Rezension Blue Planet

Silvermane

Wahnsinniger
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Blue Planet


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Wie schon von vielen Leuten mit denen ich privat in Kontakt stehe befürchtet kommt an dieser Stelle nun meine recht umfassende Vorstellung von Blue Planet. Aufgrund der Länge ist das ganze ein eher trockener Text geworden.
Und weil das ganze gar so trocken wurde, kommentiere ich das ganze aus dem Off. Ich darf mich vorstellen, ich bin Silvers 'Mr. Hyde'.

Fangen wir mit der generellen Aufteilung an. Blue Planet besteht aus 2 Regelwerken und 5 Sourcebooks. Diese sind:

Player's Guide
Moderator's Guide

Fluid Mechanics
First Colony
Frontier Justice
Natural Selection
Ancient Echos

Zwingend notwendig zum SPIELEN ist nur der Player's Guide. Dieser enthält alle notwendigen Regeln, die komplette Ausrüstung und genug Wissen über die Hintergrund um loslegen zu können.

Zum LEITEN allerdings ist der Moderator's Guide unabdingbar. Er enthält nicht nur etliche Beispiele für die lokale Flora und Fauna, sondern auch Hintergrundmaterial über das Pacifica-Archipel, das allgemeine Klima auf Poseidon sowie brauchbares Kartenmaterial und NSCs.
Und den Metaplot; der kann zwar konsequent ignoriert werden, aber er ist mit drin. Und deswegen sollten reine Spieler ihre Wurstfinger vom MG lassen, sonst ist das Geschrei wieder groß...Wenigstens ist der Plot locker und unverbindlich, im Gegensatz zu einigen Produkten aus dem Hause WW. Er ist auch garantiert Nuklearwaffenfrei. Die Kreaturen sind im übrigen sehr fremd. Die Zeichnungen tun ihr übriges, um ein überzeugendes Bild von einer fremden Ökologie zu zeichnen. Ich sage nur Augenpunkte...

Die Sourcebooks sind allesamt gut geschrieben, schwanken aber stark in ihrer Nützlichkeit für bestimmte Kampagnentypen.

Fluid Mechanics enthält "geile Spielsachen". Vom Drogen-Baggie für den kiffenden Meeressäuger von Nebenan bis zum Schwerlastflugzeug ist vieles enthalten, was das Leben leichter macht. Ausserdem sind die Regeln für den Fahrzeugkampf in diesem Buch.
Ja, zum Beispiel der Angriffs-Trimaran mit eingebauter Autokanone oder die schwere Infanteriegefechtspanzerung. Dem angehenden Meister wird empfohlen, die verfügbaren Spielsachen an die Art der Kampagne anzupassen. Naturforscher brauchen nicht wirklich einen militärischen Angriffsschweber und Luft-Boden-Raketen...

First Colony enthält Material über Haven, die größte Stadt auf Poseidon; neben gutem Kartenmaterial gibt es auch noch interessante NSCs und Unmengen an Hintergrundinformationen.
Die mir persönlich komplett am Heck vorbeigehen, denn ich bin nicht den weiten Weg von der Erde hergekommen um mein Leben in einem stinkenden Moloch von einer Stadt zu verbringen. Das kann ich Zuhause billiger haben.

Frontier Justice enthält Material über Poseidons Unterwelt und seine Cops, die illegalen Betätigungsfelder und die Organisation beider Seiten.
...und alle Russen auf Poseidon arbeiten für die Mafia. Aber was solls, ich hab' schlimmere Klischees erlebt. Für eine Bullen oder Mafiakampagne ganz nett, für den ambitionierten Naturforscher/Buschpiloten/Schürfer nur am Rande interessant. Ausser er will genau wissen wo sein Schutzgeld hinverschwindet.

Natural Selection hat nähere Informationen über Poseidons Flora und Fauna, ebenso wie über das Klima und die Gezeiten.
Und nach dem Genuß dieses Buches traut man sich fast gar nicht, Haven zu verlassen aus Angst aufgeknuspert zu werden. Man sollte die Viecher in homöopathischen Dosen einsetzen, sonst denken die Spieler noch im größten Freilichtdungeon der Rollenspielgeschichte gelandet zu sein. Das Wetter ist zwar auch fürchterlich, aber zumindest ist es nicht ansteckend und legt keine Eier in einem ab.

Ancient Echos enthält umfangreiches Material über Meeressäuger (die dank "Uplifting" über menschliche Intelligenz verfügen). Hier werden auch ein paar neue spielbare Rassen vorgestellt.
Und jetzt Hand hoch: Wer von euch möchte einen Orca oder Beluga spielen? Keiner? Dachte ich mir fast...

Die ersten 4 Sourcebooks sind als "Essential Collection zum Vorzugspreis zu bekommen und auf jeden Fall ihr Geld wert.
Wenn man sie kriegen kann. Ich kann nur meine Erfahrungen weitergeben und sagen das die Essential Collection ungefähr so leicht zu kriegen ist wie ein eingeölter Aal in einem Becken mit Vaseline...

Mach hier nicht alles runter. Blue Planet ist genial
Upp. 'Schulligunk, rutschte mir alles so raus...

Nun aber zum Hintergrund:

Hinter dem Pluto befindet sich ein Wurmloch, das in ein anderes Sonnensystem führt; in diesem System befindet sich der Planet Poseidon, eine Welt deren Oberfläche zu 97% mit Wasser bedeckt ist. Das Wurmloch wurde 2078 entdeckt.

Die Menschheit besiedelte diesen Planeten mittels genetisch an das Leben im und am Wasser angepasster Kolonisten sowie intelligenter Delphine und Orcas.

In der Zwischenzeit brach auf der Erde die Seuche aus; ein Virus, welches eigentlich zur Unkrautvernichtung gedacht war, rottete fast sämtliche Nahrungspflanzen aus. Der Kontakt zu Poseidon brach ab; es gab keine Nachschublieferungen für die 5000 Kolonisten, sie waren effektiv gestrandet.

Es dauerte 75 Jahre, um die Seuche in den Griff zu bekommen. Über 40 Milliarden Menschen starben an den Folgen. Und dann erinnerte man sich an Poseidon.

Ein zweiter Kolonisationsversuch wurde gestartet; zur großen Überraschung der Neuankömmlinge hatten die ersten Kolonisten nicht nur Überlebt, sondern waren auf eine Anzahl von 40.000 angewachsen. Sie hatten sich mit den lokalen Gegebenheiten arrangiert und waren quasi "Eingeborene" geworden.

Heute schreiben wir das Jahr 2199; neue Siedlungen entstehen überall auf Poseidon und neue Kolonisten kommen von überall her.
...und es herrscht mehr oder weniger Bürgerkrieg. Seit "Long John", ein Xenosilikat mit nahezu magischen Fähigkeiten im Bereich der Gentechnologie entdeckt wurde, sind viele der Incorporate Companies (Megakonzerne) der Erde damit beschäftigt, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Söldnertruppen werden eingesetzt, um Schürfrechte zu stehlen, Anlagen zu sabotieren und andere Spassige Dinge zu treiben. Organisiertes Verbrechen ist in den Städten an der Tagesordnung. Angesäuerte Eingeborene gehen dazu über, Schürfer und neue Siedler abzumurksen. Und zu allem Überfluss scheinen wir nicht alleine hier zu sein...

Das Regelsystem ist verhältnismäßig simpel. Attribute liegen auf einer Skala von etwa -3 bis +3 (für Menschen), der Durchschnitt liegt bei Null und das Attribut wird einfach zu einem Skill dazugezählt (die meist zwischen 1 und 10 liegen). Dann wird ein oder mehrere W10 geworfen (je nach Begabung im entsprechenden Feld). Je weiter das Ergebnis unter dem vorgegebenen Talentwert liegt, desto besser ist das Ergebnis. Bei mehreren Würfeln wird stets das beste Ergebnis genommen.

Der Kampf läuft ähnlich ab; Waffen haben einen Schadenswert, von dem eine etwaige Rüstung abgezogen wird. Dann werden gegen den ermittelten Wert 3W10 geworfen und die Erfolge gezählt. 1 Erfolg ist eine leichte Wunde, 2 eine schwere und 3 eine kritische. Ein Charakter kann eine beliebige Zahl von Wunden hinnehmen, aber deren Abzüge sind kumulativ, und jede kritische Wunde birgt das Risiko tödlich zu sein.
Nettes System. JEDER Treffer kann dich töten. Selbst ein Treffer mit einem simplen Messer kann unter den richtigen Umständen das Aus für dich bedeuten.

Die Charaktererschaffung ist vorbildlich; jeder Charakter bekommt Aufgrund der Erschaffung eine rudimentäre Hintergrundgeschichte verpasst. Zunächst wird eine Rasse ausgesucht:

Pure Strain - Mensch, ohne irgendwelche Modifikationen.
Modi - Mensch, mit biologischen Modifikationen und/oder Cyberware.
Aquaform - Mensch mit Tiefseeanpassung (Diver) oder Kiemen (Squid)
Spacer - Mensch mit hohlen Knochen und zwei Extrahänden anstatt Füssen.
Genie - Genetisch optimierter "Supermensch". Meist Kind wohlhabender Eltern.
Hybrid/Silva - Gorilla/Mensch Hybride. Als Soldat konzipiert, hatte aber keine Lust dazu.
Hybrid/Katze - Katze/Mensch Hybride. Als Kommandosoldat konzipiert, hatte aber keine Lust dazu.
Delphin - Intelligenter Meeressäuger.
Orca - Nicht ganz so intelligenter Meeressäuger, dafür sehr stark.

Dann sucht sich der Charakter aus, wo er aufgewachsen ist, wie er seine Jugend verbracht hat und welche Berufe er gelernt hat; anhand dieser Auswahl bekommt er dann seine Skills zugeteilt.

Anschliessend werden noch ein paar freie Punkte verteilt, die Biomods und die Ausrüstung ausgesucht, und der Charakter kann starten.

Hier beginnt dann der knifflige Teil; der Hintergrund bietet unmengen an Abenteuermöglichkeiten, allerdings muß die Gruppe irgendwie zusammenpassen. Gängige Konzepte sind Buschpiloten, Gangster, GEO-Soldaten, GEO-Marshalls mit Gefolge, Konzernsicherheitskräfte, Eingeborene Widerstandskämpfer, Söldner, Schürfer, Forscher und vieles mehr. Die Möglichkeiten sind enorm, aber die potentiellen Probleme sind es ebenfalls.
Wenn die Gruppe nicht zusammenpasst, wird's problematisch. Die Charaktere sind nicht ausgewogen, ein GEO Shocktrooper z.B. vertilgt rein wertemäßig so ziemlich jeden anderen Charakter zum Frühstück. Also sollte die Kooperationsbereitschaft innerhalb der Gruppe sichergestellt sein, bevor man loslegt, und nicht mittels einer Knarre ermittelt werden müssen.

Im Equipmentbereich gibt es noch zwei drei erwähnenswerte Kleinigkeiten: Zunächst mal sind umfassende Biomodifikationen an der Tagesordnung, und dann ist auch Telepräsenz mittel Drohnen etwas ziemlich alltägliches, speziell für die Meeressäuger.
Da ein Meeressäuger normalerweise nicht sprechen kann und auch nur mit grössten Problemen an Land agieren kann, ist er auf seine Drohne angewiesen, die für ihn spricht und seine menschlichen Kollegen begleiten kann. (Viele der Etablissements auf Poseidon stehen allerdings auch teilweise unter Wasser, um den Meeressäugern Zugang zu ermöglichen).
Es kommt auch kein Pizzabote, wenn du dir eine Mafiatorte bestellst. Stattdessen kommt eine Transportdrohne geflogen und deponiert den im voraus bezahlten Fladen am angegebenen Übergabepunkt.

Ein weiterer Punkt sind die relativ leistungsfähigen Computer und Kommunikationseinrichtungen. Es ist machbar, eine Drohne auf der anderen Seite des Planeten über ein Satellitenrelay in Echtzeit fernzusteuern. Ebenso sind Großrechner mittels DNA-Speicherbänken mit Kapazitäten jenseits von gut und böse ausgestattet. Selbst tragbare Bodycomps besitzen meist mehrere hundert Terabytes Speicher.

Waffen sind normale Projektilwaffen mit kleineren Änderungen in der Konstruktion (flüssiges Bikomponententreibmittel, z.B.) sowie den typische Cyberpunkextras (Smartguns, eingebaute Diagnosesysteme, etc.).

Das war unsere kleine Tour über den "Blue Planet". Bei Fragen zu System oder Hintergrund stehe ich gern zur Verfügung.

-Silver

Ich auch.

-Silver
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