte ihn, sondern vielmehr das unheimlich trübe, gelbliche Wasser am Boden und das darunter bläulich schimmernde Ding. Eine ungeheure Faszination ging von dem Gegenstand aus, so dass Cankuna beschloss, gegen alle Vernunft und wider besseres Wissen in die Tiefe hinabzutauchen. Nachdem er noch einmal aufgetaucht war, um tief Luft zu holen für den langen Weg nach unten, bahnte sich der Perlentaucher seinen Pfad in die Tiefe des Kraters. So tief war Cankuna seit Jahren nicht mehr hinab gestiegen und war gespannt, ob seine Lungen dem Druck des Meeres immer noch gewachsen sein würden. Die ersten Schwimmzüge waren leicht und er kam gut voran, doch dann erreichte er die gelbliche, wabbelige Schicht und seine Haut begann zu kribbeln. Aber seine Neugier war geweckt und Cankuna tauchte weiter hinab, während das Kribbeln auf der Haut sich in ein Brennen verwandelte, so als ob tausende giftiger Quallen ihre Tentakel auf seinen Körper pressen würden. Nur noch vier Schritt, nur noch drei. Jetzt musste er schon die Zähne aufeinander beißen, um den Schmerz auf seinem Körper zu unterdrücken. Aber Cankuna witterte reiche Beute, ein Artefakt wie er es noch nie gesehen, geschweige denn besessen hatte. Jetzt war es ganz nah, nur noch eine Armlänge! Es war, als ob von dem bläulichen Ziel seiner Begierde immer wieder feine Blitze ausgehen würden, als ob eine geheimnisvolle Energie sich entlud. Der Miniwatu sah dies mit den letzten Wimpernschlägen, bevor er auch seine Augen nicht mehr offen halten konnte vor Schmerzen. Der Jäger griff nach seiner Beute, mittlerweile kaum noch in der Lage seine Pein zu unterdrücken. Cankuna berührte den Gegenstand, schlang seine Finger um ihn – und verlor das Bewusstsein.

Die Abenddämmerung legte sich über die Bucht des unglücklichen Perlenfischers und schon bald begann es zu regnen und zu stürmen. Cankuna lag am Strand, leidvoll zusammengekrümmt und schlaff. Kaum ein Lebenshauch regte sich noch in ihm, er erwachte nur mühsam aus seinem Delirium. Seinen gesamten Körper zierten Brandbläschen und Pusteln, seine Hände waren verbrannt von dem unheilvollen Artefakt, das dort in der Bucht lag. Den ganzen Tag lag Cankuna dort am Strand, durchlebte schmerzvolle Phasen bei Bewusstsein und erholsame Perioden tiefen Schlafes. Erst am Abend des nachfolgenden Tages konnte er sich wieder mühsam erheben und auf die Beine kommen. Kamaluq selbst musste ihn beschützt haben, da war er sich sicher und Cankuna betete stumm vor sich hin, als er langsam zu seinem Boot zurückwatete. Die Ebbe erleichterte ihm zumindest die ersten Schritte Richtung Kanu, dann begann das qualvolle Schwimmen zum Boot. Immerhin schwemmte das Wasser den Sand aus den Wunden, doch das Salz setzte dessen Arbeit ungehindert fort. Besonders die Handinnenflächen Cankunas brannten bei jedem Schwimmzug. Dennoch erreichte er sein Kanu und kletterte mühevoll hinein. Auf dem Boden seines Einbaums verschwamm der Sternenhimmel über ihm und auch die Geräusche des Regenwaldes ließen nach. Keine zehn Wimpernschläge später war Cankuna wieder eingeschlafen. Am nächsten morgen paddelte er zurück zum Sandstrand, zog unter Schmerzen sein Boot an Land und versteckte es dort, wo es für gewöhnlich vor Fremden und den Unbilden der Natur sicher war. Dann machte er sich auf in den Regenwald hinein und lief nach Hause, in die Siedlung der Blasshäute. Cankuna war froh, dass er noch lebte und dankte Kamaluq dafür, doch ebenso trauerte er seiner Beute hinterher und auch den Perlen, die jetzt am Grunde des Kraters auf einen neuen Finder warteten. Er weinte vor Schmerz und kam nur mühsam vorwärts. Doch am Abend seines ersten Reisetages durch den Regenwald, als der Regen wieder eingesetzt und er sich sein Quartier auf einem herrlichen gewachsenen Baum zu Recht gemacht hatte, besserte sich Cankunas Laune erheblich. Denn wenn er schon nicht seine Perlen auf dem Markt von Port Oreal verkaufen konnte, so hatte er eine Information, die es zu versilbern galt. Der alte Lucan würde sich sicherlich dafür interessieren! Drei Tage später traf der geschundene und von Schmerzen geplagte Miniwatu in der Stadt der Blasshäute ein, betrat sein Lehmhaus und ließ sich erst einmal von seiner Schwester gesund pflegen. Dann machte er sich auf zu Lucan, dem alten Zauberer, von dem man behauptete, dass er für derartige Artefakte immer ein offenes Ohr hätte…
 
Hey lässt sich gut lesen. Gefällt mir sehr gut.
Irgendwie musste bei den Zeilen an den dritten Teil der Gezeitenwelt denken. Der schreibstil erinnert mich an Tom Finn, und die beschreibung der Gegend ist auch ähnlich. (Also vom Stil... ;) )
 
Danke für das Lob!

Das heißt dann ja, dass aus mir doch noch was in der Richtung werden kann!!! Jippiee!

Besonders, weil ich die Gezeitenwelt nicht mal gelesen habe!!!

Hört man wirklich gerne!!!
 
Das solltest du nachholen. Gehört mit zu dem besten was ich bisher gelesen habe.

Lob wem Lob gebührt.
 
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