[15.04.2004] - Jemand zu Hause?

traum

Grinsekatze
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Nach ihrer kleinen Aktion in der städtischen Bibliothek machten sich Lurker und Dimitri auf den Weg zu Dimitris Zuflucht. Die Geschehnisse der letzten Nacht hatte Dimitris Zeitgefühl ein wenig durcheinander gebracht, so dass er Brenda schlichtweg vergessen hatte. Als sie auf den Vorplatz der Zuflucht traten untersuchte Dimitri gleich ob ein gewaltsames Eindringen vorgefallen war, doch zum Glück war dies nicht der Fall.

Er ging zur Haupttüre und schloss sie auf.

"Na wollen wir mal hoffen dass sie da ist..."

Besorgt blickte er zu Lurker herüber.
 
Lurker strich ihm kurz über den Rücken um ihn zu beruhigen. Nur weil er eine Nacht nicht in seiner Zuflucht war, würde Brenda sich wohl nicht den Puls geöffnet haben. Sie kam Lurker eher wie eine Kämpfernatur vor, sie würde eher die ganze Nacht durch die Stadt laufen um Dimitri zu finden wenn er nicht da war, als deswegen zu verzweifeln.

Keine Sorge, wenn sie nicht hier ist, dann hat sie sicher eine Nachricht hinterlassen. Sie sollte doch auch irgendetwas für dich tun, oder ? Vielleicht liegt sie drinnen und schläft.

Er sprach ruhig und aufmunternd. Dimitri hatte schon diesen Raphael irgendwie verloren. vielleicht war er deshalb über nervös. Wer wußte schon was mit dem war ? Vielleicht war das Ganze zuviel für ihn und er war Irre geworden und hockte nun hinter Gittern, oder er hatte sich etwas angetan. Das war durchaus möglich. Es war keine genaue Wissenschaft mit den Menschen, manchmal verkrafteten sie es nicht, wenn sie Umgang mit den Kindern der Nacht hatten.
 
Dimitri öffnete langsam die Tür und trat in die Haupthalle ein. Sein suchender Blick schweifte umher, doch er konnte Brenda hier nicht sehen. "Brenda! Bist du hier?", rief er in die Dunkelheit der Halle. Kein Ton. Nichts. Nur das fahle Licht des Mondes schien in die Halle.

Er drehte sich zu Lurker um und hob die Arme und lies sie wieder fallen.
"Sie ist nicht hier. Ich hoffe es geht ihr gut und sie hat sich nur in Raphaels Haus zurückgezogen." Er ging die Halle ab und suchte eine Nachricht von ihr. Wieder Fehlanzeige. Verdammt nochmal, nicht auch noch Brenda!
 
Lurker stand ein wenig link in der Halle herum. Er konnte ja schlecht auch nach Brenda rufen. Auch wenn er sich durchaus Sorgen um die Kleine machte, wäre es ihr sicher nicht recht wenn er hier nun wie eine bersorgte Glucke herum rief. Also tat er einfach das was er konnte, er suchte nach Spuren.

Am Eingang sah er soweit nichts. Der Steinboden verriet ihm nicht ob jemand hier gewesen war. Es gab auch nicht sehr viele Möbel, sonst hätte er anhand von Spuren in der Staubschicht vielleicht etwas sagen können.

Ein wenig enttäuscht blieb er stehen und biß an seinen Fingerknöcheln herum.

Was hast du erwartet Lederstrumpf ? Seit wann bist du denn auch noch Pfadfinder ? Reicht es dir nicht mehr Sherlock Holmes zu sein ?

Er wischte den Gedanken verärgert fort. Sein Ansatz war gut gewesen, nur war weder genug Zeit vergangen, noch waren Möbel vorhanden.
Dann fiel ihm ein was er tun konnte. Lurker durchmaß die Halle und trat in den Hinterhof hinnaus.
Er suchte nach einer streunenden Katze, einem Hund, einer Ratte, irgendeinem Tier das diesen Ort möglicherweise in sein Revier aufgenommen hatte und das Gebäude im Auge hatte. Gab es vielleicht ein Vogel Nest ? Vielleicht ein paar Tauben ?
Lurker schlcih leise und vorsichtig über den Hof, auf der Suche nach einem Lebewesen.
 
Der Nachthimmel blieb leer. Aber wundern sollte es wohl kaum jemanden, gab es dieser Gegend doch wenig für die Tiere zu finden, insbesondere nächtens.
Allerdings... war es schliesslich einen Katze, die sich nicht nur finden liess, sondern regelrecht auf sich aufmerksam zu machen schien, als sie von einem der Nachbardächer heruntersprang und gradewegs in einem Haufen raschelndem Laub landete. Scheinbar hatte sie ein Mäusenest entdeckt, den eilig huschten einige winzige Schatten über den Hof, während das Kätzchen stillvergnügt und triumphierend Beute in ihren Krallen hielt.
 
Lurker sah fasziniert zu. Die Katze hatte ihre Freude an dem Reißen der Beute. Trotzdem konnte man sie nicht grausam oder bösartig schimpfen. Es war ihre Natur. Lurker war immer noch nachdenklich wegen des Gespärches mit Dimitri. Aber er schüttelte seine Zweifel ab. Er hatte schließlich eitwas zu tun. Er gig in die Hocke um sich optisch kleiner zu machen. Die meisten Tiere liefen vor Menschen weg, weil diese einfach viel zu groß waren.
Er versuchte sich in die Katze hinein zu denken, wie sie mit ihrem blutigem Mäulchen in der Maus spielte, was mochte sie fühlen ? Wie eine Stimmgabel versuchte er die Schwingungen der Katze aufzunehmen und im Gleichklang damit zu schwingen. Dann meinte er eine Verbindung zu fühlen. Er sandte ihr seine Glückwünsche zu der erfolgreichen jagt und das Gefühl das er selber auch kannte, wenn er sich an ein Opfer herranschlich, damit sie ihn als Gleichgesinnten erkannte.
Er hoffte das das Tier nicht einfach weglief. Katzen waren sehr eigen, man mußte ihnen schmeicheln damit sie sich mit einem abgaben. Lurker entsandte das Äquivalent eines mentalen Schnurrens zu ihr und übermittelte ihr Brendas Geruch, denn mit ihrem Bild, so wie Lurker sie sah würde eine Katze sicherlich nichts anfangen können. Für eine Katze sahen Menschen sicher alle gleich aus. Auch das Zeitgefühl war so eine Sache, er konnte sie nicht einfach fragen ob sie Brenda gestern gesehen hatte, aber er konnte nach der letzten Nacht und dem letzten Tag fragen, Wo die Sonne gestanden hatte als die Katze Brenda zuletzt gerochen hatte. Er wollte so herraus bekommen ob Brenda in der letzten Nacht hier gewesen war und ob die Katze wußte wohin sie ging.
 
Der Kopf des Tieres ruckte aufmerksam empor und die grünen Augen waren im Dunkel einen Moment fast überdeutlich zu erkennen. Ebenso, dass sie ihre Augen langsam zu schmalen Schlitzen zusammenzog, um Lurker genau im Auge zu behalten.
Meine Beute, such dir was Eigenes! So hätte man zumindest diesen Blick deuten können.
Aber Lurker wusste vielleicht einfach gut genug mit Katzen umzugehen. Die Krallen fest in den Körper der toten Maus gekrallt - nur für den Fall, dass man ihr die Beute doch entreissen wollte - starrte sie zu Lurker und rümpfte ihre feine Nase.

Hmm... Klar! DEN Geruch kenn ich!
Aber man kann selbst als aufmerksame Katze ja nicht immer alles im Blick haben. Schliesslich hab ich mich um die Jagd kümmern müssen - Mäuse fangen ist nicht nur eine ernstzunehmden Nahrungssuche, sondern auch Vergnügen, weisst du? Und zwischendurch hab ich mir auch mal eine Streicheleinheit holen müssen, bei so einem von denen die du da suchst... nur kleiner! Ab und an war sowas einfach nötig. Aber ich schweife ab... Du suchst ja diese andere... warte... wann hab ich die das letzte Mal gesehen? Ach ja, mit diesem anderen, der da drüber in der Halle steht. Das aber schon ein bisschen länger her. Ich hab in der Zwischenzeit bestimmt schon 10 Mäuse gefangen... als es hell war. Zweimal schon hell glaub ich... aber wenn du wissen willst wo die hin is... da fragst du die falsche Katze.


Schade, das man sich nie so genau in das Denken eines Tieres ineinversetzen konnte, oder? Aber immerhin, bekam Lurker die Gedanken der Katze in Bildern übermittelt, die wie ein Film - auch wenn er manchmal ein wenig aus der Reihenfolge geraten schien - vor seinem geistigen Auge abliefen.
 
Lurker war trotz des intensiven Blickes nicht zurückgewichen. Das Tier schien ihn mit glühendem Blick aufzuspießen und direkt in seine tiefsten Gedanken zu starren. Lurker schluckte hart, aber er hielt stand, er redete sich das nur ein, nur eine Katze.
Dann überschwemmte ihn das Tier beinahe mit allem was es in den letzten Stunden getan hatte, die Jagd, der Rausch, das Bedürfniss nach Berührung und mitten drinn, Brenda. Er konzentrierte sich auf Brenda und bekam das Gefühl einer unendlich langen Zeitspanne, in der Mann genug Nahrung für eine ganze Familie erjagen konnte.

Lurker hockte auf dem Boden, seine Augen flatterten und seine Finger zuckten wild, als er im geiste die Jagden des Tieres mitempfand. Schließlich tauchte im Geist der Katze etwas auf das er deuten konnte. Zwei Sonnenläufe und der Kerl dort drinnen.
Dies war das erstemal das Lurker mit einer Katze Kontakt aufgenommen hatte. Es fühlte sich frei an, anders als bei einem Hund, wild und fordernd. Exessziv. Lurker sandte einen Schwall von Zuneigung zu dem Tier als Dank und wandte sich dann ab.

Mit gemeßenen Schritten ging er zu Dimitri hinein. Er wußte nicht ob der Tzimisce in der Zwischenzeit auf seiner Suche das ganze Haus auseinander genommen hatte, oder ob dieser ihn beobachtet hatte.

Dimitri, sie war nicht mehr hier. Zuletzt als Du mit ihr hier gesprochen hast vor zwei Nächten. Seit dem ist sie hier in der Umgebung nicht mehr aufgetaucht.

Er klang kühl und ruhig. Er wußte nicht wie sein Bruder reagieren würde. Würde er vor Wut alles zerschmettern was er in die Finger bekam ? Oder würde er sich vor Angst und Trauer hinkauern ? Oder würde er sich direkt auf die Suche in der ganzen Stadt machen ?
Lurker würde versuchen ihn zu beruhigen falls nötig.
 
Dimitri hatte in der Zwischenzeit versucht irgendwo einen Anhaltspunkt zu finden, doch immer wieder wurde er von der Gewissheit übermannt, dass sie nicht hier war. Er war weder sauer, noch traurig. Er resignierte scheinbar. Erst Raphael, jetzt Brenda. Er warf sich mit dem Rücken gegen eine Wand und rutschte an ihr herab bis er stampfend auf dem Boden der Halle aufprallte. Wieso kann ich nicht? Wieso konnte ich nie?

Dimitri sah Lurker in die Halle kommen und vernahm seine Worte wie durch ein dumpfes Taschentuch, bevor er wieder langsam aus seiner Verzweiflung zu sich kam. Sie war nicht hier gewesen. Er hatte es doch geahnt!

Er sah Lurker traurig und unheimlich wütend an. "Sie wird nie wieder kommen. Und wenn doch, dann wird sie nie wieder die Selbe sein. Entweder ist sie tot, oder schlimmeres."

Er seufzte tief und hielt sich einen kurzen Moment die Hände vor das Gesicht.

"Aber ich werde jetzt nicht durch die Stadt laufen und sie suchen. Wenn sie noch lebt, dann wird sie zurecht kommen. Sie ist stark, ich weiß es."
 
Lurker hockte sich vor Dimitri und umschloß dessen gefalteten Hände mit einer seiner langen dünnen Hände. Mit der anderen streichelte er ihn sachte, bis er wieder zu ihm hinsah.

Wir werden sehen, mein Bruder...wir werden sehen.

Der Gedanke daran was der armen kleinen Brenda alles passieren mochte verknotete ihm die Eingeweide. Das arme Ding.
Was ihn aber am meisten erschreckte war Dimitris Anblick. Die Verluste der letzten Zeit hatten ihn tief getroffen und schmerzten ihn so sehr, das der stolze, starke Tzimisce sein Haupt senkte.
Das durfte nicht passieren, Lurker ertrug diesen Gedanken aus irgendeinem Grunde nicht. Er spürte eine unbändige Wut, sie floß heiß durch seine Adern, dröhnte brüllend durch seinen Schädel, füllte ihn aus. Ein Knurren rann von seinen spröden Lippen.
Er ergriff Dimitris Kopf mit beiden Händen und sah ihm geradewegs in die Augen. Er sprach langsam und betonte jedes Wort überdeutlich.

Paß auf.. ich werde sie finden... egal wo sie ist... ich kann alles und jeden finden, glaub mir das unsere Spezialität. Ob tot oder lebendig, ich finde sie.

Mit einem sanften drücken und glühenden Augen wandte sich Lurker ab und rannte durch die Türe in den Innenhof, vorbei an dem Laubhaufen, sprang über eine Mauer und verschwand in der Nacht... auf der Suche nach Brenda.
 
Nachdem Lurker seinen Kopf in den Händen hielt und ihm diese Worte zugesprochen hatte, verloren sich Dimitris Gedanken in wirren Fetzen der letzten Nächte. Er hatte so viel gegeben, es war wohl zu viel für diese paar Nächte. Er sah noch Lurker durch die Türe verschwinden, zog danach die Knie an sich heran und legte seine Arme darauf. Er flüsterte ein leises Danke in die Nacht und lies seine Stirn auf seine Arme sinken. Blutige Tränen troffen auf den Boden und vermischten sich schäumend mit dem Staub, der auf dem Beton lag.
 
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