VtM 5.Ed - V5 White Wolf wird bei Paradox eingegliedert

Den zweiten Weltkrieg, insbesondere den Holocaust, in irgendeiner Form zu "entschärfen" geht gar nicht.

Aber:
Wir reden hier von einem Zusatzband für ein Rollenspielprodukt. Das ist eine Nische von einer Nische. Ich finde es gut das das Thema aneckt und durchaus angemessen das da drauf reagiert wird. Die Art der Reaktion finde ich jedoch etwas übertrieben. Ein "Das war schlecht geschrieben, wir entschuldigen uns und werden das in Zukunft besser machen" hätte mMn voll ausgereicht.

Außerdem:
Das Thema wie man mit realem Ereignissen in RPG's (oder auch Filmen und anderen Medien) umgeht ist durchaus interessant. Hätte es auch so einen Aufschrei gegeben wenn in der geschichte General Custer von Dämonen oder Vampiren beherrscht worden wäre um die Indianer anzugreifen ? Was wenn es um noch ältere Ereignisse ginge z.B. aus dem alten Rom ? Ist es okay den realen Menschen damals die Verantwortung zu nehmen ? Macht man sich über das Leid der Opfer von damals lustig indem man den ersten Weltkrieg als Hintergrund für eine trashig, lustige, pulpige Steampunk-Kampagne wählt ?

Ich denke man kann und darf vieles machen. Aber es sollte richtig kommuniziert werden. Mir hätte auch ein Text gereicht in dem erklärt wird das die Geschehnisse im Spiel eine Sache sind, in der Wirklichkeit aber Menschen und zwar NUR Menschen und keine mystischen Wesen für die Gräuel verantwortlich waren und das man sich dessen immer bewußt sein sollte.
 
Ich finde leider die Quelle nicht mehr, aber vor paar Tagen hab ich was davon gelesen, dass der Author des Textes ursprünglich auch einen Textkasten vorgesehen hatte am Rand zu dem Thema, der sei aber im Editoring rausgeflogen. In wie weit das stimmt oder nur nachträgliches Kopf aus der Schlinge ziehen ist, muss jeder selbst beurteilen.

Neben dem ganzen berechtigten Trubel frag ich mich jedoch noch zusätzlich, was das Kapitel überhaupt im Camarilla Buch zu suchen hat, denn von der Beschreibung her klingt das ja alles mehr nach Sabbat. Plus, das klingt jetzt wahrscheinlich abwertender als es gemeint ist, für welche Gruppen stellt Tschetschenien denn ein Relevantes Setting dar?? Man hätte soviel Potential gehabt das relativ neu eroberte NYC zu beschreiben oder Washington DC (was unter besonderem Augenmerk der SI liegen wird) oder dem Abzug der Camarilla aus Berlin.

Generell bin ich von dem Buch im Vergleich zur Revised Version ziemlich enttäuscht gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich sage: "Hitler war kein Mensch, er war ein finsteres Wesen vom Yuggoth",

Hier sehe ich kein Problem denn Hitler bleibt Hitler egal was er genau war, Monster ist halt Monster.

am besten angereichert um "er hat mit seiner Hexerei die Menschen gefügig gemacht, und hat per Gehirnwäsche seine Untergebenen gelenkt" nimmt da Verantwortung raus, und lässt dann noch ein "Oh, der arme Himmler war eigentlich ein guter Kerl, wenn er doch bloß nicht verhext worden wäre!" zu.

Das dagegen ist natürlich geschmacklos und problematisch weil das alle Mitläufer entlasten würde und für ihr Tun keine Verantwortung tragen müssten.

Also ja, wenn die Vampire die wahren Täter mit ihren Vampirmanipulationskräften zu den Taten angestiftet haben werden die wahren Täter aus ihrer Verantwortung genommen und ihnen sozusagen den Monsterstatus aberkannt weil sie dann ja selber nur Opfer waren. Sowas geht dann natürlich gar nicht.
Aber wenn die Folterknechte alle als Vampire dargestellt werden bleibt ihr tun ja monströs, ihr Wesen abartig. Nur weil der Täter als Vampir dargestellt wird entschuldigt das für mich nichts. Monster bleibt Monster egal ob Mensch oder Vampir. Es kommt ja nicht von irgendwoher das man böse Menschen auch mal als Teufel, als Dämon, als Bestie betitelt.
Da der ganz große Teil der Menschen altruistisch ist und zu solchen Taten nur in extremen Ausnahmezuständen fähig ist, ist es nur ganz natürlich wenn man die Täter nicht mehr als Menschen bezeichnen will. Sie haben sozusagen ihren Titel Mensch verwirkt und haben einen neuen Titel bekommen. In der Erzählung wird der Titel dann eben auch noch mit einer veränderten Physis und dämonischen Fähigkeiten ergänzt.
 
Ich persönlich bin halt kein Fan davon, Menschen aufgrund ihrer Taten als Monster zu betiteln.
Das hat für mich immer die Implikationen, dass sie eben aufgrund ihres Wesens so handeln, wie sie es eben tun. Weil sie ja Monster sind.

Für mich ist das viel entscheidendere, dass eben Menschen anderen Menschen schlimmes antun.

Wenn man sie dann dämonisiert, blendet man aus, dass viele Menschen unter bestimmten Umständen zu schlimmen Taten fähig sind.
Und das kann ich so gar nicht ab.
 
Es nimmt realen Menschen die Verantwortung für ihr Tun.
Sie zu dämonisieren, zu sagen dass das Monster waren, tut genau das.
Wenn ich sage: "Hitler war kein Mensch, er war ein finsteres Wesen vom Yuggoth", am besten angereichert um "er hat mit seiner Hexerei die Menschen gefügig gemacht, und hat per Gehirnwäsche seine Untergebenen gelenkt" nimmt da Verantwortung raus, und lässt dann noch ein "Oh, der arme Himmler war eigentlich ein guter Kerl, wenn er doch bloß nicht verhext worden wäre!" zu.
Und das ist meiner Erachtung nach einerseits zutiefst geschmacklos.
Andererseits tut es auch so, als wären bestimmte schlimme Taten nur durch monströsen Einfluss erklärbar. Und das ist Quatsch.
Das ist ja das schlimme - dass solche Gräuel durch Menschen begangen werden. Da brauchts kein großes, mythisches Böses.

Du hast auch ganz recht, dass eben genau dieses Übernatürliche Menschen aus der Verantwortung entlässt. Wenn finstere Wesenheiten, mit Blutsbanden und Gedankenkontrolle arbeiten - dann können die Menschen doch nichts dafür.

Das ist ein Punkt. Der andere. Wir wissen, Cthulhu und Vampire sind Fiktion. Wenn ich also in einem fiktiven Werk davon rede, dann kann ich sehr schnell daraus ableiten, das was ich beschreibe ist auch Fiktion. Also wenn Hitler als finsteres Wesen vom Yuggoth eine Fiktion ist - dann könnten seine - und die anderer reine Fiktion sein.

Zudem, es braucht doch sowas gar nicht. Selbst früher haben sie es hinbekommen sich ominös genug zu halten damit man es eben für sich einbauen kann. Da waren Konflikte in Vampire eben alle eigentlich irgendwie fiktiv. Vampire gegen Vampire. Vampirgruppen gegen Vampirgruppen, gegen Hexenjäger, gegen Magier, gegen Werwölfe,.... aber das waren eben fiktive Gruppen die da im Fokus standen.
 
[...]

Aber:
Wir reden hier von einem Zusatzband für ein Rollenspielprodukt. Das ist eine Nische von einer Nische. Ich finde es gut das das Thema aneckt und durchaus angemessen das da drauf reagiert wird. Die Art der Reaktion finde ich jedoch etwas übertrieben. Ein "Das war schlecht geschrieben, wir entschuldigen uns und werden das in Zukunft besser machen" hätte mMn voll ausgereicht.
[...]

Ich denke man kann und darf vieles machen. Aber es sollte richtig kommuniziert werden. Mir hätte auch ein Text gereicht in dem erklärt wird das die Geschehnisse im Spiel eine Sache sind, in der Wirklichkeit aber Menschen und zwar NUR Menschen und keine mystischen Wesen für die Gräuel verantwortlich waren und das man sich dessen immer bewußt sein sollte.


Es hat niemand die Löschung des Textes gefordert afaik.
Habe mal das für mich wichtige stehen lassen.

Das wäre das Wesentliche gewesen
 
Habe ich denn irgendwo geschrieben das irgendwer die Löschung des Textes gefordert hätte ? Es ist ja WW selbst (bzw Paradox) die den Text jetzt löschen wollen.

Das ganze erinnert mich gerade wieder an den die "Wege der Vereinigung". Dort haben dann Leute wegen einer unglücklichen Textpassage gekündigt. Vielleicht ist es ja auch den heutigen Medien (vor allem dem Netz) geschuldet das die "Fans" jetzt alles auf die Goldwage legen und sich über jeden Fehlgriff dermaßen unverhältnismäßig aufgeregt wird das die Verlage gleich um ihre Verkaufszahlen bangen müssen. Das ist jedenfalls nicht gerade eine förderliche Atmosphäre.

Ich betone nochmal: Die besagten Stellen sind (in beiden Werken) sicherlich nicht in Ordnung. Aber die Reaktionen der beteiligten und einiger Fans sind mMn unangemessen stark.
 
Hm, die Macht von Fans erstreckt sich nunmal über "Kaufe ich - und rede vllt drüber" bis zu "Kaufe ich nicht - und rede vllt drüber".

Das tun sie aus den verschiedensten Gründen. Seien es jetzt Regeländerungen, Illustrationen, Verlagspolitik ums Bezahlen der Autoren, oder eben anderes.
Das also dementsprechend zu tun, finde ich nicht unangemessen.

Was vor der Kündigung um das Wege der Vereinigung noch verlagsintern gelaufen ist, weiß ich nicht. Sicherlich ne ganze Menge, sicherlich war das dann der Tropfen, der es zum Überlaufen brachte. Und zudem etwas, was man öffentlich kommunizieren konnte - was für Verlagsinterna eben idR nicht gilt.
Von daher sehe ich auch da nichts unangemessenes.
Man darf ja kündigen, wenn ein Arbeitgeber einem nicht passt.
 
Habe ich denn irgendwo geschrieben das irgendwer die Löschung des Textes gefordert hätte ? Es ist ja WW selbst (bzw Paradox) die den Text jetzt löschen wollen.

Das ganze erinnert mich gerade wieder an den die "Wege der Vereinigung". Dort haben dann Leute wegen einer unglücklichen Textpassage gekündigt. Vielleicht ist es ja auch den heutigen Medien (vor allem dem Netz) geschuldet das die "Fans" jetzt alles auf die Goldwage legen und sich über jeden Fehlgriff dermaßen unverhältnismäßig aufgeregt wird das die Verlage gleich um ihre Verkaufszahlen bangen müssen. Das ist jedenfalls nicht gerade eine förderliche Atmosphäre.

Ich betone nochmal: Die besagten Stellen sind (in beiden Werken) sicherlich nicht in Ordnung. Aber die Reaktionen der beteiligten und einiger Fans sind mMn unangemessen stark.
Sorry - las sich für mich so. Wenn du das nicht so gemeint hast - mea culpa.

Soweit ich das verstanden habe prüft WW bzw Paradox die Löschung bzw Überarbeitung (sagte jemand Textkasten? ;)). Beides sind Möglichkeiten.

Im Internet wirken Dinge sehr schnell sehr groß. Das ist de Medium geschuldet. Briefe schreiben kostet Geld, und so schnell wie im Netz lässt sich halt nirgends Kritik äußern. Da wird schnell eine enge sehr laut.

Aber ich würde mich durchaus als Fan bezeichnen, und sage für mich: In der Form ist das nicht in Ordnung. Und über den Geldbeutel abstimmen ist schwierig, wenn man vorbestellt, bzw sich nicht erst die Sachen als Raubkopien besorgt. Ich weiß ja vorher nicht was drin steht. Und ist ja nicht nur so, das nur vollkommen unbeteiligte sich dran stören, soweit ich das den Medien entnommen habe, regt sich die tschetschenische lgbt Community da auch auf - als direkt Betroffene.

Ich würde mich aber interessieren, welche Reaktionen findest du jetzt konkret "unverhältnismäßig stark"?

Und ja, ich finde es schade, wenn der Verlag um Verkaufszahlen bangen muss - ich muss aber auch sagen selber schuld. Sie haben ein heißes Eisen angefasst und sich die Finger verbrannt. Ich hoffe, dass Paradox/WW sich da aufrappeln, und die Dinge in die richtigen Bahnen lenken. Und ich hoffe, dass sie an eventuelle Lizenznehmer gewisse Ansprüche stellen was die Inhalte angeht.
 
Ich muss gestehen, dass ich die ganze Aufregung um das betreffende Kapitel im V5-Camarilla-Buch nicht so recht verstehe. Ob das Ding gut (oder geschmackvoll) geschrieben ist, darüber kann man sicher streiten. Aber sich darüber aufregen, dass ein ganzes Land negativ dargestellt oder gar verunglimpft wird? Wir reden über ein Vampire-Quellenbuch, nicht über die 2018er-Ausgabe des Baedeker. Ab dem Moment, wo vorne auf dem Cover "Vampire: The Masquerade" drauf steht, ist doch vollkommen klar, dass es sich um reine Fiktion handelt. Sicher, manches lehnt sich an unsere Realität an, quasi als Ausgangspunkt. Aber sobald Kreaturen mit spitzen Zähnen durch's Bild laufen, müsste doch eigentlich klar sein, dass es hier längst nicht mehr um die Realität geht. Vielleicht um eine alternative Realtität, eine "Was-wäre-wenn?"-Historie, aber nicht mehr.

Erinnert sich vielleicht noch irgendjemand an das ziemlich abgefahrene Rollenspiel "Underground" (Mayfair Games, 1993)? In der Weltbeschreibung hieß es damals über Deutschland (oder vielmehr "Neo-Deutschland") u.a.:
Regierungsform: Totalitäres Kollektiv
Wahlrecht: Nur für Parteimitglieder
Religion: 100% Scientology (Staatsreligion)
und
"In der Weltgemeinschaft sind die Neo-Deutschen für ihre kalte Effizienz bekannt [...]."

Klar, die Deutschen mal wieder. Kalte, effiziente Parteidrohnen und Scientologen. Das Nazi-Sein steckt denen halt irgendwie im Blut. Natürlich kann man jetzt sagen, dass das nicht ganz mit dem umstrittenen V5-Kapitel vergleichbar ist, immerhin wird bei "Underground" ja ganz eindeutig nicht von einer mit unserer vergleichbaren Realität ausgegangen. Trotzdem ist das Zerrbild der Deutschen nicht unbedingt schmeichelhaft. Egal. Es ist ein Spiel, nicht mehr. Wenn die Tschetschenen in V5 (gelinde gesagt) unvorteilhaft dargestellt werden, so what? Es ist nur ein Spiel. Ich finde es auch nicht verwerflich, reale Personen als NSCs zu verwenden oder reale Tragödien in den Kontext einer Geschichte (egal ob Film, Buch oder eben Rollenspiel) zu zerren. Unsere Vampire-Chronik beispielsweise spielt im Chicago unserer Tage, und natürlich läuft da gelegentlich mal der Bürgermeister Rahm Emanuel durch's Bild, weil der Prinz selbstredend einen Draht nach ganz oben hat (vor ein paar Jahren hatte auch eine gewisse Michelle Obama mal einen kurzen Gastauftritt bei einem Wohltätigkeits-Event). Ich bin sicher, im echten Leben ist Bürgermeister Emanuel ein rechtschaffener Mensch, der für seine Wähler nur das beste will und durch seinen Widerstand gegen Präsident Trump hinsichtlich des Umgangs mit illegalen Immigranten soziale Verantwortung an den Tag gelegt hat. Bei uns steckt er halt bis zum Hals in der Tasche des Prinzen und tanzt ggf. nach dessen Pfeife. Und wenn das real-existierende Chicago aktuell ein massives Problem mit Gewaltkriminalität hat (ist gerade echt kein friedliches Pflaster dort), dann sehe ich keine Herabwürdigung der Opfer dieser Verbrechen, wenn bei uns der Sabbat einer der Gründe für die vielen Schießereien und sonstigen Mordtaten ist. Real-Chicago und Vampire-Chicago haben vielleicht einen gemeinsamen Ausgangspunkt - hohe Kriminalität -, aber ab da gehen die beiden Chicagos eben unterschiedliche Wege: In der Realität mag es die verschiedensten sozialen und wirtschaftlichen Gründe für die hohe Kriminalitätsrate geben, bei Vampire steckt eben (u.a.) der Sabbat dahinter.

Vielleicht sollte man, bevor man sich auf den Schlips getreten fühlt, ab und an mal einen Schritt zurücktreten, sich die vermeintliche Quelle der Aufregung in Ruhe anschauen, und dann einfach mal sagen: Es ist nur ein Spiel. (und - das ist ja das Schöne an einem freien Markt - man muss es nicht kaufen...)
 
Hinsichtlich der Editorialen Bearbeitung des Kapitel wurde vermutet das der Editor den Umstand entfernt hat, dass der Text von einem fiktiven Erzähler stammt.
Dies wiederum stellte sich als falsch heraus. Das Kapitel ist respektive war sehr deutlich mit "Geschrieben von einem Banu-Haqim namens <...>" übertitelt.

Der Umstand das es ein Text aus der Feder eines fiktiven Erzähler stammt ist allerdings aus dem verbreiteten Auszug des knapp 10-seitigen Kapitel nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, das aufgrund des Umstand das lediglich der Auszug verbreitet wurde, und dieser noch in eigenen Worten widergegeben, es zu einem "Stille Post"-Phänomen gekommen ist.
Bspw. sind nicht Vampire laut dem Text für die Folterung, Misshandlungen, Entrechtungen und Ermordungen von Homosexuellen verantwortlich, sondern weiterhin Menschen.
Die Vampire instrumentalisieren diesen Umstand lediglich um die offene Vampir-Herrschaft in Tschetschenien [grob: Szenario von the Strain, nach der Bombe] zu vertuschen.

Das ganze ist als eine Beschreibung für eine Kriegs-Region einsortiert und soll wohl als Beispiel für ein Szenario bieten in dem die Struktur der Camarilla aus den Fugen gelaufen ist.
Wo die Camarilla aufgrund ihrer Struktur allerdings auch keinen vernünftigen Fuß auf den Boden kriegt um dem fanatischen Fachismus entgegen zu treten.
 
Ich muss gestehen, dass ich die ganze Aufregung um das betreffende Kapitel im V5-Camarilla-Buch nicht so recht verstehe. Ob das Ding gut (oder geschmackvoll) geschrieben ist, darüber kann man sicher streiten. Aber sich darüber aufregen, dass ein ganzes Land negativ dargestellt oder gar verunglimpft wird? Wir reden über ein Vampire-Quellenbuch, nicht über die 2018er-Ausgabe des Baedeker. Ab dem Moment, wo vorne auf dem Cover "Vampire: The Masquerade" drauf steht, ist doch vollkommen klar, dass es sich um reine Fiktion handelt. Sicher, manches lehnt sich an unsere Realität an, quasi als Ausgangspunkt. Aber sobald Kreaturen mit spitzen Zähnen durch's Bild laufen, müsste doch eigentlich klar sein, dass es hier längst nicht mehr um die Realität geht. Vielleicht um eine alternative Realtität, eine "Was-wäre-wenn?"-Historie, aber nicht mehr.

Erinnert sich vielleicht noch irgendjemand an das ziemlich abgefahrene Rollenspiel "Underground" (Mayfair Games, 1993)? In der Weltbeschreibung hieß es damals über Deutschland (oder vielmehr "Neo-Deutschland") u.a.:
Regierungsform: Totalitäres Kollektiv
Wahlrecht: Nur für Parteimitglieder
Religion: 100% Scientology (Staatsreligion)
und
"In der Weltgemeinschaft sind die Neo-Deutschen für ihre kalte Effizienz bekannt [...]."

Klar, die Deutschen mal wieder. Kalte, effiziente Parteidrohnen und Scientologen. Das Nazi-Sein steckt denen halt irgendwie im Blut. Natürlich kann man jetzt sagen, dass das nicht ganz mit dem umstrittenen V5-Kapitel vergleichbar ist, immerhin wird bei "Underground" ja ganz eindeutig nicht von einer mit unserer vergleichbaren Realität ausgegangen. Trotzdem ist das Zerrbild der Deutschen nicht unbedingt schmeichelhaft. Egal. Es ist ein Spiel, nicht mehr. Wenn die Tschetschenen in V5 (gelinde gesagt) unvorteilhaft dargestellt werden, so what? Es ist nur ein Spiel. Ich finde es auch nicht verwerflich, reale Personen als NSCs zu verwenden oder reale Tragödien in den Kontext einer Geschichte (egal ob Film, Buch oder eben Rollenspiel) zu zerren. Unsere Vampire-Chronik beispielsweise spielt im Chicago unserer Tage, und natürlich läuft da gelegentlich mal der Bürgermeister Rahm Emanuel durch's Bild, weil der Prinz selbstredend einen Draht nach ganz oben hat (vor ein paar Jahren hatte auch eine gewisse Michelle Obama mal einen kurzen Gastauftritt bei einem Wohltätigkeits-Event). Ich bin sicher, im echten Leben ist Bürgermeister Emanuel ein rechtschaffener Mensch, der für seine Wähler nur das beste will und durch seinen Widerstand gegen Präsident Trump hinsichtlich des Umgangs mit illegalen Immigranten soziale Verantwortung an den Tag gelegt hat. Bei uns steckt er halt bis zum Hals in der Tasche des Prinzen und tanzt ggf. nach dessen Pfeife. Und wenn das real-existierende Chicago aktuell ein massives Problem mit Gewaltkriminalität hat (ist gerade echt kein friedliches Pflaster dort), dann sehe ich keine Herabwürdigung der Opfer dieser Verbrechen, wenn bei uns der Sabbat einer der Gründe für die vielen Schießereien und sonstigen Mordtaten ist. Real-Chicago und Vampire-Chicago haben vielleicht einen gemeinsamen Ausgangspunkt - hohe Kriminalität -, aber ab da gehen die beiden Chicagos eben unterschiedliche Wege: In der Realität mag es die verschiedensten sozialen und wirtschaftlichen Gründe für die hohe Kriminalitätsrate geben, bei Vampire steckt eben (u.a.) der Sabbat dahinter.

Vielleicht sollte man, bevor man sich auf den Schlips getreten fühlt, ab und an mal einen Schritt zurücktreten, sich die vermeintliche Quelle der Aufregung in Ruhe anschauen, und dann einfach mal sagen: Es ist nur ein Spiel. (und - das ist ja das Schöne an einem freien Markt - man muss es nicht kaufen...)

Alles richtig aber, wir reden hier von Vampire.

Der größten Horrorfantasyrollenspielreihe der Welt. Diese Lizenz gehört einem Videospielentwickler, der sicher ein Interesse daran hat, dass die Reihe an sich weiterläuft, aber logischerweise irgendwann auch eine multimediale Verwertung der Lizenz anstrebt.

Das ist was ganz anderes als eine Tischrunde oder die Beschreibung einer Zukunft eines heutzutage relativ obskuren Titels.

Das nicht jeder "Real World"-Ansatz in V5 unkritisch konsumiert wird, muss White Wolf spätestens mit dem Aufschrei, nach dem jemand "Alt Right" als Brujah-Charakterkonzeptvorschlag gelesen und messerscharf geschlossen hat, dass die Zielgruppe für V5 Rechtsradikale sind, bekannt gewesen sein.

Das bedeutet nicht, dass der Aufschrei immer gerechtfertigt ist, V5 hat da bereits im Vorfeld einiges ungerechtfertigt abbekommen, aber dass die Gefahr besteht, war bekannt und dann sollte man sich als Verleger schon fragen, ob es wirklich notwendig ist eine reale Situation 1:1 als Spielvorlage zu verwenden. Zumindest wenn ich nicht sicher sein kann, dass ich damit in einer Weise umgehen kann, die dem Thema gerecht wird.

In dem Fall ist dass offenkundig nicht passiert und das hat zu einigen heftigen Reaktionen geführt, von Lesern, die das Gefühl haben, dass hier ein Progrom verharmlost wird über die tschetschenischen Regierung, die sich als Opfer einer Rufmordkampagne stilisiert bis zu den Opfern der Verfolgung, die sich hier auf die Lieferanten eines billigen Kicks reduziert sehen.

Das kann man nicht mehr durch eine Änderung der Passage kitten und wahrscheinlich wird das Buch nicht schlechter wenn das Kapitel nicht mehr vorhanden ist, von daher ist es sicher für Paradox das Einfachste, die Stelle zu entfernen und das Buch entsprechend später herauszubringen.

Alles Andere (die Eingrenzung der Tätigkeit auf Verwaltung und Vergabe der Lizenzen, die stärkere Eingliederung WWs usw. ) stand ja schon vorher fest.
 
Es gab davorkeinen "Alt Right"-Charakterkonzeptvorschlag sondern es wurde in einer Liste von verschiedenen, sehr unterschiedlichen Gruppen erwähnt das Brujah mitunter auch "Alt Right"-Ideologen als Childer aufnehmen.
Für ein Charakterkonzeptvorschlag würde ich doch mindestens etwas in der Richtung von einem Satz und eher noch ein bis zwei Absätze erwarten.

Hinsichtlich des Tschetschenien-Kapitel ist eine Herausforderung das knapp eine Spalte aus einem zehnseitigen Kapitel genommen wird und mitunter ohne auch nur diese gelesen zu haben verbreitet.
Mögliche andere Reaktionen von Paradox hätten daraus bestehen können das man das Kapitel umgestaltet und anstelle einen fiktiven Erzähler das Kapitel "normal" schreibt. Ebenso wie die Option bestanden hätte das Kapitel um einen deutlichen Hinweis auf die aktuellen Vorgänge in Tschetschenien zu ergänzen und damit den Lesern die Möglichkeit zu geben den Kontext besser zu erkennen. Auch wäre es mitunter eine Option die Intention deutlich auszuformulieren.

Die Entfernung des Kapitels hat politisch die Herausforderung das sich Personen hinstellen können und werden die behaupten es wurde entfernt weil man keine Todeslager für Homosexuelle hat. Es wird auch Personen auf dem LGBT+ Bereich aufstoßen welche es als einen guten und wichtigen Hinweis auf die Geschehnisse sehen und den Umstand es in eine Vampir-Metapher (so offensichtlich sie auch ist) zu packen begrüßen weil es die Thematisierung einfacher macht.

Insofern ist es für Paradox am einfachsten, ob es unbedingt das beste ist, ich weiß nicht.
Zumal Personen die Anstoß daran nehmen das man in einer Liste von Personen mit stark ausgeprägten Ideologien auch Alt-Right Personen benennt, weiteren Grund zum Anstoß finden können und werden. Die blättern dann einfach weiter und stürzen sich k.A. z..B. auf den Abschnitt zu Aleppo.
 
Das nicht jeder "Real World"-Ansatz in V5 unkritisch konsumiert wird, muss White Wolf spätestens mit dem Aufschrei, nach dem jemand "Alt Right" als Brujah-Charakterkonzeptvorschlag gelesen und messerscharf geschlossen hat, dass die Zielgruppe für V5 Rechtsradikale sind, bekannt gewesen sein.
Aber genau in dem Fall kann ich den Aufschrei nur teilweise nachvollziehen, denn meines Wissens stand da irgendwas, dass Alt Right eine Tarnbezeichnung für Neonazi sei, was sehr vielen aus dem rechten Spektrum überhaupt nicht gefällt.

Und in Jäger: Die Vergeltung gab es als Beispielcharakter für ein sehr radikales Bekenntnis auch einen früheren Neonazi, der seine seine Vorstellungen von rassischer Minderwertigkeit auf übernatürliche Wesen übertragen hat.

Edit: Und Buschmänner wurden seitens White Wolf schon in den frühen Neunzigern indirekt als unzivilisiert bezeichnet: https://blutschwerter.de/thema/der-nerd.83543/page-3#post-1948483

Es gab Baali. Es gab die Black Dog Bücher.
[klugscheißmodus=Ich lasse mal den Besserwisser raushängen]Das Baali-Clanbuch ist meines Wissens auf Englisch unter dem Black-Dog-Imprint erschienen.[/klugscheißmodus] ;)
 
Das stimmt so nicht, in der endgültigen Fassung wird lediglich vom Neonazi der diese Bezeichnung als Tarnnamen für seine Ideologie verwendet als möglichem Brujah gesprochen, das kann jeder interpretieren wie es gerade passt. Und das ist für diese Geschichte auch nur eingeschränkt wichtig.

Fakt ist es wurde eine Passage aus dem Kontext gerissen, jemand hat diesen Teilsatz interpretiert und am Ende wurde verbreitet, dass aus den rebellischen Brujah verkappte Nazis gemacht wurden.

Stimmt nicht, wurde aber so gesagt, es gab einen Backlash und man musste Damage Control betreiben ehe das Buch überhaupt auf dem Markt war.

Das ist halt die Gefahr, wenn ich reale und aktuelle Ereignisse als Basis verwende und nicht lediglich Bezug darauf nehme. Und wenn ich bereits damit konfrontiert wurde, sollte die Frage, wie real man sein kann eigentlich ein Automatismus sein.

Diesen Spagat haben sie im GRW eigentlich ganz gut hinbekommen, zwar wird immer wieder angedeutet das Vampire reale Ereignisse amoralisch ausnutzen, aber nie gesagt, dass sie Dinge gezielt und umfassend steuern würden. Dadurch gab es einen Realbezug aber es ist nicht diese Big Conspiracy die alles steuert und damit entschuldigt. Deshalb hat es mich sehr gewundert, dass es eine Passage gab, die genau diesen Ansatz, lt. der Kritiker relativ hemdsärmlig, umdreht.

Und ob das wirklich ein politischer Kommentar sein kann, lässt sich sicher drüber streiten.

Es hat eine abzusehende Entwicklung offenkundig beschleunigt und die Zukunft wird zeigen, ob das gut für die Reihe war oder nicht.
 
Ich erinnere mich an einen Vampir-Antagonisten aus "Requiem for Rome" der Kinder in eine Olivenpresse steckte, um auf einem Empfang "frischgepresstes Blut" zu servieren.
Widerlich und abstoßend, keine Frage.
Aber sowas hat man früher bedenkenlos als Schocker gebracht und man konnte es im Rahmen eines Horrorspiels für Erwachsene auch bringen,
Haha oh Gott, ist das... juvenil. Das ist total blöd und peinlich und im Ergebnis was ganz anderes als ne dünn bemäntelte Missbrauchsmetapher. Die aber eigentlich auch immer der Kern des Spiels sind.
Und vermutlich kommt auch beides aus dem selben peinlich-juvenilen Edgynessimpuls.
Wenn ich Medien "für Erwachsene" sehe, werde ich ja immer ganz misstrauisch. Die sind in der Regeln nicht "für Erwachsene", sondern für innere oder tatsächliche Sechzehnjährige, die Kinder in Olivenpressen und Kettenhemdbikinis cool finden und die krassesten Edgelords auf dem Schulhof sein müssen. Sie aus, als wäre WW wieder zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt. :rolleyes:
 
Zuletzt bearbeitet:
Meiner Einschätzung nach basiert die Kontroverse um das Tschetschenie-Kapitel nicht auf besonders bildlich-krassen Beschreibungen oder weil man darin Rassismus sah.
Sie basiert auf etwa eineinhalb Spalten eines etwa zehnseitigen Kapitel, in dem der Tschetschenien-Konflikt aufgegriffen wird und Vampire die von Menschen initiierte und umgesetzte Verfolgung von Homosexuellen Nutzen um damit mittels Medienmanipulation von eigenen Taten sowie der eigenen Existenz abzulenken.

Wobei hinzukommt das viele das Buch wie das Kapitel nicht gelesen haben, und mitunter nicht einmal den Screenshot des Textausschnitt.
Weshalb Aspekte anders dargestellt werden als sie im Text stehen, diese wiederholt, in der Wiederholung angepasst und mitunter Aspekte eingebracht werden die so nicht im Text zu finden waren. Wie die These das der Text behauptet das die Verfolgung von Homosexuellen gar nicht stattfindet und von den Vampiren nur inszeniert wird. Das der Text seine Entsprechungen in Geschmacklosigkeiten wie Dr. Tötentanz, Gypsies oder anderen Beispielen hat.

Was wiederum den Diskurs, der so schon intensiv ist, weiter auflädt.

Hinsichtlich des Verweis auf "Requiem for Rome" sollte man, meines Erachtens, berücksichtigen das dieser Band 2007 veröffentlicht wurde und nichts mit White Wolf, in der jetzigen Form zu tun hat. Nicht einmal mit Onyx Path Publishing die sich dahingehend, unter anderen auch durch kleinere Kontroversen, im Bereich der Entwicklung von Exalted 3rd, weiterentwickelt haben.
 
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